Aly Cha - Schnee im April

  • Handlung
    An einem eisig-kalten Wintertag reist Miho mit ihrer sechsjährigen Tochter Yuki die weite Strecke von Tokio nach Osaka. Dort wohnt Mihos Mutter, die sie seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Miho setzt keinen Fuß in das Haus, sondern gibt lediglich die schlafende Yuki ab und geht wieder davon. Asako, Mihos Mutter, ist verwirrt und über die Maßen besorgt, arrangiert sich aber gezwungenerweise und genau wie das kleine Mädchen mit der neuen Situation.
    In einem Rückblick, der bei Asakos Großmutter einsetzt, wird dann die Familiengeschichte von Yukis Vorfahren erzählt, bei denen sich in jeder Generation ein bestimmtes Muster abzeichnet, welches sich immer wiederholt und auch Yuki vorbestimmt zu sein scheint.


    Meine Meinung
    Das Buch hat mich ein bisschen verwirrt zurück gelassen, weil einige für mich essentiell wichtige Dinge nicht geklärt werden.
    Die Geschichte ist in drei Teile gegliedert und in jedem Teil wird ein bisschen klarer, warum Miho ihre kleine Tochter bei Asako abgeliefert hat und ohne Erklärung verschwunden ist. Zumindest wird der Rahmen, in dem man über ihre Gründe spekulieren kann, immer enger; richtig konkret wird die Geschichte in dieser Beziehung nicht.


    Die traurige Biografie der Familie zieht sich durch jede Generation. Angefangen bei Michiko - Asakos Mutter - die aus einer einfachen Fischersfamilie stammt, von ihrer Mutter mehr oder weniger verkauft wird und dann bei einer tyrannischen Herrin in deren Pension als Dienstmädchen arbeiten muss. Was hier besonders auffällt, ist die absolute Wertungslosigkeit gegenüber Michikos Mutter. Sie wird nicht als die Böse dargestellt, die ihr Kind vertickt, sondern als ungebildete, abergläubige Frau aus armen Verhältnissen, die nach einem Schicksalsschlag ihre Kinder alleine durchbringen muss, denn nach einem Unfall ist kein Mann mehr an ihrer Seite. Sie hatte zu Michiko sowieso kein gutes Verhältnis, aber dennoch zeichnet sich schon unmittelbar nach Michikos Abreise das schlechte Gewissen bei ihr ab. Doch dafür ist es zu spät und das junge Mädchen erlebt eine schlimme Zeit. Ohne jetzt weiter ins Detail gehen zu wollen, halte ich fest, das auch Michikos Tochter Asako und wiederum deren Tochter Miho wirklich keine behütete Kindheit haben und jede einzelne von ihnen ihr bestmöglichstes tun, damit es ihren Töchtern jeweils besser geht. Yuki ist gegenwärtig erstmal der letzte Sproß. Sie hat keinen Vater und ihre Mutter arbeitet im Rotlichtviertel in Tokio, um die beiden über Wasser zu halten. Sie erzählt er Kleinen, dass sie in Amerika für sie beide ein neues Leben aufbauen will und sie bei ihrer Großmutter solange auf sie warten soll. Voller gutmütiger Naivität, wie sie bei Kindern üblich ist, lebt sich Yuki schnell bei ihrer Oma ein und träum davon, fliegen zu lernen wie Mary Poppins, um schneller nach Amerika zu ihrer Mutter zu kommen.


    Yukis kindliche Denk- und Verhaltensart ist wirklich ausgesprochen authentisch dargestellt und vor allem auch so, dass man sie als mehr oder weniger erwachsener Mensch absolut nachvollziehen kann. Die Persönlichkeiten der anderen Protagonistinnen waren für mich dagegen nicht unbedingt so konzipiert. Die Frauen in dem Buch haben sich fast alle bis zur kompletten Selbstaufgabe erniedrigen lassen, ohne ein Wort zu sagen. Das fand ich extrem erschreckend und ich konnte es nicht wirklich nachvollziehen. Wobei ich hier aber nicht weiß, ob das mit dem Mentalitätsunterschied zu tun hat. Wahrscheinlich. Schließlich ist die Handlung erstens ab dem Ende des 20. Jahrhunderts angesetzt und zweitens halt in Japan, wo Höflichkeit, Ehre und Zurückhaltung ja bekanntermaßen hochwichtige Werte sind. Ich muss auch sagen, dass ich immer den Eindruck hatte, dass die Frauen zwar nach Außen hin total am Boden waren, sich allerdings innerlich ihren Stolz nicht nehmen liesen. Sie versuchen, das beste aus ihrem Leben zu machen. Leider standen ihnen, die sie aus einfachen Verhältnissen stammten, keine großen Möglichkeiten zur Verfügung.


    Allgemein bekommt man mit der Geschichte auf jeden Fall einen großen Einblick in die japanische Lebensweise im 21. Jahrhundert, was wirklich sehr interessant ist. Der Schreibstil ist ganz in Ordnung; nicht besonders langweilig, aber auch nicht besonders ausergewöhnlich. Cha arbeitet viel mit bildlichen Beschreibungen und emotionalem Vokabular, was die allgemeine Stimmung der Szenen gut transportiert. Hinten im Buch gibt es einen Glossar, in dem die japanischen Worte erklärt werden, die im Buch vorkommen.
    Ich muss allerdings sagen, dass ab ungefähr der Mitte die Handlung relativ voraussehbar war und alles ein bisschen merkwürdig wurde. Was vielleicht an der doch etwas schrulligen Asako gelegen hat. Oder an den teilweise wirklich unnötigen Nebenhandlungssträngen, die kurz eingeflochten und dann aprupt wieder aufgelöst werden. Das Ende hält noch einmal eine ansteigende Spannungskurve parat, ist aber für mich mehr als unbefriedigend gewesen.
    Insgesamt gibt's :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

  • Ich habe das Buch heute beendet und muss sagen, dass ich geteilter Meinung bin. Auch ich blieb etwas ratlos zurück. Das liegt daran, dass viele Handlungsstränge unvollendet geblieben sind, aber auch daran, dass ich ein großer Fan von Happy Endings bin - und dieses Buch ist verdammt weit davon entfernt.
    Ich habe mit den Frauen mitgefühlt und immer wieder gehofft, dass das Leider früher Generationen endlich mit dem Glück der jungen Generationen belohnt wird, aber dem war nicht so.
    Da ich mich in letzter Zeit sehr viel mit Japan beschäftigt habe fand ich , dass es nicht nur eine Facette weiblicher Psyche der damaligen Zeit (besonders in Japan) zeigt, sondern natürlich auch eine Kritik am japanischen System und Denken zeigt. Doch die Geschichte zeigt auch teilweise die Gründe für diese Mentalität.
    Zusammengefasst hat mich das Buch sehr berührt, doch etwas unbefriedigt zurück gelassen.
    Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: