Klappentext:
Die atemberaubende Geschichte eines jungen Mädchens, das anders ist als alle anderen
Das Mädchen Lucy wächst im afrikanischen Dschungel bei ihrem Vater, einem englischen Naturforscher, in völliger Abgeschiedenheit auf. Sie ist vierzehn, als er stirbt. Durch Zufall findet die amerikanische Wissenschaftlerin Jenny sie und nimmt sie mit nach Amerika. Lucy ist hübsch und sehr begabt. Was niemand ahnt: Sie ist das Ergebnis eines unglaublichen Experiments, ihr Erbgut eine Kreuzung zwischen dem von Mensch und Menschenaffe. Irgendwann lässt sich das nicht mehr geheimhalten - woraufhin Medien, Militär und Wissenschaftler eine erbarmungslose Jagd auf Lucy beginnen...
Der Autor:
Laurence Gonzales wurde in St. Louis, Missouri, geboren und wuchs in Texas auf. Er wurde für seine journalistische Arbeit mehrfach ausgezeichnet und hat bereits eine Reihe von preisgekrönten Büchern veröffentlicht.
Mehr unter www.laurencegonzales.com
(Quelle: Verlagswebsite)
Aufbau:
431 Seiten
54 Kapitel, die meisten davon personal aus Jennys oder Lucys Sicht erzählt, zum Teil sind die Kapitel aber auch medizinische Akten zum "Fall Lucy". Diese sind besonders kurz, aber durch ihre Distanz zu Lucy als Person sehr eindrucksvoll und erschreckend.
Inhalt:
Als die Rebellen durch den afrikanischen Dschungel ziehen, ist Dr. Jennifer Lowe ihres Lebens nicht mehr sicher. Die Forscherin macht sich auf, um ihren Kollegen Dr. Stone, der nicht weit entfernt von ihr lebte, aber vollkommen abgeschieden von ihr war, zu suchen - aber sie kommt zu spät. Dr. Stone ist tot, und in seiner Hütte findet Jenny nur ein Mädchen - Lucy ist Dr. Stones Tochter, und obwohl Jenny gleich das Gefühl hat, dass irgendwas an Lucy anders ist als an anderen Kindern, nimmt sie das verängstigte Mädchen und ein paar Notizbücher deren Vaters und reist mit ihr nach Hause.
Mit Lucy ist alles anders als zuvor: Lucy isst Bananen ungeschält, ist vollkommen überfordert mit Kaufhäusern, Autos, Fernsehern und Werbetafeln. Im Supermarkt mit ihr einzukaufen stellt Jenny auf eine Geduldsprobe, aber gleichzeitig ist Lucy so warmherzig, klug und wissbegierig, dass Jenny nicht anders kann, als das Mädchen ins Herz zu schließen. Sie überlegt sogar, ob sie Lucy adoptieren sollte, denn sie fühlt sich verantwortlich für den Teenager, der durch sein bisheriges Leben im Dschungel einfach noch nicht an die Zivilisation gewöhnt ist - so denkt Jenny zumindest, doch es steckt mehr dahinter:
Eines Tages liest die Forscherin nämlich in einem der Notizbücher ihres Kollegen die erschütternde Wahrheit über Lucy: Dr. Stone hat mit Bonobos Experimente gemacht - mit Menschenaffen also, deren DNA zu 98% mit der menschlichen übereinstimmt. Er hat eine Affenfrau künstlich befruchtet und nach vielen gescheiterten Versuchen entstand Lucy - das Mädchen ist zur Hälfte Mensch, zur Hälfte Affe. Jenny ist entsetzt. Sie weiß, dass Lucys Geheimnis nicht ans Licht kommen darf, denn die Wissenschaft würde sich auf sie stürzen - und es gäbe sicherlich auch genügend andere gefährliche Menschen, die Lucy nach dem Leben trachten würden, weil sie sie für widernatürlich halten.
Dabei ist Lucy eigentlich - meistens zumindest - ein Teenager wie viele andere auch. Dank ihrer besten Freundin Amanda, die sie auf der High School kennenlernt, geht Lucy bald mit YouTube und Facebook um wie alle anderen auch. Und auch ihre Sprache unterscheidet sich dann nicht mehr von der der anderen.
Doch so sehr Lucy auch mehr und mehr wirkt wie alle anderen Teenager der USA, sie ist einfach anders. Und als ihr Geheimnis an die Öffentlichkeit kommt, schwebt sie sofort in Lebensgefahr. Ist sie überhaupt ein Mensch, gelten für sie die Menschenrechte? Was für Lucy und ihre neue Familie so natürlich scheint, ist für andere ein Frevel. Rechte Politiker, Neonazis und fundamentalistische Christen erscheinen auf dem Plan, um Lucy zu einem Tier zu degradieren. Das Mädchen schwebt in Gefahr - und es scheint keinen Ausweg aus ihrer Lage zu geben, denn Lucy ist eben, wer sie ist...
Meine Meinung:
Sie kann Stimmungen auffangen, Gefahr wittern, besonders gut hören und sie ist unglaublich stark. Lucy ist eine Figur, die von ihrem Autor mit Attributen ausgezeichnet ist, die man heute in vielen Science Fiction oder Fantasyromanen findet. Der Unterschied ist, dass Lucy kein Vampir, Halbgott, Gestaltwandler oder Werwolf ist - Lucy ist ein Mensch, und zwar ein Mensch, der besondere Fähigkeiten hat, weil seine Mutter ein Bonobo ist. Es klingt unheimlich und in seinem Roman stellt Gonzales auch mehrfach die Frage, ob Dr. Stones Versuch, einen Menschen mit einem Menschenaffen zu kreuzen, ethisch überhaupt in Ordnung war, aber Fakt ist - in diesem Roman - nun mal: das Experiment glückt und Lucy existiert.
Der Roman ist zunächst spannend, dabei aber auch immer wieder ganz lustig. Lucys erste Begegnung mit den Vereinigten Staaten ist interessant und gut erzählt - das Mädchen kann nicht begreifen, warum es immer viel mehr zu essen gibt, als man essen kann, was Fernsehen eigentlich soll und Werbefernsehen erschreckt sie völlig, weil sie sich immer angeschrien fühlt. Ihre ersten Schritte in Chicago sind vor allem unter diesem Aspekt interessant.
Dann jedoch wird der Roman deutlich ernster, denn als herauskommt, wer Lucy wirklich ist, werden jede Menge Fragen aufgeworfen, denen sich auch der Leser selbst stellen muss: Ist Lucy ein Mensch wie andere auch? Sollten die Menschenrechte für sie gelten? Ist sie gefährlich? Ist sie ein Tier? - So menschlich Lucy auch wirkt und so viele menschliche Eigenschaften sie auch hat, sie ist anders - und das bedeutet nicht nur, dass manche Menschen in der Schule nichts mit ihr zu tun haben wollen, es bedeutet auch, dass es Menschen gibt, die denken, Lucy sollte allenfalls ein Versuchskaninchen für Experimente sein oder überhaupt nicht leben.
Als Leser hat man Lucy zu diesem Zeitpunkt schon sehr als Menschen kennengelernt und man kennt ihre Angst und ihre Schwierigkeiten damit, von Zeit zu Zeit ihre tierischen Instinkte zu kontrollieren. Es fiel mir schwer, Lucy NICHT als Menschen zu sehen, aber Gonzales gibt auch denen in seinem Roman Raum, denen jemand wie Lucy Angst machen könnte. Er zeichnet ein sehr realistisches Bild dessen, was geschehen könnte und gibt verschiedene Meinungen zu Experimenten mit menschlicher DNA überzeugend wieder.
Was mir gut gefallen hat, ist, dass der Autor nicht wirklich in Frage stellt, dass das Verhalten von Lucys Vater falsch war. Interessanter ist jedoch die Frage, die sich durch diesen Roman wie ein roter Faden zieht: Was kann Lucy für das, was sie ist? Und wie soll sie einen Platz in unserer Gesellschaft finden? Ist das überhaupt möglich?
Dieses Buch klappt man am Ende nicht zu und hakt es ab. Es fordert seine Leser dazu auf, über Forschung und Gesellschaft nachzudenken, und schafft das über die Figur Lucy, die so authentisch wirkt und die - was auch viele Figuren dieses Romans beobachten können - "menschlicher ist als ein Mensch".
Fazit:
Ein einzigartiger und tiefgründiger Roman, dessen Thema seine Leser auch dann, wenn sie die Geschichte ausgelesen haben, beschäftigen wird.