Tom Liehr - Pauschaltourist

  • Nikolas und Nina, zwei Zeitungsredakteure, werden auf eine ganz besondere Mission geschickt. Man setzt sie auf die Spuren der pauschalreisenden, „sich-all-inclusiv-bewegenden“ Touristenhorden, die – wie der Klappentext sagt – in „Bettenburgen des Grauens“ zusammen gepfercht sind. Nina ist zwar Reisejournalistin, ist aber bisher über Urlaubsreisen nach Sylt nicht hinausgekommen. Nikolas betreut die Leserbriefseite und darf sich dazu noch um die Rätselecke der Zeitung kümmern. Und eigentlich mögen sich beide auch nicht so sehr. Nina leidet dazu nicht nur unter ihrer Flugangst, zu allem Überfluss schleppt sie auch noch ihren Pudel Bimbo überall mit – so eben auch ins Flugzeug. Eigentlich sind die beiden durch nichts dazu prädestiniert, in einer sechswöchigen Reisetour die Bedingungen von Pauschalreisen auszutesten und in ihrer Zeitung über ihre Erfahrungen darüber zu berichten.


    Wer die Absicht hat dieses Buch zu lesen, der kann sich auf einige Stunden sehr ansprechende Unterhaltung einstellen. Und es ist ja ein offenes Geheimnis, dass es wirklich nicht leicht ist, Menschen gut zu unterhalten. Und gute, wirklich ansprechende Unterhaltung bietet Tom Liehr mit diesem Buch. Die Geschichte wird mal humorvoll, mal etwas melancholisch, durchaus auch pikant, dazu an einigen Stellen gewürzt mit Sarkasmus und böser Ironie, erzählt. Gerade diese Mischung ist es, die den Reiz dieses Buches ausmacht. Liehr macht nicht den Fehler und reiht billige Witzchen und Kalauer sinnleer aneinander, nein, vielmehr gewichtet er geschickt, schafft die verschiedenen Stimmungen und Stimmungsbilder eben dorthin wo sie eben in die Geschichte hinpassen. Witze um der Witzewillen scheinen sein Ding nicht zu sein. Und dort, wo Ernsthaftigkeit angebracht ist, dort wird sie auch in die Geschichte eingestellt.


    Seine handelnden Figuren wirken zutiefst menschlich. Menschen mit all ihren Schwächen und Stärken, die halt so handeln, wie Menschen auch im realen Leben handeln würden. Auch wenn es eine erfundene Geschichte ist, wenn alles nur Fiktion ist, so wird sicher der eine oder andere sich oder seine Urlaubsaufenthalte wiedererkennen.


    Tom Liehr bedient sich eines lockeren, eines sehr flüssig zu lesenden Schreibstils und meidet dabei aber irgendwelche aufgesetzten Oberflächlichkeiten. Sehr gut schafft er es, pikante und ggf. auch anzügliche Szenen so darzustellen, dass Zottigkeiten und billige Effekthaschereien vermieden werden. Und auch kritische Seitenhiebe auf die Tourismusindustrie und die sie benutzende Klientel fügen sich sehr schön in die erzählte Geschichte ein. Und soviel sei noch verraten: Auch das Gefühl kommt in diesem Buch nicht zu kurz.


    Mit diesem Buch dürfte sich Tom Liehr wohl endgültig als Autor für gute, zeitgenössische und unterhaltende Literatur freigeschwommen haben. In meinen Augen ist „Pauschaltourist“ sein bestes Buch.


    Wirklich zum Lesen empfohlen.

  • Nikolas Sender, Journalist und bei einem Reisemagazin für die Leserbriefe und die Rätselecke verantwortlich, macht bei einer Redaktionssitzung den mutigen Vorschlag, doch mal Reiseberichte aus der Sicht der unteren Kategorieklassen zu verfassen, statt sich auf Luxusreisen zu beschränken.
    Chefredakteur Heino Sitz ist begeistert. „All-inclusive“-Pauschaltourismus, darüber soll Nikolas berichten. Zu Recherchezwecken wird er nach Gran Canaria, Marokko, Mallorca, Portugal und Ägypten geschickt. Ausgerechnet seine unter Flugangst leidende und von Nikolas wenig geschätzte Kollegin Nina Blume, Ressortleiterin für Weltreisen, soll ihn in die Tourighettos begleiten.


    Tom Liehr führt dem Leser auf unnachahmliche Weise vor, was sich Pauschaltouristen in den schönsten Wochen ihres Jahres, ihrem Urlaub, freiwillig so alles antun und auch noch dafür bezahlen.
    Das ungleiche Paar Nikolas und Nina erlebt den ganz normalen Wahnsinn von Plattenbausiedlungen mit dem Charme der ehemaligen DDR-Zeit, die sich „Urlaubshotels mit drei Sternen, Landeskategorie“ nennen, „Massenabfütterung“ an Büfetts, von denen man zu Hause im Traum nichts essen würde, übelst gelauntes Personal, Dreck und Lärm.
    Dabei lernen die Beiden viele, sehr unterschiedliche Menschen (Touristen) kennen, Janet, die Nikolas nur „umgarnt“, um ihn um Wertsachen in Höhe über zweitausend Euronen zu erleichtern, Emad, der fragwürdige Ehen mit Ausländerinnen eingeht, um die strengen islamischen Regeln zu umgehen. Aber auch Menschen, die berühren, wie den reichen, aber unglücklich verlassenen Oliver von Papening und den „schlagkräftigen“ Holländer Ger, dem Nikolas aufgrund seiner Nahkampfausbildung fast sein Leben zu verdanken hat.


    Tom Liehr versteht es seine Geschichte mit viel Humor und Ironie zu erzählen. Dabei beweist er wieder mal, wie gut er mit Worten „jonglieren“ kann. Seinen Schilderungen treffen punktgenau ins Schwarze und seine Wortspielereien sind originell.
    Bei allem Humor gelingt es dem Autor jedoch durchaus die unterschiedlichen Stimmungen seiner Figuren einzufangen.


    Dieser Roman ist ein Beweis, dass humorvolle Unterhaltung mit Niveau möglich ist – Tom Liehr jedenfalls beherrscht dies.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne von mir.

  • Ich habe das Buch gerade ausgelesen und bin begeistert :thumleft:


    Endlich einmal wieder ein Buch, dass genau meinen Humor getroffen hat. Bissig und genau ins Schwarze getroffen :thumleft:.
    Nikolas und Nina sind zwei sehr unterschiedliche Charktere, aber jeder auf seine Art symphatisch. Sie haben keine leichte Aufgabe, denn sie bereisen "Billighotels" in beliebten und meist überfüllten Urlaubsregionen.
    Auf geschickte Art und Weise führt einem der Autor vor Augen, wie sich Urlauber in den schönsten Wochen des Jahres benehmen. Dabei schreibt er nie übertrieben, im Gegenteil: ich habe oft gedacht "ja, so ist es / könnte es sein" ( Stichwort Liegenbelagerung :wink: ), und die ironischen Wortspielereien runden das Ganze nochmals sehr positiv ab.


    Gerne vergebe ich 5 Sternchen (und habe bereits weitere Bücher des Autors bestellt ) : :bewertung1von5: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study: