Jagoda Marinic - Restaurant Dalmatia

  • Ich hatte das große Glück, dieses Buch zusammen mit anderen Lesern und der Autorin in einer kleinen, aber feinen Leserunde lesen zu können. Nicht nur die vielen Anmerkungen von Jagoda Marinic, sondern auch die Kommentare der Mitleser waren sehr hilfreich dabei, dieses Buch zu ergründen und es aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Deshalb an dieser Stelle ein Dankeschön an die Autorin und die anderen Mitleser. :)



    Worum geht es?


    Mia lebt in Kanada, ist Fotografin, und befindet sich in einer Schaffenskrise. Seit sie für ihre Werke eine hochrangige Auszeichnung erhalten hat, scheint sie am Ziel ihrer Träume angekommen zu sein. Sie ist unmotiviert, unausgeglichen. Und das schlägt nicht nur ihr auf's Gemüt, sondern auch ihrem Partner Rafael, der Mia schließlich dazu bringt, in ihre alte Heimat Berlin zurückzukehren, um sich praktisch auf die Suche nach sich selbst zu begegnen. Denn Mias Schaffenskrise ist auf dem besten Weg, sich zu einer echten Lebens- und Identitätskrise zu entwickeln.


    Also reist Mia nach Berlin. In das ehemalige West-Berlin. Allein. Sie reist zurück in ihre Vergangenheit, zurück in das Gestern. Und gedanklich reist sie zurück nach Kroatien, das Land ihrer Eltern. Mia begibt sich auf Spurensuche und findet dabei Stück für Stück immer mehr zu sich selbst.



    Meine Bewertung


    Mit seinen 240 Seiten ist „Restaurant Dalmatia“ ein eher dünnes Buch, aber es beinhaltet so viel. Im Vordergrund steht Mia, mitsamt ihrer ganzen Lebensgeschichte. Mia ist auf der Suche nach sich selbst, arbeitet in diesem Buch ihre Vergangenheit auf. Mia weiß nicht so richtig, wo sie herkommt. Und noch weniger scheint sie zu wissen, wo sie hingehört. Und so begibt sie sich zurück an den Ort ihrer Kindheit, den Wedding im ehemaligen West-Berlin, und trifft auf Menschen, die sie nicht vergessen hat, an die sie aber auch seit sehr, sehr langer Zeit nicht mehr bewusst gedacht hat. Und während vieler langer Gespräche, die sich stellenweise im Kreis drehen, stellenweise aber auch so viel Philosophie und Weisheit beinhalten, erkennt Mia sich selbst und findet vor allem den Weg zu sich selbst. Und damit verbunden sind die Lebensgeschichte ihrer Eltern und die Lebensgeschichte ihrer Großeltern, die auch einen gewissen Teil von Mia ausmachen.


    „Restaurant Dalmatia“ erzählt von Heimatlosigkeit, von unterschiedlichen Kulturen, die aufeinander treffen, von dem Gefühl, Gastarbeiter in einem fremden Land zu sein, von Krieg und Mauerfall. Nicht nur das Leben von Mia und den anderen Charakteren wird erzählerisch wiedergegeben, sondern auch das Leben zweier Länder: Kroatien und Deutschland.


    Dadurch springt die Handlung des Buches nicht nur zwischen den verschiedenen Charakteren, sondern auch zwischen verschiedenen Zeitebenen. Ich würde fast sagen, der Teil, der in der Gegenwart spielt, nimmt den geringsten Raum ein. Denn viel wichtiger ist, was in der Vergangenheit geschehen ist und was Mia letztlich so geprägt hat.


    Stellenweise war eine Handlung in diesem Buch gar nicht so wichtig, sondern Gespräche standen im Vordergrund. Aber meist wechselten sich intensive Handlung und ruhigere bis aufwühlende Gespräche einfach ab. Ich muss aber sagen, dass mich die Teile des Buches, in denen auch wirklich etwas passiert, mehr gefesselt haben. Die Dialoge waren teilweise schon so philosophisch und so voller Weisheiten, dass mir beim Lesen schon fast der Kopf gequalmt hat. Dann kamen Erzählstränge, in denen endlich wieder auch etwas Handfestes passiert, genau richtig.


    Die Lektüre von „Restaurant Dalmatia“ fand ich nicht ganz einfach. Das Buch ist doch recht anspruchsvoll geschrieben, teilweise muss man auch zwischen den Zeilen lesen. Jeder Satz drückt bewusst oder unbewusst so viel aus und man muss doch sehr konzentriert lesen, um alle Kleinigkeiten einzufangen. Gleichzeitig ist der Stil von Jagoda Marinic sehr sprach- und bildgewaltig. Sie spielt mit der Sprache und drückt mit wenigen Worten so viel aus. Es ist also kein Buch zum Nebenbei-Lesen, sondern erfordert schon die volle Aufmerksamkeit des Lesers.


    Ich glaube, mit meiner Rezension kann ich gar nicht ausdrücken, was die Lektüre von „Restaurant Dalmatia“ mit mir gemacht hat. Ich habe mir so viele Sätze markiert, die ich einfach besonders fand, die ich aber gar nicht weiter kommentieren kann, weil man sie einfach so im Raum stehen und auf sich wirken lassen sollte.



    Mein Fazit


    „Restaurant Dalmatia“ ist trotz seines eher geringen Umfangs ein Buch mit enorm viel Inhalt und so vielen wundervollen Sätzen und kleinen Weisheiten, die man immer und immer wieder lesen könnte.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Ich habe deine Rezi gerade eben erst entdeckt und möcht wirklich ganz herzlich Danke sagen für diese schöne Empfehlung! Ich überlege wirklich meiner Mutter dieses Buch zu Weihnachten zu schenken (zum Teil weil ichs auch gern lesen würde :-, ). Findest du eigentlich die Grundstimmung des Buches eher deprimierend (wegen Heimatlosigkeit, Sinnsuche, etc.) oder dennoch optimitistisch und hoffnungsvoll?

    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."
    Heinrich Heine


      :study:

  • @ Schokopraline:


    Das freut mich. :D


    Was die Grundstimmung betrifft: Also Mia ist schon ein etwas verlorener Charakter und daher herrscht auch irgendwie schon eine eher bedrückende Stimmung. Und auch in Mias Vergangenheit sind einige Dinge passiert, die einfach nicht schön sind und ihre Niedergeschlagenheit erklären. Aber es gibt vor allem in der Gegenwart Charaktere, die diese Stimmung auflockern. Die auch für ein paar Schmunzler sorgen. Und es geht im Laufe des Buches auch ein Wandel mit Mia vor, der sich auch auf die Grundstimmung des Buches auswirkt. :)

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  • Danke, dann werde ich ihr doch das andere Buch von Jagoda Marinic schenken (Gebrauchsanweisung für Kroatien) und mir selbst dieses hier :loool:

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    Heinrich Heine


      :study:

  • Danke, dann werde ich ihr doch das andere Buch von Jagoda Marinic schenken (Gebrauchsanweisung für Kroatien) und mir selbst dieses hier :loool:

    Das kingt auch nach einem sehr guten Plan. :lol: Dann berichte doch mal, wie euch die beiden Bücher gefallen haben. Ich habe bis auf "Restaurant Dalmatia" noch kein weiteres Buch von der Autorin gelesen, möchte das aber gerne ändern. :thumleft:

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  • Das kingt auch nach einem sehr guten Plan. :lol: Dann berichte doch mal, wie euch die beiden Bücher gefallen haben. Ich habe bis auf "Restaurant Dalmatia" noch kein weiteres Buch von der Autorin gelesen, möchte das aber gerne ändern. :thumleft:


    Wird gemacht! :thumleft: Kann aber noch dauern :loool:

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      :study:


  • Wird gemacht! :thumleft: Kann aber noch dauern :loool:

    Keine Angst, ich habe Zeit. :wink:

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