Szrama, Bettina: Der Henker von Lemgo

  • Zitat

    Ihre Großmutter wurde als Hexe verbrannt, ihr geliebter Lehrer vor ihren Augen als Hexer hingerichtet. Maria, die reiche Tochter des Dechen und Ratsherrn von Lemgo, Curd Rampendahl wird als Einzige von achtzehn Schülern verschont. Doch seitdem folgt ihr der Ruf, eine Hexe zu sein. Ihr Leben liegt in der Hand des Bürgermeisters und unerbittlichen Hexenverfolgers Hermann Cothmann. In Liebe zu ihr entbrannt, vermag er den Lauf ihres Schicksals zu ändern. Doch sie verweigert sich ihm und besiegelt damit ihr Todesurteil. Ein dramatischer Kampf um Leben und Liebe beginnt, bei dem es keine Gewinner geben kann ...


    Ein historischer Roman kann etwas ganz besonderes sein. Der Leser wird in eine fremde, längst vergangene Welt entführt und bekommt Einblicke, wie es damals war zu leben. Einige dieser Romane sind sogar historische Belege für wahre Begebenheiten, die mehr oder weniger in Vergessenheit geraten sind. Doch leider ist es nicht immer gewährleistet, dass eine gute Idee überzeugen kann. Eine schlechte Recherche, trockene Ideen, ein altbackener Stil oder langatmige Passagen zerstören oft den guten Ansatz. Bei Bettina Szrama weiß ich durch den Roman „Die Hure und der Meisterdieb“, dass sie nicht nur einen brillanten, fesselnden Stil besitzt, sondern man mit jeder Zeile die langwierige Recherche spürt. Gerade bei dem Thema wie der „Hexenverfolgung in Lemgo“ war ich neugierig, wie sie diese umsetzen würde.


    Bettina Szrama versetzt den Leser in die Zeit um 1681 in Lemgo, wo Hexenverfolgungen an der Tagesordnung stehen. Maria ist die Tochter des angesehenen Ratsherrn von Lemgo, Cordt Rampendahl. Die Hexenverfolgung macht auch in ihrer Nähe keinen halt. Ihre Großmutter wurde verbrannt, ihr Lehrer samt den 17 Schülern hingerichtet. Nur sie wird anfänglich verschont, denn der Bürgermeister und Hexenverfolger der Stadt, Hermann Cothmann, hat sich unsterblich in das junge, hübsche Mädchen verliebt. Doch Liebe kann man mit einem solchen Akt nicht immer erkaufen, wie auch Hermann bald feststellen muss, denn Maria verweigert sich ihm gänzlich. Damit besiegelt sie ihr Schicksal.


    Die Idee zu dieser Umsetzung hatte Bettina Szrama schon viel früher, denn das Manuskript zu diesem Roman wurde schon im Jahre 2005 fertiggestellt. Mit ihm errang die Autorin den 2. Platz beim internationalen Schrifstellerwettbewerb Writemovies in Hollywood.


    Mit diesem Sieg zeichnete sich schon der Erfolg dieses Manuskripts aus. Trotzdem dauerte es Jahre, bis endlich ein renommierter Verlag dieses Werk veröffentlichte. In meinen Augen eine Schande, dass dies nicht schon viel früher der Fall war.


    Man merkt in jeder Zeile des Werkes, wie viel Herzblut, Schweiß und Aufwand hinter dieser Geschichte steckt. Alle Figuren, die im Buch vorkommen, sind zur damaligen Zeit reale Personen gewesen. Aus diesem Grund musste sich die Autorin an einen gewissen Wahrheitsgehalt in der Handlung halten. Statt jedoch nur gewisse Personen authentisch einzuflechten, kann man bei Bettina Szrama sagen, dass sie sich die extreme Mühe gemacht hat und 98% ihrer Handlung die wahren geschichtlichen Aspekte und Hintergründe beinhaltet. Bei dieser Prozentzahl ist es nur verständlich, dass die Recherche von über 200 Hexenprozessakten sie über zwei Jahre in Anspruch nahm. Herausgekommen ist ein brillant recherchierter Roman, der nicht nur die kaltblütigen Hexenprozesse, die Liebesgeschichte und die beeindruckende Protagonistin Maria perfekt wiedergibt, sondern auch bis ins kleinste Detail die damalige Atmosphäre wiederspiegelt. Ich konnte mich ohne Probleme in die Gedankengänge, Ängste, Handlungen der Figuren hineinversetzen, und sah durch die zahlreichen lebendigen Beschreibungen nicht nur Menschen, sondern auch Schauplätze direkt vor meinem inneren Auge.


    Schon vor dem ersten Kapitel erwartet den Leser eine Liste mit allen wichtigen Protagonisten, damit es keine Verwechslung gibt und man jeder Zeit noch einmal nachsehen kann. Hab ich dies noch in einem ihrer vorherigen Werke bemängelt, weil dies ans Ende verbannt war, ist es hier genau an der richtigen Stelle.


    Danach legt die Autorin mit einem spannenden, authentischen und fesselnden ersten Kapitel, einen gelungenen Einstieg hin. Man erkennt das historische Fachwissen, aber auch die Liebe zu den einzelnen Figuren. Zwar ist der Stil, den die Autorin hier wählt nicht ganz so modern, wie ich es von „Die Hure und der Meisterdieb“ gewohnt war, aber trotzdem kommt man nicht ins Stocken oder empfindet es als schwer. Auch die deutlich mehr Absätze und Szenenwechsel fallen deutlich mehr ins Auge. Hier hätte ich mir einfach ein paar Kapitel mehr gewünscht, um es besser im Überblick zu haben. Zudem hätte ich so öfters einen Ruhepol gehabt, wo ich über das Gelesene, welches das Herz nicht nur berührt, sondern den Leser teilweise an die Nieren geht, hätte nachdenken und es hätte sacken lassen können.


    Obwohl ich schon zahlreiche Lektüren über die Thematik der Hexenverfolgung gelesen habe, kann ich nur sagen, dass ich keins in meiner Erinnerung gefunden habe, welches auch nur ansatzweise so authentisch, bewegen, lebendig und gut recherchiert war. Aus diesem Grund kann ich das Buch jeden ans Herz legen. Auch wenn Bettina Szrama dieses Werk nicht wie sonst im bekannten Gmeiner Verlag veröffentlicht hat, merkt man keine qualitativen Verschlechterungen. Im Gegenteil, hier finden Leser einen erstklassigen historischen Roman, der es Wert ist gelesen zu werden.


    Erstellt am 30.10.11

  • Lemgo 1654. Der Schulmeister Hermann Beschoren hatte unter schwerer Folter gestanden, seine Schüler das Zaubern gelehrt zu haben. Dafür soll er nun auf dem Marktplatz hingerichtet und verbrannt werden, während man seine Schüler nach Detmold in die Anstalt bringt.
    Die junge Maria Rampendahl schleicht sich trotz des Verbots ihres Vaters zum Richtplatz. Auch sie war eine Schülerin Beschorens, doch dieser hatte ihren Namen nicht genannt und sie dadurch gerettet. Nun will sie ihrem Schulmeister beistehen und gleichzeitig den Scharfrichter Meister David, für den sie schwärmt, bitten, ihren Lehrer zu verschonen.
    Am Richtplatz hat Maria auch ihre erste Begegnung mit Hermann Cothmann, der in ihrem Leben noch eine schlimme Rolle spielen soll.
    Maria kann ihrem Lehrer nicht helfen, und dieser wird hingerichtet. Doch nun gibt es auch um sie Gerüchte, und fortan muss sie um ihr Leben fürchten. Jahrelang wird sie immer wieder der Hexerei bezichtigt, und der Ratsherr Cothmann sucht unermüdlich Beweise, um Maria zu überführen...


    Der Roman basiert auf den wahren Ereignissen, die sich im 17. Jahrhundert in der westfälischen Stadt Lemgo zugetragen haben. Besonders zwischen 1509 und 1681 fanden dort Hexenverfolgungen statt. In rund zweihundert Prozessakten werden alle Vorgänge genau beschrieben und weisen auf etwa zweihundertfünfzig Opfer hin, wobei die Dunkelziffer sicherlich höher sein dürfte.
    Damit war Lemgo eine der Städte mit den meisten Hinrichtungen, was der Stadt später den Beinamen „Hexennest“ einbrachte. Begünstigt wurde diese Entwicklung auch durch die Blutgerichtsbarkeit, die Lemgo als einzige lippische Stadt verliehen bekam. Somit war den Ratsmitgliedern erlaubt, bei bestimmten Straftaten selbst über Leben und Tod ihrer Bürger zu entscheiden.
    Die Handlung des Romans fällt genau in die Hochzeit der Hexenprozesse hinein, denn die Hälfte aller Hinrichtungen fand zwischen 1653 und 1681 statt. Für diese Entwicklung waren besonders die damaligen Bürgermeister Heinrich Kerkmann und Hermann Cothmann verantwortlich.


    Die Personen, die in der Geschichte vorkommen, sind zum größten Teil historisch belegt. Auch ihre Biographien stimmen weitgehend mit den Aufzeichnungen überein. Da sich die Namen teilweise gleichen, gibt es vor dem ersten Kapitel eine kurze Übersicht über die Hauptpersonen des Romans. Dies hilft einerseits, sich schneller in die Geschichte einzufinden und die vielen Personen besser auseinanderhalten zu können, andererseits werden hier schon einige Details der Geschichte verraten. Daher ist es besser, das Verzeichnis nicht vorher zu lesen, sondern nur als Gedächtnisstütze zu verwenden.
    Der Roman erzählt die Lebensgeschichte von Maria Rampendahl, die als letzte Hexe in Lemgo hingerichtet werden sollte. Maria ist eine schöne und selbstbewusste Frau. Ihr Vater ist der Deche und Braumeister Cordt Rampendahl, der einigen Einfluss in der Stadt besitzt.
    Von ihrer Mutter und ihrem Bruder, dem Barbier und Chirurgen Johann Caspar Rampendahl, lernt Maria viel über Kräuter und Heilmethoden. So wird sie einerseits oft zu Kranken gerufen, um sie zu heilen. Andererseits hält sich hartnäckig das Gerücht, sie würde ihre Patienten verhexen und wäre auch für einige Todesfälle in der Stadt verantwortlich. Aus diesem Grund findet Maria auch lange Zeit keinen Ehemann, denn wer will schon das Risiko eingehen, eine Hexe zu heiraten?
    Marias große Liebe ist David Claussen, der Scharfrichter. Obwohl er einige Jahre älter ist als sie, hat sie sich schon als junges Mädchen zu ihm hingezogen gefühlt. Meister David ist ein großer, gutaussehender Mann, der trotz seines brutalen Gewerbes hohes Ansehen in der Stadt geniest. Äußerlich ist er ein harter und gefährlicher Mann, der ohne zu zögern Menschen foltert und tötet. Doch innerlich ficht er einen schwierigen Konflikt aus. Er hat es satt, der Obrigkeit zu dienen und empfindet Reue für seine Taten. Außerdem hegt er große Gefühle für Maria, die er aber unter keinen Umständen zeigen darf.


    Die Autorin hat für ihren Roman gründlich recherchiert. Die Figuren und Ereignisse entsprechen größtenteils der Wahrheit. Schonungslos und detailliert schildert sie die grausamen Folterungen und Hinrichtungen, und einfühlsam erzählt sie Marias Leben.
    Auch der Handlungsschauplatz wird bildreich beschrieben, und die Menschen, sogar die Nebenpersonen, wirken durchdacht und authentisch. Man erfährt viel über ihre Lebensweise, ihre Gefühle und Gedanken und kann so ihre Handlungen nachvollziehen, aber sicher nicht immer gutheißen.
    Die etwas altertümliche Wortwahl unterstreicht nochmal die Atmosphäre der Geschichte und rundet sie ab. Der fesselnde Schreibstil und die interessante Geschichte bewirken Spannung von Anfang bis Ende.


    Der Henker von Lemgo ist ein hervorragend recherchierter historischer Roman, der eine spannende und gleichzeitig anrührende Geschichte erzählt. Er ist so geschrieben, dass man sich problemlos in die Figuren hineinversetzen kann, mit ihnen lacht und weint, sich freut oder ärgert. Aber er macht auch sehr nachdenklich. Ich habe ihn sehr gern gelesen und kann ihn auf jeden Fall weiterempfehlen!