Doron Rabinovici, Andernorts


  • Der vorliegende neue Roman des in Wien lebenden Doron Rabinovici steht zu Recht auf der Short-List für den Deutschen Buchpreis 2010. Es ist eine ungewöhnliche, haarsträubende und fantastische Geschichte, die er da erzählt, eine Geschichte, die in Israel spielt, und die man trotz ihres ungewöhnlichen Inhaltes zunächst für wahr halten kann. Ein orthodoxer Rabbi mit dem Namen Berkowitsch will den Messias klonen. Nach seiner Theorie wurde der Messias schon vor vielen Jahrzehnten gezeugt, konnte allerdings nicht auf die Welt kommen, weil seine Mutter in einem KZ erschossen wurde. Der Messias kam also im Holocaust um. Doch nach umfangreichen Recherchen hat Berkowitsch herausgefunden, dass es einen Nachkommen gibt, und mit Hilfe seiner Gene will er den Messias klonen.

    Dieser Nachkomme ist der Kulturwissenschaftler Ethan Rose. Er lebt in Wien und konkurriert dort mit seinem Kollegen Rudi Klausinger gerade um eine Professur, als er die Nachricht erhält, dass sein Vater in Tel Aviv im Sterben liege. Er eilt dorthin und wen findet er am Sterbebett seines Vaters? Da sitzt Rudi Klausinger und behauptet, vom sterbenden Vater bestätigt, er sei der Bruder Ethans.

    Nun konkurrieren die beiden nicht nur um eine Stelle, sondern auch um die Liebe des Vaters. Der braucht dringend eine Spenderniere, will er nicht bald sterben. Und da kommt der Rabbi Berkowitsch ins Spiel. Natürlich finden beide angeblichen Brüder dessen genphantastische und religiös-fundamentalische Pläne absurd, doch sie lassen sich darauf ein, einen Gentest zu machen, wenn der Rabbi im Gegenzug für den Vater eine Niere besorgt, woher auch immer. Ethan und Rudi verbinden damit auch die stille Hoffnung, der Test könnte tatsächlich ihre Brüderschaft nachweisen. Doch das Ergebnis ist niederschmetternd und bringt einen Menschen wieder ins Spiel, anlässlich dessen Todes beide Wissenschaftler einen umstrittenen Nachruf verfasst hatten, der in dem Buch immer wieder zur Sprache kommt und wie ein roter Faden gelesen werden kann

    Der Autor, der sich selbst als einen orthodoxen Atheisten bezeichnet, aber mit David Ben Gurion sagt: „Der Gott, an den ich nicht glaube, ist ein jüdischer“, hat mit seinem Roman eine Karikatur verfasst über Vorgänge und Debatten, die er bei seinen Besuchen in Israel vorgefunden hat, wo sogar genetische Unersuchungen angeboten werden, um nachweisen zu können, dass man jüdisch sei. In einer solchen fundamentalistischen Welt, die es da in bestimmten Kreisen in Israel gibt, ist sein Plot zunächst einleuchtend. Doch, wie er in einem Interview sagt, geht es ihm noch um etwas anderes:
    „Im Roman geht es darum, dass der Wunsch, eine eigene Familie zu haben, nach der Schoa besonders groß ist. Familie, Glück und Staat sind aber nicht ohne Lügen zu haben…“

    Ein lustiger, gleichzeitig ernsthafter Roman eines nichtgläubigen Juden über ein Thema, das schon immer, und nach der Schoa erst recht, die Juden beschäftigt hat: Heimat und Identität.