Pat Conroy - South of Broad

  • (Noch nicht auf Deutsch erschienen.)


    Leopold Bloom King, benannt nach dem literarischen Helden seiner Mutter, der Hauptfigur aus Joyces "Ulysses", stand immer im Schatten seines etwas älteren Bruders. Stephen war der Hübschere, Beliebtere, das Herzblatt der Mutter, als er sehr jung unter dramatischen Umständen starb. Leos Jugend ist immer noch stark geprägt vom Verlust des Bruders, als sich im Sommer 1969 plötzlich alles ändert. Ein künstlerisch höchst begabtes Zwillingspärchen zieht in der Nachbarschaft ein, die Highschool-Footballmannschaft bekommt erstmals einen schwarzen Trainer, ein Teeniepaar fliegt wegen Drogenkonsums von der Schule und landet in Leos Klasse, und dann sind da noch die Geschwister Niles und Starla, die als schwererziehbar gelten und schon aus x Waisenhäusern abgehauen sind, als sie schließlich in einer Einrichtung in Charleston aufgenommen werden.


    Unter diesen so unterschiedlichen Menschen entspinnt sich trotz aller Differenzen eine tiefe, anhaltende Freundschaft. Erstmals ist Leo Teil eines echten Freundeskreises und genießt diesen verzauberten Sommer nach Kräften.


    Der zweite Erzählstrang spielt 20 Jahre später unter denselben Protagonisten, inzwischen alle Ende 30. Das Leben hat seine Spuren bei ihnen hinterlassen, im positiven wie im negativen Sinne, als Leo seine Freunde zusammentrommelt, um einem der Ihren zu helfen. Bei allem Zusammenhalt reißt dies auch einige alte Wunden wieder auf, und es kommt zu dramatischen Ereignissen.


    Ich schätze Pat Conroy sehr als wortgewaltigen Erzähler über das Leben in South Carolina. Seine Liebe zur Heimat klingt stets durch, und er beschreibt auf ausführliche und dabei wunderschöne Weise ganz minutiös die Eigenheiten der Stadt Charleston und ihrer Bewohner, so dass man die ehrwürdigen Häuser, die beiden Flüsse und das Meer förmlich vor sich sieht. Allein schon die Schilderung von Leos allmorgendlicher Zeitungszustellertour fand ich toll.


    Leo King ist ein sympathischer Protagonist, ein Typ, dem im Leben nicht alles zufällt und der harte Kämpfe mit den Geistern der Vergangenheit auszufechten hat, aber dennoch seinen Weg findet. Seine Freunde hingegen, so sehr sie mir beim Lesen ans Herz gewachsen sind, waren mir teilweise ein bisschen zu erfolgreich und zu schön. In der Häufung hatte das einen etwas kitschigen Touch. Der Plot ist auch ein wenig überfrachtet mit "Drama, Baby, Drama". Vielleicht wäre hier weniger mehr gewesen. Kaum ein gesellschaftliches Problem der 60er bzw. 80er Jahre und kaum ein menschlicher Abgrund bleiben ausgespart.


    Nichtsdestotrotz habe ich das Buch förmlich verschlungen. Ich mag Conroys Stil ganz einfach gerne, ich mochte hier den Umgangston der Freunde untereinander, den oft bissigen und trotzdem liebevollen Humor, der aus langer Vertrautheit entspringt, und eine gewisse Spannung fehlte dem Buch auch nicht.


    Ein bisschen schwer tue ich mich mit der Bewertung. Der Kopf erkennt klar die Mängel, das Herz sagt "trotzdem ein Wohlfühlbuch".


    Ich einige mich also mit mir selbst auf :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Anfang der 90er habe ich einige Conroys gelesen, danach habe ich ihn ein wenig aus den Augen verloren.
    Danke für die Rezi!

    "Outside of a dog, a book is man's best friend. Inside of a dog, it is too dark to read."
    - Groucho Marx

  • Meine letzte Conroy-Lektüre lag auch schon sehr lang zurück, als ich mit Freuden festgestellt habe, dass es was Neues von ihm gibt.


    An meine Lieblinge "Beach Music" und "Herr der Gezeiten" kommt das hier nicht ganz heran - siehe meine Kritikpunkte - aber er schreibt einfach schön.