Bettina Wulff - Jenseits des Protokolls

  • Bettina Wulffs möchte aufräumen mit all den Lügen und Gerüchten um sie und ihren Mann, ex-Bundespräsident Christian Wulff. Zu viel berichteten die Medien und zu viel wurde hinzugedichtet, um die Quote zu steigern – meint die Ex-First-Lady. Also schreibt sie ein Buch, das mit Spannung erwartet wurde und seit der Veröffentlichung mit barscher Kritik zu kämpfen hat. Wie war das mit dem Haus in Großburgwedel, mit dem Kredit, mit dem Tattoo; wie war das mit den Männern, den Vorwürfen und dem Rücktritt? Sie möchte Klarheit schaffen – und stiftet noch mehr Unfrieden.
    Wulff drückt auf die Tränendrüse, wie das ihr Mann vor etwas weniger als einem Jahr getan hat. Die Familie würde verfolgt, von Journalisten belagert, könne sich nicht frei bewegen, dabei habe Bettina doch nur ein ruhiges Familienleben gewollt. Die Kinder, vor allem Sohn Leander aus einer früheren Beziehung und bereits Schüler, sehen sich mit Fragen konfrontiert, auf die sie keine Antwort haben – und Mitschüler im gleichen Alter können grausam sein, nicht wahr?
    Irgendwie schreibt sie das Buch für ihre Kinder, die Fragen stellen – und für Deutschland, das endlich wissen muss, wie Frau Wulff sich fühlt. Geschickt führt sie ihre Kinder vor, denn jeder Mutter blutet das Herz, wenn ihre Söhne und Töchter für die Vergehen der Eltern angegriffen werden. Mitleid mag da schnell aufkommen, ist aber nur in Hinblick auf die Söhne und nicht auf die Eltern angebracht.
    „Tattoo-Betti“, wie sie oftmals in den Zeitungen genannt wurde, hat sofort Schuldige gefunden: Die Medien, die ganze verdammte Presse, die nur lügt und ihren zweifelhaften Ruf in den Schmutz ziehen möchte. Dabei ist sie eine unschuldige, normale, bodenständige Frau. Doch bereits nach den ersten 20 Seiten merkt man, dass auch hier nicht nur die Wahrheit gesprochen wurde und vieles beschönigt werden soll, was eigentlich sehr hässlich war. Der arme Herr Ministerpräsident, der seiner von ihm betrogenen Ex-Frau – Bettina Körner leugnet diesen Betrug, lässt aber gleichzeitig schreiben, dass Christian und sie sich bereits lange vor der offiziellen Bekanntgabe der Trennung getroffen haben, natürlich heimlich, weil die böse Journaille ja sofort darauf herumgehackt hätte – viel Unterhalt zahlen muss, ebenso der gemeinsamen Tochter, die teilweise wie ein dummer, teurer Unfall dargestellt wird. Rechnet man nach, so kommt man auf andere Zahlen als die angegebenen, aber unbestritten ist ja, dass Herr Wulff weder Rücklagen hatte, noch sich ein entsprechendes Haus hätte leisten können bzw. nach normaler Vorgehensweise einen solchen Kredit bewilligt bekommen hätte. Das Eigenheim sprengte bei weitem den finanziellen Rahmen des Ehepaars, aber sie mussten das Haus ja haben. Dafür, dass sie angeblich kein Geld hatten, geht Bettina sehr lax damit um und scheut keine Umbaukosten von über 90.000 €. Seltsam, dass dieses Geld wie selbstverständlich da ist und Wulff sich gar keine Gedanken darüber macht, wie diese Zeilen klingen, wenn sie kurz zuvor noch von der schlechten finanziellen Lage gesprochen hat.
    Natürlich kann man nicht erwarten, dass man sich Gedanken darüber macht, dass man als Ministerpräsidentengattin gewisse Sicherheitsmaßnahmen in Kauf nehmen muss und auch in das öffentliche Interesse tritt. Ebenso wenig sind dies vorhersehbare Einschränkungen oder Umstellungen, wenn der Mann endlich Bundespräsident wird. Wulff nimmt zwar gerne das Geld, die kostenlosen Markenkleider und einige andere Annehmlichkeiten in Kauf, möchte sich aber nicht einschränken und heult alibimäßig wegen der Kinder rum – die eigentlich weitestgehend in Ruhe gelassen werden, aber es zieht eben mehr, wenn man sich selbst als brave, treusorgende Mutter darstellt. Außerdem sei sie ja auch gar nicht am Geld interessiert, das sei ihr total egal. Seltsam, dass es bei der ganzen Sache aber genau darum geht. Und wenn man den Ehrensold weder braucht noch angeblich will, warum nimmt man ihn dann? Weil er einem zusteht, wie Herr Wulff behauptete? Nun, das sieht das Gros der Steuerzahler wohl etwas anders, aber es zeigt, dass das Ehepaar dieses Geld sehr wohl nötig hat und es doch um die Scheinchen geht.


    Bettina Wulff hat Talkshow-Auftritte abgesagt und die große Lesereise tritt sie auch nicht an. Warum? Sie hat sich keinen Gefallen getan mit diesem Buch, das vor Halbwahrheiten und ausgelassenen Wahrheiten nur so strotzt. Schön ist, dass sie sich selbst widerspricht – vielleicht hätte sie das Werk auch einmal selbst lesen sollen, dann wäre es ihr auch aufgefallen (schlimm ist, wenn sie das getan hat und ihr all diese Logikfehler nicht ins Auge gestochen sind. Man könnte Absicht dahinter vermuten und eine zurechtgelegte Wahrheit; aber ein Schelm, wer Böses denkt).


    Was Bettina gut kann: Auf die Presse schimpfen und einstweilige Verfügungen erwirken, wenn Madame etwas nicht in den Kram passt. Was sie nicht kann: Kritik vertragen, die ganze Wahrheit sagen und einfach von der Bildfläche verschwinden.
    Glanzvoll ist der Satz, dass 3.500 € netto im Monat (davon sind bereits Alimente und Unterhalt an die Ex-Frau abgezogen) zu wenig zum Leben sind. Sie sieht zwar ein, dass viele Deutsche weniger verdienen (und härter arbeiten), aber das ist ja schließlich das Problem von „Tattoo-Betti“.
    Ach ja, das Tattoo: Das war eine Laune, weil sie sich schon immer eins gewünscht hat – und gegen das ist auch gar nichts einzuwenden. Aber man muss auch damit leben, dass es manchen Leuten eben nicht gefällt, wenn sich die First Lady mit einem Tribal zur Schau stellt und gewisse Vorurteile gegen Tätowierte in diesem Fall wohl doch der Realität entsprechen. Gibt es da nicht noch ein zweites in der Leistengegend?
    Und die Behauptung, sie habe in einem Etablissement gearbeitet, in das einsame Männer zur Vergnügung gehen – das haben sich die Medien irgendwie ausgedacht und Söhnchen Leander sollte damit weder konfrontiert werden, noch dem ganzen Glauben schenken. Aber ein fader Beigeschmack bleibt, denn: Sie erwirkte zwar das Schweigen einiger Presse, sagt aber nicht, dass sie nicht derartig Geld verdient hat.


    Zugute halten muss man dem Buch den Schreibstil. Er ist klar und lässt sich flüssig lesen. Das war’s dann aber auch schon und scheint auch nicht Wulffs Verdienst zu sein, sondern das Können von Maibaum.
    Bettina Wulff hätte gut daran getan, wenn sie sich an das alte lateinische Sprichwort gehalten und geschwiegen hätte.

    Ein Stift kann Dich überall hin entführen, wenn Du ihm die Chance gibst, zu tanzen!

  • Ich habe zwar schon vorher gewusst, dass ich mir dieses Buch nicht antun will, aber trotzdem vielen Dank für die ausführliche Rezension. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Außerdem sei sie ja auch gar nicht am Geld interessiert, das sei ihr total egal. Seltsam, dass es bei der ganzen Sache aber genau darum geht. Und wenn man den Ehrensold weder braucht noch angeblich will, warum nimmt man ihn dann?

    Tja, dass fragt man sich eben immer wieder. Ist eben alles eine Geldangelegenheit. Und was ihr wohl die Buchveröffentlichung einbringen wird? Danke jedenfalls für die tolle Rezi. :thumleft: Kaufen werde ich mir das Buch zwar nicht (ich will die gute Frau ja nicht auch noch unterstützen!), aber wenn unsere Bücherei das Werk im Regal hat, dann werde ich es mir natürlich ausleihen. Du hast mich mit deiner Rezi jetzt wirklich neugierig gemacht! :lechz:

    :study: Jeder Tag, an dem ich nicht lesen kann, ist für mich ein verlorener Tag!

  • Ich habe zwar schon vorher gewusst, dass ich mir dieses Buch nicht antun will, aber trotzdem vielen Dank für die ausführliche Rezension. :wink:

    Da unterschreibe ich glatt so. Danke für deine interessante Rezension, Kyra Cade.

  • Nein,dieses Buch hätte ich mir auch nicht gekauft,ich habe es mir ausgeliehen und das hat auch gereicht.


    Das Buch war interessant und kurzweilig zu lesen,aber Bettina Wulff hat sich keinen Gefallen mit der Geschichte getan.
    Sie hat sich widersprochen und sich "authentisch" gezeigt,was sie aber unsympathisch gemacht hat. Was sie mit dem Buch bezwecken wollte,weiß ich nicht,denn im Grunde genommen hat sie nur auf die Presse geschimpft und erzählt,wie schrecklich die Zeit als Bundespräsidentengattin war.
    Ich kann die Frau nicht verstehen.


    Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5: :bewertungHalb: ,weil der Schreibstil wirklich gut war und ich mich trotz allem gut unterhalten gefühlt habe

  • ja, so ging es mir auch! einen gefallen hat sie sich damit wirklich nicht getan. bei mir hat sie auch irgendwie den eindruck hinterlassen, dass sie ziemlich berechnend ist.