Michael Nedo, Ludwig Wittgenstein. Ein biographisches Album

  • Auf eine ganz eigene Weise nähert sich der Autor des vorliegenden Buches seinem Thema und der Person, die er beschreiben möchte. Mit Hilfe eines „Biographischen Albums“ will Michael Nedo den wichtigen Zusammenhang zwischen dem Leben und dem Werk Ludwig Wittgensteins aufzeigen, um auf diesem Weg Zugänge zu gewinnen zum Verständnis seiner Philosophie.


    Mit gleichzeitigem Lesen und Schauen soll und kann der Leser in der Verbindung von Texten und Bildern einen unmittelbaren und unvoreingenommenen Einblick in das Leben und Werk Wittgensteins erhalten, indem er die Bezüge zwischen seiner Biographie, seinem geistigen und persönlichen Umfeld und seinem sprachphilosophischen Werk selbst erkunden und sich ein Bild machen kann.


    Ludwig Wittgestein selbst, der immer wieder danach trachtete, alles Biographische aus seinen Schriften zu tilgen, träumte dennoch immer wieder davon, eine Autobiographie zu schreiben:
    „Etwas in mir spricht dafür meine Biographie zu schreiben“, notiert er 1929, „und zwar möchte ich mein Leben einmal klar ausbreiten um es klar vor mir zu haben und auch für andere. Nicht so sehr, um darüber Gericht zu halten als um jedenfalls Klarheit und Wahrheit zu schaffen.“


    Indem er unzählige Bilder und Notizen aus dem familiären Umfeld Wittgensteins, und seinen umfangreichen Briefwechsel mit verarbeitet, ist Michael Nedo acht Jahrzehnte später dies auf eine hervorragende Weise gelungen.


    Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Lebensgeschichte von Ludwigs Bruder Paul hinweisen, die Lea Singer in ihrem Roman“ Konzert für die linke Hand“ beschrieben hat.


    Der Roman ist nicht nur eine bewegende und faszinierende Familiengeschichte einer Familie, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Österreich zu den wichtigen Häusern zählte. Es ist auch eine Geschichte Österreichs dieser Zeit und eine Geschichte der Juden in Österreich. Lea Singer dokumentiert romanhaft ein Familiensystem, in dem der mächtige Vater und Unternehmer Karl Wittgenstein eine derart dominierende und unnachgiebige Rolle spielt, dass auch die Tatsache, dass drei seiner Söhne Selbstmord verüben, ihn keinen Augenblick über seine Philosophie nachdenken lässt. Paul, die Hauptfigur in diesem voluminösen und ausführlich recherchierten Roman, versucht sich diesem Vater zu entziehen, obwohl er sein Leben lang der Dominanz und der Tradition der Familie und der Rolle der verschiedenen Frauen darin verhaftet bleibt. "Ich will mein Leben nicht zerstören", sagt er und kämpft sein Leben lang mit seiner Familiengeschichte.


    Lea Singer erzählt die Geschichte dieses später weltberühmten Pianisten über insgesamt 34 Jahre und bannt den Leser in einen unwiderstehlichen Sog, indem sie Menschen und Familientraditionen schildert und gleichzeitig eine Zeitgeschichte erzählt von der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und dem Schicksal der österreichischen Juden.
    An einer Stelle des Buches resümiert sie: "Der Krieg im Hause Wittgenstein war ein Kampf um Liebe, obwohl keiner zu sagen gewusst hätte, was das war."


    Davon ist in dieser Prononcierung bei Michael Nedo nicht viel zu lesen.