Anne Perry - Ein Pakt mit dem Teufel / A Sunless Sea

  • Kurzbeschreibung bei amazon


    Ein schockierender Mord an einer jungen Frau. Die Spur führt in Londons höchste Regierungskreise
    London 1867. Inspector William Monk soll die Ermittlungen in einem schockierenden Mordfall übernehmen: im Wasser der Themse wurde eine entstellte Frauenleiche gefunden. Die Tote: Zenia Gadney, eine Gelegenheitsprostituierte, die allein und sehr zurückgezogen lebte. Regelmäßig jedoch erhielt sie Besuch von einem eleganten älteren Herren. Leider lässt sich der Besagte nicht mehr befragen – unlängst hat Dr. Joel Lambourn Selbstmord begangen. Oder war es Mord? Denn Lambourn hat als renommierter Wissenschaftler im Regierungsauftrag das Betäubungsmittel Opium erforscht. Und seine Ergebnisse waren bahnbrechend und äußerst brisant ...


    Autoreninfo (amazon)


    Die Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Schon früh begann sie zu schreiben. Ihre historischen Kriminalromane zeichnen ein lebendiges Bild des spätviktorianischen England und begeistern mittlerweile ein Millionenpublikum. Anne Perry lebt und schreibt in Schottland.


    Allgemeines


    Die deutsche TB-Ausgabe erschien am 18.Juni 2012 im Goldmann Verlag und umfasst 544 Seiten.
    Die englische TB-Ausgabe, auf die sich meine Rezension bezieht, erschien am 30.August 2012 im Headline Verlag und hat 442 Seiten.
    Bei diesem Roman handelt es sich um den 18.Band der Reihe um William und Hester Monk.


    Zum Inhalt


    Auf einem Anlegeplatz an der Themse wird die schrecklich zugerichtete Leiche von Zenia Gadney gefunden. Diese stille und freundliche Mittvierzigerin lebte seit 15 Jahren allein, nur ein Mal im Monat bekam sie Besuch von einem Herrn, der sie offenbar auch aushielt. War sie eine Prostituierte mit nur einem Freier? Die Ermittlungen von William Monk ergeben, dass es sich bei dem Mann um den angesehenen Arzt Dr.Joel Lambourn handelte, der allerdings als Täter ausscheidet, da er bereits zwei Monate vor dem Mord Selbstmord beging. Dr.Lambourn hatte eine Studie für die Regierung verfasst, die sich mit Todesfällen durch unabsichtlich mit Opium überdosierte Medikamente beschäftigte. Offensichtlich wollte Dr.Lambourn eine Gesetzesänderung erwirken, derzufolge Opium nur noch kontrolliert ausgegeben werden dürfte. Nachdem sein Bericht von seinen Auftraggebern als "inkompetent" abgelehnt wurde, soll er, von dieser Schande gebrochen, Selbstmord begangen haben.
    Seine Witwe Dinah Lambourn ist des Mordes angeklagt: Sie soll aus Eifersucht auf die Geliebte ihres Mannes ihre Nebenbuhlerin Zenia Gadney getötet und verstümmelt haben. Dinah behauptet jedoch, ihr Mann habe keineswegs Selbstmord begangen, sondern sei ermordet worden. Derselbe Täter habe auch Zenia umgebracht, da diese möglicherweise eine Kopie des brisanten Berichts besessen habe. Monk, sein Kollege Runcorn und Hester finden bei ihren Ermittlungen Hinweise darauf, dass es sich beim Tod von Dr.Lambourn tatsächlich um Mord gehandelt haben könnte, so setzen sie alles daran, die möglicherweise unschuldige Dinah vor dem Tod durch den Strang zu retten. Als Verteidiger wird, wie schon in vorherigen Bänden, Sir Oliver Rathbone berufen, der im Ankläger und im Richter mächtige Gegenspieler hat, die offenbar ihre eigene Agenda haben.


    Persönliche Beurteilung


    Um diesem Fall folgen zu können, ist es ratsam, Vorkenntnisse aus der Geschichte um Monk und seine Frau Hester, aber vor allem um Sir Oliver Rathbone zu haben, da immer wieder auf die Geschehnisse in den vorherigen Bänden Bezug genommen wird.
    Die Thematik des Falls ist sehr interessant. In einer Zeit, als Opium das einzig wirksame Mittel gegen starke Schmerzen war und es noch keinerlei Regulierung der Ausgabe gab, kam es nicht selten zu Todesfällen durch Überdosierung. Besonders Kinder bekamen von ihren Müttern leichtfertig zu hohe Dosen verabreicht. Als die Einführung von Injektionsspritzen die Verabreichung von Opium direkt in den Blutkreislauf möglich machte - vorher wurde es verdünnt getrunken oder geraucht - , wurde die Einnahme durch medizinisch-pharmazeutisch Unkundige noch gefährlicher. Gleichzeitig eröffnete sich geldgierigen Opiumhändlern die Möglichkeit, andere Menschen innerhalb kürzester Zeit süchtig zu machen und sich so ein dauerhaft lukratives Geschäft zu sichern. Diese Praktiken waren noch nicht einmal illegal, solange der unkontrollierte Verkauf von Opium nicht verboten war.
    Der Kriminalfall ist intelligent und durchaus glaubwürdig konstruiert. Leider ist die sprachliche Umsetzung nicht vollkommen gelungen. Bestimmte Zwischenergebnisse der Ermittlung werden immer wieder präsentiert, obwohl es auch dem medizinischen Laien nicht schwerfällt, die Zusammenhänge beim ersten Mal zu begreifen. Wie auch in anderen Büchern der Autorin werden Gesichtsausdruck und sich darin spiegelnde Gefühle der handelnden Figuren wiederholt und so ausführlich präsentiert, dass es für den Leser ermüdend wird. Auch der sicherlich zu Recht erhobene moralische Zeigefinger wedelt mitunter so heftig, dass es übertrieben wirkt. Immer wieder wird auf die Opiumkriege zwischen England und China hingewiesen. Sehr interessant, aber zu detailliert!
    Vom Aufbau gleicht "The Sunless Sea" den übrigen Bänden der Reihe, die Handlung teilt sich zwischen den Ermittlungsarbeiten von Monk und Hester einerseits und dem Prozess gegen Dinah Lambourn andererseits, was einander gut ergänzt.
    Die deutsche Übersetzung soll Kritiken zufolge (--> amazon) nicht besonders gelungen sein, am englischen Original, für das ich hier nur sprechen kann, ist, von der oben erwähnten Langatmigkeit mancher Passagen abgesehen, stilistisch nichts auszusetzen.


    Fazit


    "A Sunless Sea" ist ein thematisch sehr interessanter und vom Aufbau her gelungener Roman, der aber von einer strafferen Präsentation profitiert hätte. Für Freunde spannender Thriller weniger empfehlenswert, kann man ihn Fans von Anne Perry jedoch ans Herz legen.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

    Einmal editiert, zuletzt von €nigma ()

  • London, 1867: Eine Frau wird ermordet und gräßlich verstümmelt auf einem Pier gefunden. Zunächst muss William Monk von der Wache Wapping der Thames River Police herausfinden, wer die Tote überhaupt ist. Zenia Gadney lebte zurückgezogen, bekam aber regelmäßig Besuch von einem Mann, der sie offenbar aushielt. Dieser, Dr. Joel Lambourn, hatte vor einigen Wochen Suizid begangen – hatte das die Tote auf die Straße getrieben, und damit ihrem Mörder in die Hände? Lambourns Ehefrau glaubt nicht an Suizid, doch kann sein Tod kaum mit Zenia Gadneys Tod in Zusammenhang stehen – oder doch?


    Neben der Reihe, die das Ehepaar Pitt im Zentrum hat, habe ich auch immer schon gerne die mit den Monks gelesen, aber leider in den letzten Jahren pausiert, nun endlich habe ich begonnen, die beiden Reihen weiterzulesen, und es war für mich schnell wie ein Wiedersehen mit lang vermissten Freunden. Im ersten Band trafen Monk, der damals sein Gedächtnis verloren hatte, und Hester, die als Krankenschwester gerade aus dem Krimkrieg nach Hause gekommen war, erstmals aufeinander. Nun, im achtzehnten Band, sind sie, nach vielen Aufs und Abs ein glückliches Paar, Hester leitet eine Klinik für Straßenmädchen, Monk ist der Leiter der oben genannten Wache und die beiden haben einen Straßenjungen bei sich aufgenommen.


    Natürlich ist auch der Anwalt Oliver Rathbone wieder Teil der Geschichte, den es gerade privat schwer getroffen hat, was auch an seinem Selbstbewusstsein knabbert. Nachdem Monk jemanden verhaftet hat, übernimmt Rathbone die Verteidigung, was einen harten Kampf bedeutet, den er kaum gewinnen kann. Dieser Kampf im Gerichtssaal nimmt einen großen Teil des Romans ein, der seine Spannung u. a. daraus zieht, wie die Geschworenen letztlich entscheiden werden. Dabei stellt man sich als Leser:in natürlich auch auf eine Seite.


    Anne Perry erzählt sehr detailreich, aus verschiedenen Perspektiven und immer nah an ihren Charakteren. So kann man z. B. Oliver Rathbones inneren Kampf mit sich selbst verfolgen, er hadert stellenweise damit, das Mandat in diesem Fall übernommen zu haben, er ist sich nicht immer über seine Strategie klar, ist manchmal unsicher und hat zudem mit privaten Problemen zu kämpfen. Mir gefällt das, denn so kommen mir die Charaktere sehr nahe.


    Wie immer in Anne Perrys Romanen ist ein großer Anteil Gesellschaftskritik enthalten. Dieses Mal dreht sich viel um das Thema Opium, das damals das einzige Schmerzmittel war, das wirklich Hilfe versprach, insbesondere bei starken Schmerzen. Es war freiverkäuflich und seine Dosierung unklar. Da es auch bei Kindern, sogar Säuglingen, z. B. bei Bauchschmerzen oder beim Zahnen verwendet wurde, kam es relativ häufig zu Todesfällen. Zudem waren die „Opiumkriege“ kein Ruhmesblatt für Großbritannien, und es steckte eine Menge Geld dahinter – hier treffen eine Reihe Interessen aufeinander.


    Auch nach längerer Pause konnte ich mich direkt wieder in die Reihe einfinden, William und Hester Monk, sowie Oliver Rathbone sind für mich wie alte Bekannte, und es war schön, sie wiederzutreffen. Dazu gibt es einen komplexen Kriminalfall, Gesellschaftskritik, eine gelungene Auflösung und viel subtile Spannung, so dass ich den Roman zufrieden beenden konnte und mich auf den nächsten Band freue.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Anne Perry: Ein Pakt mit dem Teufel / A Sunless Sea“ zu „Anne Perry - Ein Pakt mit dem Teufel / A Sunless Sea“ geändert.