Ja, da sprecht ihr ein wichtiges Thema an - das Lesealter. Scherbenmond ist definitiv ein Buch für junge Erwachsene und nicht für Jugendliche - sprich: ab minimal sechzehn aufwärts, was natürlich nicht bedeutet, dass es nicht auch reife Fünfzehnjährige schon lesen können. Genauso war es eigentlich auch bei Splitterherz gedacht. Doch dann sind zwei Dinge geschehen, die das ein bisschen unterwandert haben: Zum einen haben sich die Buchhändler teilweise schwer damit getan, das noch ganz frische Programm von Script5 einzuordnen, denn es gibt kaum Programme für Junge Erwachsene - also wohin damit? Leider war bei einigen die Antwort: Zu den Jugendbüchern. Und da ist es einfach nicht gut aufgehoben. Zum zweiten haben wohl viele junge Twilight-Leser "Splitterherz" als eine Art Nachschub betrachtet, was wiederum den Ruf, es sei ein Jugendbuch, förderte.
Bei Splitterherz war das noch nicht tragisch, denn diese Geschichte kann man auch oberflächlicher lesen und als reines Romantasy-Abenteuer betrachten. Das aber funktioniert bei Scherbenmond nicht mehr. In diese Geschichte kann man nicht mehr realitätsflüchtend versinken (übrigens im Fachjargon Eskapismus genannt), ohne sich aktiv damit auseinander zu setzen, sonst wird man immer wieder herauskatapultiert; im Ernstfall kann es sogar eine verstörende Wirkung haben.
Trotzdem, der Verlag und ich haben immer deutlich gemacht, dass beide Bände zu einem Programm für junge Erwachsene gehören und ich hoffe sehr, dass Scherbenmond nicht direkt neben den Jugendbüchern landet. Nicht, dass ich irgendwann noch erbitterte Briefe von aufgebrachten Müttern bekomme ... (z.B. wegen der -Szenen, die da noch kommen ...)
Ja, und eines ist mir auch noch eingefallen ... Ich hatte ja erwähnt, dass die NS-Rassenverfolgung mein Schwerpunktthema im Studium war, aber das ist nicht der Grund, weshalb ich dieses Thema eingebaut habe, sondern ich denke, weil ich mich damals damit so intensiv auseinandergesetzt habe, wurde mir klar, dass Colin mit dieser Epoche in Berührung gekommen sein musste. Aber ich hatte nie den Wunsch verspürt, diesem Thema ein Buch zu widmen und darüber zu schreiben, weil ich mich davor ehrlich gesagt fürchte. Es gibt ja sehr hartgesottene Schriftsteller, die alles schildern können, ohne dabei nervlich kaputt zu gehen, aber bei mir gibt es Grenzen. Ich habe schon bei diesen Szenen schwer durchatmen müssen und mich richtig elend gefühlt. Natürlich habe ich eine professionelle Distanz dazu und kann zwischen Geschehen und meinem Leben trennen, aber in dem Moment, in dem ich es schreibe, fühle ich auch alles, was Ellie fühlt ... Ich werde also niemals irgendwelche Hardcore-Psychothriller mit brutalen Splatter-Szenen schreiben, die tatsächlich passieren können. Bei den Kampfszenen in Band I ging das noch so, die waren doch sehr fantastisch angehaucht. Aber bei Scherbenmond gab es etliche Szenen, bei denen ich heftig mitgelitten habe und auch meine Lektorin war nach dem Lektorat etwas zerrupft.
Tja, aber bei besagten KZ-Szenen war es eben so, dass ich wusste: Die müssen sein. Da kommst du nicht drum herum. Ich habe sie nicht geschrieben, um ein Tabu zu brechen (das war mir ja gar nicht bewusst) oder um Aufmerksamkeit zu heischen, sondern weil ich sie als logisch und notwendig empfand. Aber jetzt, da ich eure Reaktionen gelesen habe, weiß ich endlich, dass es nicht ganz verkehrt war (hinter mir liegen Monate des Bangens wegen dieser Passagen, weil viele Menschen damit einfach nicht konfrontiert werden wollen ...) und es so ankommt, wie ich es meinte. Das ist ein gutes, beruhigendes Gefühl.