Originaltitel: A Shaking Woman or A History of My Nerves
übersetzt von Uli Aumüller (S. 1-111)
und Grete Osterwald (S. 112-236)
Covertext:
«Siri Hustvedt, eine unserer herausragenden Schriftstellerinnen, gehört seit langem zu den brillantesten Erforschern von Gehirn und Geist. Kürzlich jedoch wandte sie ihr Forschungsinteresse sich selbst zu: Knapp drei Jahre nach dem Tod ihres Vaters, während einer Gedenkrede auf ihn, fand sie sich plötzlich von Konvulsionen geschüttelt. War das Hysterie, eine Übertragung, ein ‹zufälliger› epileptischer Anfall? ‹Die zitternde Frau› – provokant und amüsant, umfassend und niemals abgehoben – erzählt von ihren Bemühungen um eine Antwort darauf. So entsteht eine außergewöhnliche Doppelgeschichte: zum einen die ihrer verschlungenen Erkenntnissuche, zum anderen die der großen Fragen, die sich der Neuropsychiatrie heute stellen. Siri Hustvedts kluges Buch verstärkt unser Erstaunen über das Zusammenspiel von Körper und Geist.»
Oliver Sacks
Über die Autorin (vom Klappentext kopiert):
Siri Hustvedt wurde 1955 in Northfield, Minnesota, geboren. Sie studierte Literatur an der Columbia University und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Sie lebt in Brooklyn und ist mit dem Schriftsteller Paul Auster verheiratet, mit dem sie eine Tochter hat. Bekannt wurde sie mit den Romanen "Die unsichtbare Frau", "Die Verzauberung der Lily Dahl" und vor allem mit den internationalen Bestsellern "Was ich liebte" und "Die Leiden eines Amerikaners".
Aufbau / Allgemeines:
Man könnte das Buch sowohl bei den Biographien als auch bei den Sachbüchern einordnen, denn ausgehend von sich selbst forscht die Autorin wissenschaftlich genau in historischen und aktuellen Werken und bei Medizinern vergangener Jahrhundert bis heute nach neurologischen, psychosomatischen und physiologischen Krankheiten und Behinderungen. Sie belegt ihre Forschungen mit 192 Fußnoten in einem 16seitigen Anhang.
Inhalt:
Nachdem Siri Hustvedt immer wieder von unerklärlichem Tremor gepackt wurde, feststellte, dass ihr Körper zitterte, aber ihr Denkvermögen und ihre Sprache weiter funktionierten, und nachdem kein Arzt eine genaue Diagnose stellen konnte, macht sie sich selbst auf die Suche: Sie studiert Fachliteratur, beschäftigt sich mit Fallstudien und zieht Verbindungen. Immer mit Blick auf die eigenen Symptome und mit Überlegungen, welche Erkenntnisse sie auf sich selbst anwenden könnte.
Eigene Meinung:
Die Frage, ob es bei der Bekämpfung der eigenen Krankheit hilft, sich über alle möglichen ähnlichen Krankheiten und Fälle zu informieren und deren Symptome mit den eigenen abzugleichen, soll nicht Gegenstand der Betrachtung sein. (Obwohl natürlich diese Frage während des Lesens ständig in meinem Kopf rumorte.)
Auch wenn sie keine Fachwissenschaftlerin ist, hat die Autorin ein wissenschaftliches (kein populärwissenschaftliches!) Werk zu bestimmten neurologischen Sachverhalten geschrieben. Zweifellos eine bewundernswerte Arbeit und Recherche. Zu jedem Krankheitsbild, das sie entdeckt und das mit ihrem eigenen etwas zu tun haben könnte, stellt sie den Mediziner vor, der als erster damit vor die Öffentlichkeit trat, die Diskussion, die im Laufe der Jahrzehnte unter den Fachleuten darüber geführt wurde, und den heutigen Erkenntnisstand. Trotz Google an meiner Seite hat das Buch mich in der ersten Hälfte rettungslos überfordert. Ich kämpfte mich Satz für Satz voran. Der Schlimmste: "Konversionsreaktionen sind ein auf psychischer Not beruhender fixer Glaube an somatische Disfunktionen, der über die Steuerung kortikaler und subkortikaler Bahnen Muster von nicht im üblichen Sinn organischem Funktionsverlust oder -gewinn erzeugt." (S. 87 nach Trevor Hurwitz / James Pritchard "Conversion Disorder an fMRI")
Möglicherweise hätte mir das Buch viel gegeben, wenn ich an einer Störung leiden würde, bei der Kopf und Körper(teile) zu verschiedenen Wesen zu gehören scheinen. Oder wenn ein Angehöriger oder Freund solche Symptome hätte. Oder wenn ich im medizinischen Bereich, v.a. der Neurologie, arbeiten würde. Normalerweise google ich gern, um mir Hintergrundwissen zu einem Buch zu verschaffen, um meine Kenntnisse zu bestimmten Themen oder Personen zu erweitern, aber wenn ich keine halbe Seite ohne Google-Anfrage lesen kann, hört das Vergnügen auf.
In der zweiten Hälfte, in der vermehrt Philosophen, Literaten, Psychologen zu Wort kommen, war ich eher zuhaus, auch wenn Hustvedt ihre gesamte Krankengeschichte, zu der auch kindliche Fieberschübe und Migräneattacken gehören, ausbreitet und Ausflüge zur Traumdeutung unternimmt.
Fazit:
Für Fachleute und Betroffene ist das Buch bestimmt ein informatives, umfassendes Werk; ein Laie oder Nicht-Betroffener steht staunend vor der Fülle des Materials und kann sicher nicht mit jeder Aussage, jeder Erkenntnis etwas anfangen.