Zoran Drvenkar - Sag mir, was du siehst

  • Kurzbeschreibung von amazon.de
    Winter in Berlin. In einer Weihnachtsnacht voller Schneegestöber macht sich die 16-jährige Alissa mit ihrer besten Freundin Evelin zum Friedhof auf. Sie will wie jedes Jahr das Grab ihres Vaters besuchen. Doch als sie im dichten Schnee in eine Grabkammer fällt und einen Kindersarg findet, verändert sich mit einem Schlag ihr Leben. Von da an sieht Alissa Wesen, die alle anderen nur als Raben wahrnehmen. Und sie zieht auf unheimliche Weise Mensch und Tier um sich herum in ihren Bann: Ihr treuloser Ex Simon folgt ihr wie ein -- gefährliches -- Hündchen, eine kleine Katze stirbt und läuft Alissa (danach!) hinterher. Ihr ganzes Leben ist auf den Kopf gestellt, niemand glaubt ihr. Da macht sie sich auf, um die Wesen, die sie sieht, zu finden. Denn sie will Antworten auf ihre vielen Fragen. Aber die fallen ganz anders aus, als Alissa gedacht hat.


    Das Buch ist der Nachfolger von "Der Winter der Kinder" und spielt vier Jahre nach dem ersten Band. Es ist aber nicht unbedingt notwendig den ersten Band zu lesen, da eigentlich alles erklärt wird, so dass keine Fragen bezüglich der einzelnen Zusammenhänge unter den Personen entstehen.


    Der Tod. Ein gewagtes Thema für einen Jugendroman, und ich hatte mich da auf Einiges eingestellt. Trotz meiner Befürchtungen bin ich durchaus positiv überrascht worden. Der Autor entführt durch seine bildhaften Beschreibungen in das verschneite Berlin. Ihm ist es gelungen, dass ich mich in jede einzelne Figur hineinversetzen konnte. Und je nach Kapitel konnte ich nachvollziehen, warum die Person, die gerade das jeweilige Kapitel erzählt, so handelt.


    Sehr gewöhungsbedürftig fand ich allerdings , dass der Autor keine Anführungszeichen benutzt, sondern seine direkte Rede mit einem Bindestrich beginnt. So ist es mir persönlich manchmal schwer gefallen nachzuvollziehen, wer gerade was gesagt hat.


    Schön fand ich auch, dass das Buch nicht eine Lösung liefert, sondern viel Raum für eigene Interpretationen lässt. Der mythische Anteil wirkt auch nicht zu erzwungen, nicht so aufgesetzt, dass ich manchmal der Meinung war, dass das, was der Autor beschreibt doch wirklich so sein könnte. Es war sicher nicht das letzte Buch, was ich von ihm gelesen habe.


    Fazit: Ein Buch, das zum Nachdenken anregt und zwingt, sich mit dem Leben und der Liebe auseinander zu setzen. Auch wenn es sich schnell lesen lässt, beschäftigen muss man sich etwas länger damit.

  • Nachdem ich von Zoran Drvenkars Thrillern der letzten Jahre so begeistert war, wollte ich es nun auch mal mit einem seiner Jugendbücher versuchen und sehen ob diese genauso gut sind. Leider blieb "Sag mir, was du siehst" etwas hinter meinen Erwartungen zurück.


    Das Gute: Man erkennt sofort Zoran Drvenkars Handschrift. Ich kenne keinen Schriftsteller, der so schreibt wie er. Zudem sind in diesem Buch auch seine Markenzeichen, jedes Kapitel in der Ich-Form aus der Sicht einer anderen Person geschrieben und ein Bindestrich statt Anführungszeichen für die direkte Rede, vorhanden.


    Der Anfang war toll und ich war schnell in der Geschichte gefangen und hatte mich sofort mit den ausdrucksstarken Charakteren angefreundet. Zur Handlung an sich will ich nicht viel mehr sagen, denn das würde den Lesespaß trüben. Es ist die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft und es handelt von Heranwachsenden, die manchmal schon zu erwachsen wirken, aber im Inneren doch nur Kinder sind. Einen gewissen Mystery-Touch haben Drvenkars Bücher ja meistens, in diesem war für meinen Geschmack aber schon etwas zu viel vorhanden und dieser wurde auch zu offensichtlich eingestreut, was ich nicht so passend fand.


    In der zweiten Hälfte hat "Sag mir, was du siehst" leider ziemlich stark nachgelassen und, ich hätte es mir bei diesem Schriftsteller nicht erträumen lassen, es kam kurzzeitig sogar leichte Langeweile auf. Das versöhnliche Ende ließ mir das Buch dann doch noch einigermaßen zufrieden schließen, aber im Nachhinein muss ich doch feststellen, dass auch dieses in Sachen Fantasy/Mystery etwas dezenter hätte gestaltet werden können.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

  • Ich hab mir das Buch Ende letzten Jahres mal aus der Bibliothek ausgeliehen, hab es dann aber ungelesen wieder zurückgebracht, weil ich doch irgendwie nicht so viel Lust darauf hatte. Nach deiner Einschätzung, Kapo, kommt es aber auf jeden Fall zurück auf die Wunschliste! Ich fand zum Beispiel "Sorry" nicht so toll, könnte mir aber vorstellen, dass es in den Jugendbüchern von Drvenkar etwas ruhiger zugeht. Deswegen wären die wahrscheinlich schon eher nach meinem Geschmack. Mit Mystery kann ich schon eher etwas anfangen als mit den Szenen aus "Sorry". :ergeben: Eventuell würde ich dann aber auch zuerst "Der Winter der Kinder" lesen, als Vorgänger-Band. Den Titel finde ich auch klasse!


    Und du hast Recht, Kapo, Drvenkar hat einfach einen unverwechselbaren Stil. Hast du dir das Interview mal angesehen, dass ich im "Du"-Thread verlinkt habe?

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • @ Gaensebluemche: Freut mich, dass Dich meine eher negative Einschätzung nicht davon abhält, das Buch mal anzutesten. Mich würde sehr interessieren, was Du dazu sagen würdest. Du hast Recht, "Sorry" hatte schon einige deftige Szenen. So etwas findest Du in diesem Buch nicht und es ist definitiv jugendgerecht geschrieben. Der Vorgänger "Der Winter der Kinder" wird ja sogar unter der Rubrik "Kinderbuch" eingeteilt.


    Das Interview habe ich mir angesehen. Ein sehr interessanter und sympathischer Mensch, der Herr Drvenkar. :)

  • Irgendwie habe ich bei dem Autor das Gefühl, dass es es sich lohnt, bis zum Ende durchzuhalten, auch wenn es zwischendurch mal langweilig wird. Denn die Enden seiner Bücher sind irgendwie immer "anders". Deswegen sollte ich wohl auch "Sorry" noch mal zur Hand nehmen, das habe ich nämlich noch vor der Hälfte abgebrochen. Und du, Kapo, schreibst ja auch, dass dich das Ende dieses Buches versöhnt hat. :-k

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  • Und du, Kapo, schreibst ja auch, dass dich das Ende dieses Buches versöhnt hat.

    Ja, das hat es schon. Das Buch und ich haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt könnte man sagen :lol: .Es ist schon irgendwie wieder ein "besonderes" Ende. Es lässt allerdings nicht soviel Interpretationsspielraum zu wie beispielsweise "Du" und gibt auch nicht so viele Rätsel auf wie "Du bist zu schnell". Es gibt einem ein zufriedenes Gefühl obwohl man es mit lachendem und weinendem Auge sehen müsste. Aber mehr sag ich jetzt nicht mehr zum Ende. :-# :wink:

  • Mh, das klingt ja jetzt wieder geheimnisvoll! Aber ich find schon noch raus, was du meinst, Kapo!

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  • Drvenkar hat mit Sag mir, was du siehst eine Geschichte voller Magie und dichter Gefühle geschrieben. Nicht nur die Freundschaft der beiden Protagonistinnen Evelin und Alissa packte mich, sondern auch das vielschichtige Netz, das die beiden mit den Menschen um sie herum verband:


    Mutter, Stiefvater und kleiner Bruder, Großeltern, Exfreund und Geliebte. Man versteht sehr gut, warum wer wie zum anderen steht. Warum er so fühlt, wie er fühlt. Warum und wie er aus diesen Gefühlen heraus handelt. Drvenkar hat einen sehr genauen Blick zum Detail.


    Ich verlor mich vollkommen in seiner Sprache, hier vor allem in den Beschreibungen der Temperaturen und der Welt dort draußen vor dem Fenster:


    Ich konnte die Winterkälte spüren, die sich über Berlin legte. Ich sah den vereisten See vor mir. Wenn Alissa vor Hitze brannte, wurde auch mir warm. Ich konnte den Winter riechen und die Fußspuren der Romanhelden im Schnee sehen. Mitten im Juli wurde es für mich fast Winter. Wenn ein Autor das mit seinen Worten heraufzubeschwören weiß, dann hat er mich damit schon vollkommen für sich eingenommen.


    Das Wie gefiel mir an Drvenkars Roman sehr - übrigens das erste Buch, das ich von ihm las - nur inhaltlich war ich letztlich nicht überzeugt. Eine sehr nette und fantasievolle Geschichte, aber auch eine, die mir letztlich zu viele Fragen offen ließ. Vielleicht bin ich auch einfach bereits aus der Möglichkeit herausgewachsen, mich so in die sechzehnjährigen Protagonistinnen hineinversetzen zu können, dass mich ihr Verhalten in jedem Moment überzeugt hätte, es für mich immer nachzuvollziehen gewesen wäre. Nicht unbedingt ein Minuspunkt für Drvenkar und Sag mir, was du siehst, nur mir gefiel das einfach nicht so sehr.


    Dafür die Melancholie in der Geschichte umso mehr. Melancholie ist so schön, so wunderschön.



    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    merveille.


    It was that kind of a crazy afternoon, terrifically cold, and no sun out or anything,
    and you felt like you were disappearing every time you crossed a road.


    Catcher in the Rye. ♥