Connie Willis - Dunkelheit / Blackout

  • (Noch nicht auf deutsch erschienen.)


    Da das Buch ein paar Science-fiction-Elemente hat, aber zu 98% während des 2. Weltkriegs spielt, habe ich mich entschlossen, es genrefrei einzusortieren ...


    Oxford, 2060. James Dunworthy, den Willis-Leser schon aus "Doomsday Book" kennen, leitet immer noch die Abteilung Zeitreisen an der historischen Fakultät, die Historiker zu Forschungszwecken unter streng kontrollierten Bedingungen in die Vergangenheit schickt. Allerdings gibt es dort zur Zeit ziemlichen Ärger, weil kurzfristig die Zeitreisepläne diverser Forscher über den Haufen geschmissen wurden und somit sämtliche akribischen Vorbereitungen für den Trip in die Vergangenheit für die Katz' waren. Auch Michael Davies und sein Projekt "Helden in Aktion beobachten" hat es erwischt. Statt als amerikanischer Reporter getarnt den Angriff auf Pearl Harbor mitzuerleben, schickt man ihn Knall auf Fall nach Dover, um die Evakuierung englischer Truppen aus Dünkirchen aus sicherer Entfernung zu sehen.


    Bei Polly Churchill geht zunächst alles seinen normalen Gang, sie reist planmäßig ins London des "Blitzkriegs", sucht sich Arbeit in einem Kaufhaus und meidet brav die Orte, die von deutschen Bomben zerstört wurden, wie ihr der stets vorsichtige Dunworthy aufgetragen hat.


    Merope Ward ist bereits in der Vergangenheit unterwegs und betreut, ebenfalls im Jahre 1940, unter dem Namen Eileen O'Reilly in einem englischen Landhaus eine wilde Horde aus London evakuierter Kinder, die ihr das Leben nicht immer leicht machen. Besonders die grässlichen Hodbins, ein auf üble Weise einfallsreiches Geschwisterpaar, lassen sie sehnsüchtig auf das Ende dieses Einsatzes warten. Und sie hofft, dass Dunworthy sie nach ihrer Rückkehr doch endlich den heißersehnten Abstecher zum Tag des Kriegsendes in London machen lassen wird, auf den sie so scharf ist.


    Doch es gibt unvorhergesehene Komplikationen, und bald müssen alle drei feststellen, dass es womöglich nicht so einfach sein wird wie geplant, in die Gegenwart zurückzukehren ...


    Connie Willis versteht es wie kein anderer Autor, dem doch recht ausgelutschten Thema Zeitreisen immer wieder Neues abzugewinnen. Diesmal entführt sie ihre drei sympathischen Hauptfiguren und uns Leser ins England des 2. Weltkriegs, und nicht nur Michael, Polly und Merope-Eileen sind mittendrin statt nur dabei. Die Bombennächte, die Rationierung, der Fliegeralarm, die Verdunklung (blackout), die beklemmende Atmosphäre in den Luftschutzkellern und die Ängste und Unsicherheiten werden unglaublich lebendig - genauso wie der Kampfgeist der Menschen, besonders der Londoner, die sich von Hitler und seinen Bomben nicht unterkriegen lassen wollen und einen ganz erstaunlichen Überlebenswillen, Einfallsreichtum und natürlich auch eine ganz große Portion britischen Humor an den Tag legen.


    Willis hat großartig recherchiert und flicht Fakten sowie Anekdoten von interviewten Zeitzeugen in die Handlung ein, so dass aus den ganz unterschiedlichen Erfahrungen von Michael, Polly und Merope ein lebhaftes Panorama Englands in den Kriegsjahren entsteht. Spannend, dramatisch, oft tragisch oder brutal, aber dann auch wieder pfiffige, witzige Szenen, einige davon geradezu brüllend komisch.


    Die Zeitreisegeschichte kommt darüber auch nicht zu kurz. Immer stärker zerbrechen sich unsere drei Reisenden den Kopf darüber, ob ihre Handlungen nicht doch Einfluss auf den Verlauf der Geschichte haben und die Zeit aus den Fugen bringen können, auch wenn ihnen die Wissenschaftler stets versichert haben, dass das nicht passieren kann. (Übrigens treffen wir in Oxford noch einen alten Bekannten: Colin Templer, der lollilutschende, altkluge Zwölfjährige aus "Doomsday Book" ist zwar ein paar Jahre älter geworden, aber noch mindestens genauso hartnäckig, wenn es darum geht, Mr. Dunworthy zu bequatschen, ihn durchs "Netz" in die Vergagenheit zu schicken.)


    Ein temporeiches, cleveres, witziges, gefühlvolles und ganz einfach großartiges Buch. Am besten gleich den 2. Band, "All Clear", bereithalten, um das Warten aufs Weiterlesen zu vermeiden!


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  • Inzwischen gibt es auch die deutsche Fassung, "Dunkelheit" - könntet Ihr Mods das bitte noch im Threadtitel ergänzen?

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Connie Willis - Blackout“ zu „Connie Willis - Dunkelheit / Blackout“ geändert.