Amy Chua - Die Mutter des Erfolgs / Battle Hymn of the Tiger Mother

  • Klappentext:
    Für ihren Nachwuchs wollen alle Eltern nur das beste. Amy Chua ist davon überzeugt, dass Kinder nur durch Erfolgserlebnisse glücklich werden. Und die sind nur mit härtester Arbeit zu erreichen. Chua wendet alle Mittel an, damit ihre Töchter die besten Musikerinnen werden, sie bettelt, droht, besticht und erpresst. Jeden Tag steht sie - berufstätige und erfolgreiche Juraprofessorin - stundenlang beim Üben daneben. Sie kämpft gegen die Ermüdung, die Konkurrenz und gegen die laschen Erziehungsansichten ihres Umfelds. Und sie geht an alle Grenzen. Das klingt zuweilen so: "Oh mein Gott, du wirst immer nur schlechter. Ich zähle jetzt bis drei, dann erwarte ich Musikalität! Wenn das beimnächsten Mal nicht PERFEKT ist, NEHME ICH DIR SÄMTLICHE STOFFTIERE WEG UND VERBRENNE SIE." Am Ende verliert die ehrgeizige Mutter den Kampf - und schreibt ihre Geschichte auf: ein packendes Buch über Familie, über Glück, über Leistungsdruck und über den Willen, unbedingt zu siegen.


    Eigene Beurteilung:


    Dieses Buch – und besonders Amy Chuas Auftritte im Zusammenhang damit – haben viele Diskussionen in den USA und auch hier in Deutschland ausgelöst, weswegen Nagel & Kimche die Veröffentlichung sehr weit vorgezogen hat. Viele Kritiker haben harte Konfliktsituationen aufgegriffen und auf der Grundlage dessen das Buch und die Autorin ziemlich pauschal verurteilt. Nun ist es aber laut der Koda des Buches so, dass es in Zusammenarbeit von Amy, Jed, Sophia und Lulu entstanden ist und sich seiner selbst in der Endaussage unsicher bleibt. Es ist die Geschichte einer Frau, die ihre Kinder in einem hoch wettbewerbsorientiertem Feld – der klassischen Musik – nach vorne bringen möchte. Die Kindheits- und Jugendwege von Sophia und Lulu finden starke Parallelen in vielen Musiker- und Sportlerkarrieren und auch im Bereich des Schauspiels. Auch Familienbetriebe muten zum Teil den Nachkommen Vergleichbares zu. Und das ist auch etwa die Einkommenshausnummer, in dem dieses Buch dann relevant sein kann.

    Frau Chua hat viele Schwierigkeiten damit, die Mängel ihrer Erziehung zu erkennen – aber sie erkennt sie – und nachdem sie sie erkannt hat, das Gelernte adäquat umzusetzen. Aber auch dies ist eine sehr menschliche Verfehlung, besonders, wenn man sich selbst nie eine Pause denkt um Atem zu schöpfen und zu reflektieren. Dies zeigt sie in diesem Buch mit viel Selbstironie und Respekt für ihre Kinder und ihren Mann, deren Reaktionen wesentlich wohlwollender sind, als die vieler Kritiker.

    Man sollte dieses Buch vielleicht als eine Möglichkeit zum Vergleich bestimmter Erziehungsstile sehen – wobei weder der hier beschriebene „westliche“ Stil noch der „chinesische“ Stil in den fraglichen Weltregionen wirklich Allgemeingültigkeit beanspruchen können. In erster Linie ist es aber ein Buch über einen wichtigen Lernprozess, den Frau Chua durchgemacht hat – und den sie sehr geschickt darzustellen versteht, ohne sich selbst dabei zu schonen.

  • Zur Autorin
    Amy Chua ist in den USA geborenes Kind chinesischer Einwanderer. Chuas Eltern sind Akademiker, sie wuchs zusammen mit vier Schwestern auf. Die Großeltern wanderten aus der Provinz Fujian, die bekannt für ihre wirtschaftlich außerordentlich erfolgreichen Auswanderer und deren Zusammenhalt in der Fremde ist, zunächst auf die Philippinen aus. Beide Großväter wurden auf den Philippinen erfolgreiche Geschäftsleute, obwohl sie keine Neigung zum Geschäftsmann hatten. Eine der Großmütter war vom Auftreten amerikanischer Soldaten und in der Folge von den USA fasziniert, sie trat zum Katholizismus über. Die Autorin konnte sich zunächst nur schwer für einen Beruf entscheiden, sie studierte kurze Zeit Mathematik, dann Wirtschaftswissenschaften, schließlich Jura. Der Vater ihrer Töchter Sophia und Louisa ist Jed Rubenfeld, Autor von Morddeutung.


    Inhalt
    Chua benutzt den Begriff "chinesische Mutter" im übertragenen Sinn für harten Drill in der Erziehung, mit dem asiatische Einwanderer ihre Kinder zu Höchstleistungen in Schule und Ausbildung zwingen. Druck und Drohungen werden mit der Pflicht zur Gehorsamkeit und Dankbarkeit gegenüber den Eltern begründet. Die Eltern behaupten am besten zu wissen, was ihr Kind zu tun und zu lernen hat. Ihre Kinder dürfen keine eigenen Entscheidungen treffen und können nicht aus Fehlern lernen. Freunde, Hobbies, Schulveranstaltungen wie Theater oder Feste werden als Zeitverschwendung angesehen. Selbst ein ganzer Tag, den ihre Töchter mit der Oma verbringen würden, wäre für Amy Chua Zeitverschwendung und würde ihrer Karriereplanung im Weg stehen. Mit emotionaler Kälte und kultureller Überheblichkeit werden Menschen, die einen westlichen Erziehungsstil vorziehen, von ihr als Versager abgestempelt.


    Bereits bei ihrer ältesten Tochter Sophia, die sich brav der Mutter beugte und bis zu 6 Stunden am Tag Klavier übte, differenzierte die Autorin nicht zwischen sich und dem Kind. "Wir haben geübt" heisst Sophia übte unter Aufsicht der Mutter und nicht, dass beide Klavier geübt haben. Da die chinesische Erziehung Glück nicht kennt, so Chua, ist der Erfolg der Töchter mit dem Glück der Mutter identisch. Louisa, die zweite Tochter, zeigt schon als Baby das hitzige Temperament ihrer Mutter. Mit der Dreijährigen kommt es zur ersten Kraftprobe, als sie sich nicht zum Klavierspielen im Takt zwingen lassen will und lieber zur Strafe auf der Terasse bibbert als klein beizugeben. Die Mutter will die Machtprobe unbedingt gewinnen, sie "rüstet auf" in der Auseinandersetzung und macht sich als Feldwebel vor der kleinen Tochter lächerlich. Jahre später sagt Lulu, immer noch mit der kontrollierenden Mutter im Nacken "Dein Hirn nervt mich", (auch wenn du nichts sagst) "ich weiß, was du denkst".


    Bei der Begegnung mit Lulus Suzuki-Lehrer, einem fähigen Pädagogen, der Kinder für Musik begeistern kann, werden die sozialen Defizite der Mutter deutlich, die nur Druck kennt. Lulus stark ausgeprägte Selbstachtung und ihr Gerechtigkeitsempfinden führen schließlich zum öffentlichen Eklat. Ihre Auflehnung gegen Autoritäten, die sie nicht respektiert, wäre in Familien asiatischer Herkunft undenkbar. Sogar die chinesische Großmutter bezweifelt, dass sich aus Louisa ein exaktes Abbild ihrer Mutter erzeugen lässt. Sophia und Lulu fühlen sich nicht mehr als Chinesinnen, die emotionale Erpressung ihrer ehrgeizigen Mutter verpufft. Obwohl Sophia längst als Pianistin auftritt, raubt Lulus Auflehnung Amy Chua den Lebenszweck.


    Ein interessanter Bestandteil des rigiden Tigermutter-Systems sind übrigens die beiden Hunde der Familie. Sie sind karrieretechnisch völlig unnütz, haben keine besonderen Fähigkeiten, gewinnen keine Pokale, sie dürfen einfach nur Hund sein. Deutet Amy Chua damit an, dass sie, erschöpft vom jahrelangen Kampf, nun gegenüber der verweichlichten westlichen Kultur eingelenkt hat?


    Im Rückblick auf Amy Chuas eigene Entwicklung wird klar, dass sie sich als Kind von Einwanderern nie von der Immigrantenrolle gelöst hat und von Abstiegsängsten für die Zukunft ihrer Töchter getrieben ist. Chua hat die eigene Erziehung, die zu ihrer Zeit vielleicht noch Sinn hatte, nicht reflektiert und nie überprüft, ob ihre unnachgiebige Härte den Töchtern gegenüber heute noch zielführend ist. Für Probleme, die man in chinesischen Familien nicht kennt oder über die man nicht spricht, findet sie keine Lösung und ist auch nicht in der Lage, sich den Sitten in der Familie ihres jüdischen Mannes zu öffnen. Schockierend fand ich, dass eine in den USA geborene, akademisch gebildete Mutter Geschwisterrivalität und Pubertät ignoriert, weil sie in der chinesischen Kultur angeblich kein Thema seien.


    Fazit
    Amy Chua beschreibt, wie sie ihre Töchter zu musikalischen Höchstleistungen drillte bis sie schließlich am erbitterten Widerstand ihrer jüngeren Tochter scheiterte. Vielleicht schlummert in Lulu eine charismatische Politikerin oder eine erfolgreiche Unternehmerin? Ob die Tigermutter-Taktik eine Alternative zur westlichen Verweichlichung sein kann, die Chua beklagt, bleibt offen; denn die Autorin schweigt zu den sozialen Kompetenzen ihrer Töchter. Chua empört sich, dass die Generation ihrer Töchter meint, individuelle Rechte zu haben und wagt, Autoriäten zu widersprechen. Sie selbst hatte bereits als Studentin Probleme, sich aus der Sicherheit auswendig gelernter Fakten herauszuwagen, eine Meinung zu äußern oder Dinge zu hinterfragen. Nach Abschluss ihres Jurastudiums kann sie sich nur schwer für ihre Klienten interessieren und keine Freude am Beruf entwickeln. Wie viele auf intellektuelle Leistung gedrillte Überflieger kann Chua mit Niederlagen und Enttäuschungen nicht umgehen. Wer wie sie seine Kinder gezielt vom Kontakt zu Gleichaltrigen ausschließt und jeden Moment der Muße unterbindet, wird kaum soziale Kompetenzen oder Kreativität bei seinem Nachwuchs entdecken. Chuas Bericht hinterlässt bei mir Mitleid mit einer Mutter, die das Aufwachsen ihrer Kinder nicht genießen kann, während sie ihre Töchter um jeden Preis in ein vorgefertigtes Bild zu pressen versucht.


    :bewertung1von5::bewertung1von5:


    (18.3.2011)

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Amy Chua - Die Mutter des Erfolgs. Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte“ zu „Amy Chua - Die Mutter des Erfolgs / Battle Hymn of the Tiger Mother“ geändert.