Stephen Greenblatt - Die Wende: Wie die Renaissance begann / The Swerve: How the World Became Modern

  • Die Amazon-Redaktion schreibt:
    Ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis und dem National Book Award


    Bestsellerautor Stephen Greenblatt führt uns in seinem neuen Buch an die Zeitenwende zwischen dem Ende des Mittelalters und dem Beginn der Renaissance. Er folgt dabei den Spuren von Lukrez' „De rerum natura” – einem antiken Text, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde, das Denken der Menschen radikal veränderte und die Welt in die Moderne führte...


    Über den Autor:
    Stephen Greenblatt ist Professor für Englische und Amerikanische Literatur und Sprache an der Harvard Universität. Als führender Theoretiker des New Historicism ist er einer der angesehensten Forscher zu Shakespeares Werk sowie zu Kultur und Literatur in der Renaissance. Greenblatt ist der Herausgeber der Norton Anthology of English Literature, Gründer und Mitherausgeber der Zeitschrift Representations sowie Autor mehrerer Bücher, darunter die hochgelobte Shakespeare-Biographie Will in der Welt (2004). Für seine Arbeit wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter dem James Russell Lowell-Preis der Modern Language Association. Er lebt in Cambridge, Massachusetts, und in Vermont.


    Meine Rezension:
    Im Mittelpunkt dieses Buches steht wie oben beschrieben die Wiederentdeckung des für mehrere Jahrhunderte veschollenen Meisterwerkes "de rerum natura" von Lukrez durch den Humanisten Poggio Bracciolini. Dieser hatte sich, obgleich er als Sekretär an der päpstlichen Kurie in Rom beschäftigt und somit in einer intrigenreichen, politischen Welt verstrickt war, aus Liebe zur lateinischen Sprache der Wiederauffindung antiker Texte verschrieben. Er durchstöberte dafür alte Klosterbibliotheken und stieß 1417 schließlich während seines Aufenthaltes in Deutschland auf die fast zerfallene Handschrift "de rerum natura". Die ganze Bedeutung seines Fundes wurde von Poggio und seinen humanistischen Zeitgenossen zwar vermutlich nicht gleich erfasst, doch einmal aus der Vergessenheit wieder befreit, liess sich die Wirkung des Gedichts in den nächsten Jahrzehnten auf wichtige Denker Europas trotz Gegensteuerung der Kirche nicht mehr aufhalten: das Zeitalter der Renaissance war angebrochen. Greenblatt widmet dem heiklen Inhalt des antiken Lehrgedichtes, das im Sinne der epikureischen Lehre verfasst wurde, eine ausführliche Betrachtung und fasst sie für den Leser leicht verständlich zusammen: Die Welt bestehe aus kleinen, nicht mehr spaltbaren Teilen, die Atome genannt werden. Der Kosmos habe folglich keinen Schöpfer. Die Seele sei genauso sterblich wie der Körper, ein Leben nach dem Tod sei nicht zu erwarten . Ebensowenig stehe der Mensch im Mittelpunkt des Universums. Er sei wie alles durch eine Abfolge aus Versuch und Irrtum entstanden. Religionen seien entsprechend als ein Schwindel zu verstehen. Verständlich, dass diese Lehren damals der Inquisition missfielen.


    Greenblatt gelingt es nicht nur, die Geschichte dieser Entdeckung plastisch und spannend in den damaligen historischen Kontext zu betten, sondern spannt in seinem Buch den Bogen von der römischen Antike über das Mittelalter und der Renaissance bis zur heutigen Zeit. Er greift dabei immer wieder einzelne Persönlichkeiten und historische Ereignisse heraus und bietet den Lesern Einblicke in erstaunliche Welten. Trotz (vielleicht aber auch wegen) des Reichtums an Zitaten erreicht das Buch erzählerische Tiefe und liest sich stellenweise wie ein Roman. Dass die Handlung nicht strikt chronologisch und die Sätze eher komplex gestaltet wurden, macht die Lektüre anspruchsvoll. Da es in diesem Buch aber mitunter um die Schönheit der Sprache und die rhetorische Kunst antiker Meister geht, empfinde ich diesen Stil als angemessen.
    Empfehlenswert nicht nur für Umberto Eco-Freunde!

    :study: Junge mit schwarzem Hahn- Stefanie vor Schulte


    No two persons ever read the same book (Edmund Wilson)

  • Worum es geht

    Im Winter des Jahres 1417 entdeckt der apostolische Sekretär Poggio Bracciolini in einem Kloster in Süddeutschland eine antike Handschrift. Dabei handelt es sich um ein ganz besonderes Werk, das Gedicht "De rerum natura" des römischen Dichters Lukrez, eines Schülers des Epikur. In einzigartiger Weise verbindet es die Schönheit der Sprache mit einem wissenschaftlichen Inhalt.

    Der Humanist, der durch die Absetzung seines Dienstherrn, Papst Johannes XXIII., ohne Beschäftigung ist, hat viel Zeit, sich mit dem Aufspüren antiker Texte zu befassen, und er tut dies mit großer Leidenschaft. Bracciolini ist aber auch ein begabter Kopist mit einer wunderschönen Handschrift, dem es gelingt, aus der komplizierten und schwer zu lesenden gotischen Schrift eine viel leichter zu handhabende Schreibschrift zu entwickeln.

    Stephen Greenblatt entführt den Leser aber auch in die Welt der Antike, erklärt ihm die Lehre Epikurs in wesentlichen Zügen und lässt das kultivierte Leben der griechischen und römischen Welt vor dessen geistigem Auge lebendig werden. Wir erfahren vom ungeheuren Wissensschatz, der in herrlichen Bibliotheken lagert, bedauerlicherweise aber in den Wirren eines chaotischen Zeitalters zum größten Teil verloren ging.

    Der Autor spürt aber auch Bracciolonis Biografie nach, erläutert die wesentlichsten Aussagen des lukrezischen Gedichts und berichtet nicht nur von dessen Auswirkungen auf die unmittelbare Gegenwart, sondern auch auf eine fernere Zukunft.


    Wie es mir gefallen hat

    Eine Lektüre, ganz nach meinem Geschmack, die sich mit der großen Zeitenwende vom Mittelalter in die Neuzeit befasst. Interessant fand ich, wie sich der Autor diesem Thema nähert und die Zeit des Bücherjägers Poggio Bracciolini sehr geschickt mit der des von ihm aufgefundenen Werkes verbindet.

    Wie modern und fortschrittlich mag dem Leser doch die weit zurückliegende Antike erscheinen, um wie viel näher wird sie ihm sein als das dunkle Mittelalter mit seiner Unwissenheit, seinem Aberglauben und dem von der Angst vor dem ewigen Strafgericht Gottes beherrschten Alltag. Wieder einmal ist mir bewusst geworden, an welch unglaublich dünnem Faden das Überleben vieler antiker Schriften hing, die unter Schutt und Geröll die Jahrhunderte überdauerten, ehe sie (welcher Hohn der Geschichte) in Klöstern kopiert und aufbewahrt wurden.

    Bezeichnend auch die Tatsache, dass die Nachwelt vor allem die wundervolle Poesie des Gedichts bewunderte, während der Inhalt in das Reich der Fabel verwiesen wurde. Und wer dies nicht tat (wie Giordano Bruno), dem war der Scheiterhaufen gewiss.

    Andererseits war das, was Lukrez über die Götterwelt, die Welt der Atome, die Beschaffenheit der Materie, den Tod, die Lebensfreude schrieb, so unglaublich und revolutionär, dass es wohl seltsam gewesen wäre, wenn es Eingang in die enge Gedankenwelt der Kirche gefunden hätte.

    Jedenfalls wussten die alten Griechen und Römer längst, "was die Welt im Innersten zusammenhält", ein Wissen, das uns nur durch das Zusammentreffen vieler glücklicher Umstände überliefert ist.

    Stilistisch und inhaltlich ein großartiges Buch und ganz auf die Bedürfnisse eines interessierten Laienpublikums zugeschnitten.

  • Bestsellerautor Stephen Greenblatt führt uns in seinem neuen Buch an die Zeitenwende zwischen dem Ende des Mittelalters und dem Beginn der Renaissance. Er folgt dabei den Spuren von Lukrez' „De rerum natura” – einem antiken Text, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde, das Denken der Menschen radikal veränderte und die Welt in die Moderne führte.
    An einem kalten Januartag des Jahres 1417 fällt dem Humanisten Poggio Bracciolini in einem deutschen Kloster ein altes Manuskript in die Hände. Damit rettet er das letzte vorhandene Exemplar von Lukrez’ antikem Meisterwerk „De rerum natura” vor dem Vergessen, nicht ahnend, dass dieses Buch die damalige Welt in ihren Grundfesten erschüttern wird. Denn der antike Text mit seinen unerhörten Gedanken über die Natur der Dinge eröffnet den Menschen des ausgehenden Mittelalters neue Horizonte, befeuert die beginnende Renaissance und bildet die Basis unserer modernen Weltsicht.
    Farbenfroh und spannend beschreibt Stephen Greenblatt, wie die Verbreitung des Buches die Renaissance beeinflusste und bedeutende Künstler wie Botticelli und Shakespeare, aber auch Denker wie Giordano Bruno und Galileo Galilei prägte. Greenblatt bietet einen neuen Blick auf die Geburtsstunde der Renaissance, der zugleich zeigt, wie ein einzelnes Buch dem Lauf der Geschichte eine neue Richtung geben kann. ("Quelle: Amazon.de")


    In dem Buch „Die Wende – Wie die Renaissance begann“ von Stephen Greenblatt geht es um das Buch „De rerum natura“ von Lukrez und der Fund des Buches im 15. Jahrhundert. In den elf Kapiteln wird Poggio Bracciolioni beschrieben, sein Leben und die Suche nach antiken Schriften. Natürlich geht es auch um Lukrez, die Umstände seiner Zeit und das Buch selbst. Zum Ende hin wird beschrieben, wie sich das Buch verbreitete, wie es von den Humanisten und der Kirche aufgenommen wurde und um die Zeit des 15. Jahrhunderts, um Giordana Bruno, Galileo Galilei und weitere Menschen, die das Buch lasen und verbreiteten.


    Das Buch ist am Anfang sehr gut geschrieben, es ist leicht zu lesen und das Thema ist interessant. Zum Schluss hin zieht sich das Buch etwas und ich habe für die letzten 2 Kapitel länger gebraucht, als für die ersten. Es ist interessant, etwas über das Leben im 15. Jahrhundert, die Suche nach antiken Schriften und die Zeit der Humanisten zu erfahren. Allerdings denke ich nicht, dass das Finden des Buches „De rerum natura“ wirklich die Wende war und die Renaissance auslöste. Dieses Thema wird im Buch eigentlich auch so gut wie gar nicht erwähnt. Es wird zwar erwähnt, wie es sich verbreitete, was die Leser dachte und wie die Kirche versuchte, die Verbreitung zu verhindern, aber wie das Buch die Renaissance hätte auslösen sollen, wird nicht beschrieben.


    Ich kann das Buch empfehlen, da es interessant ist. Allerdings ist der Titel irreführend und man sollte nicht erwarten, wirklich etwas über den Beginn der Renaissance zu erfahren. Dafür sollte man andere Bücher lesen, die ich auch noch suchen werde.