Micha-El Goehre - Jungsmusik

  • Mitte bis Ende 20, ohne feste Arbeitsstelle und keine Idee davon, was noch aus ihm werden soll. Das beschreibt den Hauptcharakter von Jungsmusik – Torben – ziemlich gut. Er und seine Freunde, die sich schon ihr halbes Leben kennen, genießen das Leben in vollen Zügen. Partys, Alkohol, Heavy Metal und One-Night-Stands gehören zu Torben´s Leben, wie Ketchup zu Pommes. Doch so nach und nach beginnt der Ernst des Lebens die junge Clique einzuholen. Die Zeiten des Unbeschwertseins gehen jetzt vorbei und besonders Torben tut sich sichtlich schwer, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken.


    Der Klappentext gibt eine kleine Leseprobe her:


    Zitat

    Das Schlimmste ist die Scham am nächsten Tag. Eigentlich sind wir alle recht schmerzfrei, was peinliche Ausfälle angeht, aber es gibt Tage, da wünscht man sich, alle hätten denselben Filmriss wie man selbst. Als ich auf immer noch wackeligen Beinen ins „Loch“ komme, sind die anderen schon da. Sven grinst mich dämlich an. Mehrere Augenbrauen sind hochgezogen.
    „Ich will nicht darüber reden!“, sage ich.
    Meine Freunde nicken verständnisvoll.
    Dann reden sie darüber.


    Zwischen den Zeil-äh Kapiteln lesen!


    Metal ist ja schon eine harte Musikrichtung. Laute Gitarren, noch lauteres Schlagzeug und alles hämmert vergleichsweise so richtig doll drauf los. Da passt der Name „Jungsmusik“ für ein Buch, dessen Protagonisten auf diese Art der Musik stehen, natürlich ganz gut. Ist zwar grundsätzlich total sexistisch, wiederum aber doch so ironisch gemeint, dass das nicht weiter schlimm ist.


    „Jungsmusik“ ist aber nicht nur der Name des Buches an sich, sondern vor allem auch der Name der Online-Kolumne, die Torben schreibt. Sie wird im Laufe der Geschichte zwar nur selten erwähnt, jedoch kommt man als Leser nicht drum herum, sie zu lesen.
    Zwischen den Kapiteln finden sich, farblich vom Rest des Buches abgegrenzt, eben jene „Kolumnen“, welche „Torben“ für das Fanzine „Hammer´n´Steel“ schreibt. Mein überschwänglicher Gebrauch von Anführungszeichen ist dabei aber kein Zufall. Denn tatsächlich handelt es sich (mindestens zum Teil) bei den „Kolumnen“ um Redebeiträge des Autors auf Poetry-Slams. Themen sind u.a., wie man am besten ein Konzert auf die Beine stellt oder die Geschichte des Heavy Metal. Und das alles in herrlichster Selbstironie verfasst (so „hart“ ist der Metal nämlich gar nicht immer).
    Als Beispiel möchte ich euch folgendes Video zeigen: Tag eines Black-Metal-Fans



    Nicht nur für Metal-Fans geeignet!


    Es ist nur logisch anzunehmen, dass jemand, der sich mit der Materie „Black Metal“ befasst, auch besser versteht, wovon Goehre hier schreibt/spricht. Trotzdem habe ich auch Nicht-Metaller lachen gesehen, wenn der Autor in Kneipen aus seinem Buch vorliest. Das hat mehrere Gründe.
    Erstens ist die Geschichte um Torben und Co. allgemeingültig. Es spielt dabei keine Rolle, welche Musik die Figuren hören, denn die Probleme und Konflikte, welche die Story tragen, kennt jeder aus dem eigenen Leben und dabei ist es egal, welcher Soundtrack dazu gespielt wird.
    Weiter stört es auch nicht, wenn die Jungs und Mädels am Rande mehr oder weniger bekannte Metalbands oder Begriffe aus der Szene erwähnen. Man muss sie nicht kennen, um die Atmosphäre des Buches aufnehmen zu können und dort, wo es doch angebracht ist, hilft der Autor durch kurze Erläuterungen.


    Der aber eigentlich wichtigste Grund ist der, dass Goehre es super versteht, sein Publikum zum Lachen zu bringen. Die eben erwähnte Selbstironie (fußend auf allgemein bekannten Klischees) wird dabei von Situationen getragen, die einem oftmals unglaublich bekannt vorkommen, hin und wieder aber hart an der Grenze zur Nachvollziehbarkeit stehen, ohne an jener einbüßen zu müssen.
    Ganz offensichtlich steckt hinter „Torben“ oftmals nämlich der Autor himself, was sich in vielen Parallelen äußert. Beide legen z.B. in Clubs Metal auf, weshalb Torben auch direkt darüber in seiner Kolumne schreibt, welche aber, wie oben erwähnt, ihren Ursprung woanders hat. Und genau das macht die Geschichte sehr sympathisch, greifbar und real.


    Persönliches Fazit


    Auch wenn Coming-of-Age-Romane nicht in mein Spektrum gehören, hat mich „Jungsmusik“ von Anfang an begeistert. Die grundsätzliche Geschichte ist nichts neues, keine Frage. Aber Goehre versteht es, den Leser nicht nur zu unterhalten, indem er das „normale“ Erwachsenwerden wundervoll ausschmückt, sondern regelrecht Bauchkrämpfe vor lachen auszulösen und an den richtigen Stellen den richtigen Nerv beim Lesenden zu treffen.
    Ich vergebe nur sehr selten die volle Punktzahl, aber wenn es jemand schafft, aus einer schnöden Coming-of-Age-Geschichte etwas so grandioses zu zaubern, dann ist es mir das wert.