Kurzbeschreibung von Amazon.de:
Ein siebenjähriges Mädchen tötet seine Großmutter auf brutale Weise. Ein tragischer Einzelfall, sagen die Experten. Doch sie täuschen sich. Überall auf der Welt kommt es zu grausamen Gewalttaten, die Kinder gegen ihre Familien verüben. Der Anthropologe Hesketh Lock hat zunächst ein ganz anderes Rätsel aufzuklären. Hesketh ist ein »Troubleshooter«: weltweit wird er zur Aufklärung interner Skandale in globalen Unternehmen eingesetzt. Sein aktueller Fall führt ihn nach Taiwan. Hesketh entdeckt als Erster ein Muster in den sich häufenden Fällen von schwerer Industriesabotage und den Attacken von Kindern gegen Erwachsene, die wie zwei Epidemien den ganzen Erdball erfassen. Wer sind die geheimnisvollen »sie«, von denen immer wieder die Rede ist? Sind »sie« die treibende Kraft hinter den dramatischen Ereignissen?
Über die Autorin (Quelle: www.dtv.de):
Liz Jensen studierte Englisch am Somerville College in Oxford, arbeitete als Journalistin in Hongkong und Taiwan, danach als Produzentin für die BBC sowie als Journalistin und Bildhauerin in Frankreich. Heute lebt sie in London und Kopenhagen. Sie war mehrmals für den Orange Prize und den Guardian First Book Award nominiert.
Handlung:
Der geschiedene Anthropologe Hesketh Lock lebt ein sehr zurückgezogenes Leben. Er ist mit dem Asperger-Syndrom gezeichnet und hat Schwierigkeiten mit sozialen Kontakten. Gleichzeitig besitzt er aber auch eine Inselbegabung und kann aus verschiedenen, zunächst unzusammenhängend erscheinenden Abläufen Muster erkennen. Diese Fähigkeit hat er zu seinem Beruf gemacht, er hat einen guten Job in einer Kanzlei und wird zu ganz speziellen Fällen geschickt. Als er nach China beordert wird, wo in einem Holzverarbeitungsbetrieb, der zu den Klienten seiner Firma gehört, ein Sabotageakt betrieben wurde, ahnt er noch nicht, welche Ereignisse bereits in Gang gesetzt wurden. Hesketh entlarvt den Saboteuer, der ihm gegenüber ein seltsames Verhalten an den Tag gelegt hat und kurze Zeit später Suizid begeht. Gleich darauf wird er zu weiteren Sabotageakten nach Schweden und in die Vereinigten Arabischen Emirate gerufen. Auch diese beiden Männer waren nach Angaben ihrer Verwandten in letzter Zeit kaum mehr wieder zu erkennen und begingen Selbstmord. Alle haben behauptet, von übersinnlichen Wesen, die zu deren Religion oder dem jeweiligen Volksglauben passten, verfolgt zu werden bzw. besessen zu sein. Gleichzeitig attackieren weltweit eine große Anzahl Kinder Erwachsene und töten diese ohne Vorwarnung. Hinterher sind sie sehr in sich gekehrt, wollen nicht darüber sprechen und es scheint eine Veränderung in ihnen vorgegangen zu sein. Die Welt befindet sich im Wandel und niemand scheint zu begreifen, was tatsächlich passiert. Doch Hesketh hat ein Muster erkannt, dass die vielen Sabotageakte mit den Morden der Kinder in Verbindung bringt. Er kann sich jedoch nicht voll und ganz seiner Arbeit widmen, denn mit seinem Stiefsohn Freddy, den er sehr gerne hat, ist er schon bald persönlich betroffen…
Meine Meinung:
Das als Thriller betitelte „Die da kommen“ klingt, wenn man sich den Klappentext durchliest, wie ein Endzeitroman voller Phantastik. Doch das würde dem Buch nicht gerecht werden, denn es ist alles andere als ein nach Effekten heischender Blockbuster. Hier gibt es kein in die Luft fliegendes Weißes Haus und auch keine durch Naturkatastrophen untergehenden Städte. Eine Genreeinordnung fällt mir persönlich recht schwer und auch eine Grenze bzgl. möglicher Realität in naher Zukunft vs. abwegige Science-fiction kann ich nicht zu 100% ziehen. Allerdings ist das Buch recht wissenschaftlich und jedes zuerst noch so unmöglich erscheinendes Phänomen wird aus akademischer Sicht betrachtet. Man findet Elemente aus Science-fiction, (Wissenschafts)thriller, Horror und Dystopie. Es ist ein recht ruhiges Buch, das von seiner Atmosphäre und vor allem von seinem Hauptcharakter lebt. Hesketh ist eine mehr als außergewöhnliche und sehr interessante Figur geworden und dadurch, dass die Geschichte in der Ich-Form verfasst wurde, kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der „Die da kommen“ eine besondere Note gibt. Hesketh Lock als sympathisch zu bezeichnen wäre vermessen. Seine sexuelle Auffassung ließ mich beispielsweise einige Male ins Stocken geraten, denn er hält sich für nahezu unwiderstehlich und ordnet jede Frau, mit der er zu tun hat, nach deren körperlichen Vorzügen ein. Mit Gefühlen hat er ein größeres Problem und auch seine Liebesfähigkeit wirkt sehr eingeschränkt. Dies betrifft allerdings nicht den Sohn seiner Ex-Frau Freddy, dessen leiblicher Vater er zwar nicht ist, zu dem er jedoch eine sehr herzliche Beziehung aufgebaut hat. Es scheint fast so als ob dieser der einzige Mensch ist, der ihm auf der Welt wirklich etwas bedeutet, auch wenn er von seinem Verhältnis zu ihm genauso nüchtern erzählt wie von beispielsweise seiner beruflichen Tätigkeit. Im Geiste analysiert er in Sekundenschnelle Dinge, hat eine hohe Auffassungsgabe und setzt seine Fähigkeit in nahezu jeder Situation ein, was oft befremdlich wirkt. Als Ausgleich und um sich zu beruhigen faltet er Origami, aber nicht nur in Wirklichkeit, sondern auch in Gedanken und dies auch gerne mitten in Gesprächen. Auch wenn vieles ungewöhnlich wirkt bei Hesketh, langweilig wird es mit einem so interessanten Charakter definitiv nicht. Das ganze hat hervorragend mit dem recht anspruchsvollen Schreibstil von Liz Jensen harmoniert und die Ich-Form, mit dem sie den Protagonisten erzählen lässt, war sehr überzeugend. Ich konnte mir jederzeit vorstellen, dass Hesketh Lock tatsächlich existiert und das alles auch genauso erzählen würde.
Das Buch verbreitet an vielen Stellen eine sehr gespenstische Atmosphäre. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass der Glaube der Selbstmord begehenden Personen, sie wären besessen von Geisterwesen, sehr gruselig auf mich gewirkt hat. Aber auch die Beschreibung der mordenden Kinder war sehr verstörend. Wenn der Protagonist mit seinem Stiefsohn zusammen war, hatte man immer die Befürchtung, dass gleich ein Ausbruch kommen könnte, auch wenn nichts darauf hingedeutet hat. Auch die Art und Weise wie sich die Kinder verändert haben und sich dann in Gruppen zusammengeschlossen haben, hatte durchaus einen Gänsehaut-Effekt. Das Ende hat mir ebenfalls einen Schauer über den Rücken gejagt. Es ging zwar relativ schnell und es wurden nicht alle Fragen zu meiner vollsten Zufriedenheit beantwortet, aber die Wirkung wurde keinesfalls verfehlt. Insgesamt gesehen hätte es dem Buch sogar gut getan, wenn es statt nur knapp über 300 Seiten noch 200 mehr gehabt hätte. Somit hätte die Geschichte noch besser ausgearbeitet und sich entfalten können und auch verschiedene Details hätten eine genauere Betrachtung verdient gehabt.
Fazit: "Die da kommen" ist ein genremäßig nicht klar einzuordnendes Buch, das einen hervorragenden Hauptdarsteller hat und eine schaurige Atmosphäre, aber leider etwas zu kurz geraten ist.