Rebecca Chace - Abschied von Rock Harbor / Leaving Rock Harbor

  • Inhalt (Klappentext):
    Sommer 1916 in Rock Harbor, Neuengland. Als die zwei jungen Männer die fünfzehnjährige Frankie an den Strand mitnehmen, ahnt sie nicht, dass sie sich eines Tages wird entscheiden müssen: zwischen dem ernsthaften, sensiblen Portugiesen Joe, der gemeinsam mit ihrem Vater in der Baumwollfabrik arbeitet, und dem weltgewandten, charmanten Winslow, Sohn des Fabrikbesitzers Curtis. Sie ist zum ersten Mal am Meer, die Luft riecht nach Freiheit und Abenteuer, nach Aufbruch.
    Und tatsächlich beginnt eine Zeit des erotischen und politischen Erwachens. Denn Frankie genießt nicht nur die extravagante, luxuriöse Welt der Curtis-Dynastie, sie interessiert sich auch für den Arbeitsalltag in der Fabrik, für dessen Verbesserung Joe kämpft. Als sich die politischen Gegensätze zwischen Winslow und Joe zuspitzen, muss auch Frankie ihr Leben neu überdenken.


    Autorin:
    Rebecca Chace arbeitet als Journalistin , Schauspielerin (mit Erfahrung als Trapezkünstlerin und Feuerspukerin), Dozentin und Schriftstellerin. "Abschied von Rock Harbor" ist ihr dritter Roman. Sie lebt in New York City.


    Meine Meinung und Beurteilung:
    Unter dem Titel "Abschied von Rock Harbor" erwartet man eigentlich eine reine Liebesgeschichte, aber es ist weit mehr als das.
    Als Frankies Vater seine Arbeit in Poughkeepsie verliert, findet sie ihn in der Badewanne mit geöffneten Handgelenken. Sie weiß, dass Mutter und sie ihn nun im Auge behalten müssen, und er auf jeden Fall wieder Arbeit finden muß. Nicht irgendeine Arbeit zum Überleben, sondern eine Anstellung als Kupferstecher für Stoffmuster. Das ist sein Leben. Und dann geht es ganz schnell, sie lassen die Verwandten zurück und die Mutter nimmt nur ihre geliebten Rosen mit, sie ziehen nach Rock Harbor.
    Frankie besucht dort die Highschool und fühlt sich ohne die vielen Cousinenen und Cousins entsetzlich einsam, sie hat niemanden zum Reden bis sie Joe und Winslow kennenlernt, die beide um ihre Freundschaft und Liebe wetteifern.
    Im Hintergrund steht die amerikanischen Baumwollindustrie, die Fabriken und die Gewerkschaften. Man erhält Einblicke in die Mißstände, die Arbeit ist gefährlich und mühsam. Kinderarbeit an der Tagesordnung. Auch das Denken der Fabrikbesitzer wird beleuchtet, besonders Winslows Vater, der in die Politik will.
    Ein nicht nur unterhaltsamer, sondern auch ein informativer Roman. Sehr einfühlsam zu Papier gebracht. Mehr als nur ein Sommerroman mit hübschem Cover.
    Meine Bewertung :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: und meine Empfehlung. :thumleft:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Rebecca Stott, Die Korallendiebin

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Inhalt

    Der Umzug ihrer Familie von Poughkeepsie an der amerikanischen Ostküste nach Rock Harbor sollte für Frances immer mit dem Selbstmordversuch ihres Vaters verbunden bleiben. Der Vater arbeitete nun wieder als Kupferstecher in einer Baumwollfabrik, aber die Verantwortung, auf ihn aufpassen zu müssen, lastete auch hier wieder auf Mutter und Tochter. Frances erzählt ihre Geschichte aus der Distanz, sie ist inzwischen Mitte 30. Obwohl auch andere Schüler aus Arbeiterfamilien stammten, fühlte sie sich unattraktiv und als Außenseiterin in ihrer Klasse. Auf den Unterschied zwischen Einheimischen und "Portugiesen" wurde großer Wert gelegt, auch wenn man Tür an Tür wohnte und zusammen arbeitete. Durch den charmanten und bei allen beliebten "Portugiesen" Joe Barros lernt Frankie Winslow Curtis kennen, den Sohn des Fabrikbesitzers. Joe umgarnt äußerst raffiniert Frankies Mutter, damit Frankie die Erlaubnis erhält, mit Winslow, dessen Schwester und Joe ans Meer zu fahren. Frankie kann weder schwimmen, noch hat sie einen Badeanzug. Wir sind im Jahr 1916, Frauen trugen ein Korsett und gingen nicht ohne Hut aus dem Haus, die Röcke reichten bis zum Knöchel. Die Freundschaft mit Joe und Winslow zeigt Frankie, dass ihr Platz in der Gesellschaft und besonders der von Joe als "Portugiese" durch ihre Herkunft streng festgelegt ist. Als Frankie ihrem Vater sein Essen in die Fabrik bringt, erwacht ihr Interesse an den Abläufen in der Textilindustrie. Obwohl die junge Frau durch ihre Freundschaft zu Joe und Winslow sehr unkonventionell wirkt, empfand ich die Diskussion über die geplante Automatisierung der Stoffproduktion aufgesetzt. Frankie dient der Autorin als Stichwortgeberin, um die (sorgfältig recherchierten) Details zu den Arbeitsbedingungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts unterzubringen.


    Wer auf der richtigen Seite der Stadt geboren wurde, wird nicht zur Armee eingezogen. Während Joe im Ersten Weltkrieg als Soldat in Europa dient, nützt Winslow die Gelegenheit, Frankie einen Heiratsantrag zu machen. Die junge Frau mit den für ihre Zeit ungewöhnlichen Freiheiten liebt Joe und heiratet Winslow. Dass ein Arbeiter portugiesischer Herkunft für sie als Ehepartner nicht in Frage kommt, nimmt sie unwidersprochen hin. Ihre Passivität verwundert, wirkte Frankie doch bisher recht aufsässig. Als Joe kriegsversehrt aus Europa zurückkehrt, droht in der Fabrik im Vorfeld der Weltwirtschaftskrise gerade ein Streik. Joe und Frankies Vater arbeiten als Gewerkschafter aktiv im Organisations-Kommitee des Streiks mit. Selbst Frankie verlässt für die Streikvorbereitung ihren Elfenbeinturm als Frau eines wohlhabenden Ehemanns. Den Bankrott ihrer Fabrik im Vorfeld der Wirtschaftskrise überstehen Frankie und Winslow erstaunlich problemlos.


    Fazit

    Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Frances und zwei jungen Männern, Frances Vernunftehe und ihr Schicksal während der Weltwirtschaftskrise finden vor der authentischen Kulisse der Textilindustrie im südlichen Massachusetts statt. Rebecca Chase vermittelt die Lebensbedingungen jener Zeit eindringlich und mit sorgsam recherchierten Details. Die Verknüpfung des sozialgeschichtlichen Hintergrunds (Kampf ums Frauenwahlrecht, Kinderarbeit, Arbeitssicherheit, Automatisierung) mit dem Schicksal der Hauptfigur Frankie fand ich nicht immer gelungen. Sie wirkt in einigen Szenen zu gezwungen. Auch Frankies persönliche Enwicklung, die die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg passiv als Ehefrau in wohlhabenden Verhältnissen verbringt, hat mich nicht überzeugt. Dass sie sich als Unternehmergattin an der Seite ihres Vaters aktiv im Textilarbeiterstreik engagiert, scheint ihr Mann ohne Diskussion hinzunehmen. Über Frankies Dreiecksbeziehung habe ich dennoch mit großem Vergnügen gelesen, weil mich die Atmosphäre des Küstenortes fesselte.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

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    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Rebecca Chace, Abschied von Rock Harbor“ zu „Rebecca Chace - Abschied von Rock Harbor“ geändert.
  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Rebecca Chace - Abschied von Rock Harbor“ zu „Rebecca Chace - Abschied von Rock Harbor / Leaving Rock Harbor“ geändert.