E.L.Doctorow, Homer & Langley

  • Der amerikanische Schriftsteller E.L. Doctorow ("Ragtime" und "Billy Bathgate") hat sich zu diesem wunderbaren Roman inspirieren lassen von zwei Menschen, die tatsächlich gelebt haben und einer Geschichte, die tatsächlich in ihren Grundzügen so in New York in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts geschehen ist.


    Es geht um die beiden Brüder Homer und Langley Collyer, Söhne eines wohlhabenden Frauenarztes in Manhattan, die nach dem frühen Tod ihrer Eltern in einer riesigen Wohnung an der Fifth Avenue in Manhattan wohnen bleiben und über die Jahre zu sehr abstrusen Persönlichkeiten mutieren, die ihre Wohnung mit den unmöglichsten Sachen zumüllen und so eine vormoderne Form des Messietums leben. Wer sich über die historischen Brüder informieren möchte, der sei auf die sehr instruktive englische Seite bei Wikipedia verwiesen.


    In der Realität sind beide schon 1947 gestorben, Homer 66 -jährig und Langley 62- jährig. Der Autor des Romans, den man nicht mehr aus der Hand legen kann, hat man ihn einmal begonnen, jedoch lässt sie viel länger leben. Komponiert als ich-erzählender Bericht des früh erblindeten Homer, der neben dem Klavierspielen im späten Aufschreiben seines Lebens und das seines Bruders seine Erfüllung findet, spannt E.L.Doctorow mit der Lebensgeschichte der beiden Brüder einen weiten Bogen über die Geschichte des 20. Jahrhunderts vom Ersten Weltkrieg, aus dem Langley mit einem schweren Giftgasschaden zurückkehrt bis zu den Hippies, die sich in den siebziger Jahren, während des Vietnamkrieges für viele Wochen in dem bereits total verwahrlosten Haus der beiden niederlassen.


    Davor waren es etliche Mitbewohner, zunächst das alte, von den Eltern übernommene Personal, dann immer wieder Frauen, mit denen vor allem Homer seine sexuellen Bedürfnisse auslebt, nach dem Angriff auf Pearl Harbour über einige Zeit ein japanisches Ehepaar, das im Haus der Collyers Exil suchte, weil sie aus ihren alten Wohnung vom wütenden Mob vertrieben worden waren. Doch bald werden sie vom FBI abgeholt und aller Widerstand vor allem von Langley kann ihnen nicht helfen. Es ist vor allem Langley, der neben seinem lebenslangen Projekt einer einzigen Zeitung, die die ultimativen Nachrichten in sich vereinigen soll, Widerstand leistet gegen die Bank, denen die beiden, im übrigen millionenschwer auch durch die Große Depression gekommenen Brüder, Geld schulden, dem Stromlieferant und dem Wasserwerk und der immer wieder in den Dutzenden von Zeitungen, die er täglich über Jahrzehnte nicht nur gelesen, sondern auch in der Wohnung, zu Bergen aufgetürmt, gesammelt hat, immer wieder lesen muss von Kriegen.


    Und so ist diese ansprechende Geschichte zweier Brüder auch die Geschichte eines Amerika, das sich permanent im Krieg befindet. Nach dem Ersten der Zweite Weltkrieg, dann der Koreakrieg und schon bald darauf Vietnam.


    Es ist aber auch eine Kulturgeschichte eines sich verändernden New York in den ersten achtzig Jahren des 20. Jahrhunderts. Ein wunderbarer, kurzweiliger Roman über zwei Brüder, die in ihrer Sammelwut ein riesiges Haus vollstopfen und eine ganz eigene Form von Leben führen.