Petterson, Per - Ich verfluche den Fluss der Zeit

  • Kurzmeinung

    drawe
    Ein ruhiger und trauriger Roman über eine schwierige Mutter-Sohn-Beziehung und verlorene Hoffnungen
  • Hier muss ich mit einem Zitat von B. Brecht beginnen, welches MRR berühmt machte: „Der Vorhang fällt und alle Fragen offen.“


    Wenn es eine Handlung im Buch gibt, dann ist es folgende: der Protagonist Arvid reist seiner Mutter hinterher. Diese hat soeben die Diagnose vom Arzt erhalten „Magenkrebs“, und möchte vor der Chemotherapie in ihre Heimat fahren um noch einige Dinge zu erledigen. Arvid trifft ein und beide reden nicht miteinander, sie rauchen und trinken Calvados wie im Remarque Roman“ Arc de Triomphe“, den beide gelesen haben, aber sie reden nicht miteinander. Die Atmosphäre zwischen den Zweien ist mehr als kühl, sie sind sich fremd, keiner weiß was der andere denkt oder empfindet. Für Arvid steckt dahinter wohl ein Kindheitstrauma „ich hatte einen Sprung im Charakter.“ Seite 57


    Der Protagonist bringt seltsame Eigenschaften an den Tag, die der Leser nicht einordnen kann. Beispielsweise schließt er die Augen, nein er kneift sie richtig zusammen, als seine Frau mit ihm reden möchte. Dann schlägt er einem Mann (grundlos?) „eine aufs Maul“, was er später als Angst abtut, aber woher? All das passt nicht recht in ein Bild, und so wirkt diese Figur eher lächerlich, tollpatschig und zeitweise ziemlich infantil.
    Die Geschichte hat keinen Beginn, und auch keine rechtes Ende. Arvid bleibt uns ein Rätsel, und zwischendurch schildert Petterson ganz wunderbar menschliche Regungen, Erinnerungen und Ereignisse, die sehr bewegend und voller Gefühle sind.


    Auffallend ist der betonte Alkoholkonsum in der Geschichte. Entweder trinken Norweger enorm (ist mir nicht nur in diesem Buch aufgefallen) viel, oder der Konsum wird bewusst so in den Mittelpunkt gestellt. Und so ist auch unser Protagonist mehr besoffen als nüchtern, und wird vielleicht aufgrund dessen von mir nicht allzu ernst genommen. Ich konnte mit dieser Figur so gar nichts anfangen. Zudem hat mir der Autor keine einzige Antwort auf meine Fragen gegeben, das Buch bleibt für mich ein Fragment.

  • Arvid steht kurz vor der Scheidung zu seiner Frau. Er reist seiner Mutter nach, die in ihre Heimat nach Jütland gereist ist, nachdem sie von ihrer Erkrankung gehört hat.
    Arvid ist schon immer das Sorgenkind der Familie gewesen. Die Beziehung zu seinem Vater gestaltet sich eher schwierig, weswegen er sich eher an die Mutter hält.
    Statt zu studieren, arbeitet er lieber Schicht, genau wie seine Eltern. Auch sonst scheint er nie richtig Fuss zu fassen.
    Eine für mich bezeichnende Stelle war, wo er glaubte, im Brackwasser zu ertrinken - bis er merkte, dass er eigentlich stehen kann.
    In Rückblenden wird die Geschichte von Arvid aufgerollt und seine Suche nach Halt und Beständigkeit, aber er muss von zwei Frauen Abschied nehmen: seiner Ehefrau und von seiner Mutter.
    Zeitlicher Hintergrund ist der Mauerfall, es ist 1989 - damit ist auch Arvids Traum vom Kommunismus begraben.


    Petterson bedient sich ein poetischen und klaren Sprache. Insgesamt ist der Roman sehr ruhig gehalten.
    Der Titel "Ich verfluche den Fluss der Zeit" stammt aus einem Gedicht von Mao.


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