Brigitte Le Treut - Die Schattenjägerin

  • Klappentext (vom Cover kopiert):
    Die junge Pariserin Marie hat eine große Leidenschaft: Sie beobachtet Menschen auf der Straße, folgt ihnen und malt sich ihre Lebensgeschichte aus. Doch in diesem heißen Sommer ist alles anders, und aus ihrem harmlosen Zeitvertreib wird unversehens ein gefährliches Spiel. Denn Marie begegnet einem Mann, der sie vom ersten Moment an fasziniert. Fortan folgt sie seiner Spur – und ergriffen von einer amour fou zu dem Unbekannten verliert sie immer mehr den Boden unter den Füßen.


    Zur Autorin:(Info im Buch)
    Brigitte Le Treut wurde in Bordeaux geboren. „Die Schattenjägerin“ ist ihr zweiter Roman. Ihr Debutroman „Lumiere du Soir“ wurde in Frankreich begeistert aufgenommen und mit dem renommierten Prix Francois Mauriac ausgezeichnet.


    Allgemeines:
    Originaltitel: Spirale
    Übersetzt von Jutta Jahn, erschienen 1997 bei Editions Vivianne Hamy
    159 Seiten, geschrieben als Ich-Erzählung


    Inhalt:
    Claire und Marie betreiben zusammen ein gut gehendes Bistrot und teilen sich eine Wohnung. Monatsweise abwechselnd ist eine der beiden für das Bistrot zuständig, die andere hat frei. Marie, die zum Spaß Leute verfolgt, die ihr interessant erscheinen, trifft auf einen Mann, der sie nicht mehr loslässt. Um ihn zu verfolgen, stellt sie alles andere hintenan und steigert sich immer mehr in eine Obsession.


    Eigene Meinung / Beurteilung:
    Einen Monat arbeiten, ein Monat Freizeit – das hört sich verlockend an, vorausgesetzt, man weiß etwas mit seiner Freizeit anzufangen. Claire weiß es: In ihren freien Monaten malt sie, fertigt Collagen an und bereitet Ausstellungen vor. Oder fährt weg.
    Marie weiß es nicht; in ihrer freien Zeit läuft sie ziellos durch Paris, und ihre Gedanken kreisen ausschließlich um sich selbst, so dass sie immer mehr in Selbstmitleid und Depression verfällt. Bis sie auf ihren sinnlosen Verfolgungen auf einen Mann stößt, den sie wegen seines Aussehens „Indianer“ nennt. Marie bekommt heraus, wie er heißt, wo er wohnt, und zunächst genügt es ihr, sein Haus zu beobachten. Nachdem sie sich einen Schlüssel beschafft hat, schleicht sie sich jede Nacht hinein, betrachtet den schlafenden Mann und durchwühlt seine Sachen. Sie lebt nur noch für diese Stunden, wobei es ihr egal zu sein scheint, ob seine Freundin die Nacht bei ihm verbringt oder nicht.
    Dann besucht der Mann eines Tages ihr Bistrot, während Marie Dienst hat.


    Man weiß nicht, was Ursache und was Wirkung ist: Weiß Marie nichts mit sich anzufangen, weil sie depressiv ist und sich zu nichts aufraffen kann, um ihr Leben sinnvoll zu gestalten? Oder ist die Depression die Konsequenz der Leere?
    Auch wenn sie ihrem Gefühl für den Indianer nach einiger Zeit das Wort „Liebe“ verleiht, unternimmt sie nichts, um ihn für sich zu gewinnen, im Gegenteil, sie schreckt vor ihm zurück, als sie ihm in der Realität begegnet. Die Obsession als einziger Lebensinhalt bleibt, steigert sich immer weiter. Die wenigen Nachtstunden im Haus des Mannes bestimmen ihr gesamtes Denken und Tun; sie vernachlässigt Kontakte zu Familie und Freunden, und sogar ihrer Arbeit, bis dahin ihr einziger Halt, geht sie nur noch halbherzig nach. Die Welt in ihrem Kopf fühlt sich realer an als das wirkliche Leben.


    Es ist nicht einfach, das Buch zu beurteilen. Einerseits wird die seelische Talfahrt eines psychisch kranken Menschen verständlich und glaubhaft geschildert, andererseits erlahmt das Interesse des Lesers durch das Erzählen der ständig gleichen Situationen.


    Den deutschen Titel finde ich aus zwei Gründen unglücklich gewählt: Erstens verspricht er eine Fantasygeschichte, zweitens jagt Marie keine Schatten, sondern einen realen Mann als Phantom in ihrem Kopf.


    Fazit:
    Eindrucksvoll, aber unbefriedigend.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)