Josef H. Reichholf - Die falschen Propheten

  • Der Autor geht in seinem Buch der Frage nach, ob Katastrophen überhaupt vorhersagbar sein können und wie hoch deren Treffsicherheit ist. Er untersucht, auf welchen Grundlagen solche Voraussagen basieren, und unternimmt mit seinen Lesern auch einen kurzen Ausflug in die Geschichte. Seher und Propheten gab es schließlich zu allen Zeiten und in allen Kulturen, da den Menschen eine unstillbare Sehnsucht nach Gewißheit und Vorhersagbarkeit seines Schicksals, aber auch desjenigen seiner Nachkommenschaft, erfüllt. Reichholf erklärt ganz schlüssig, warum das so ist, und woher unser Wunsch kommt, in die Zukunft sehen zu können, wobei einmal mehr deutlich wird, wie sehr wir den Gesetzen der Evolution gehorchen müssen, nach deren Regeln wir angetreten sind.


    Der Autor befaßt sich in diesem schmalen Büchlein mit den grossen Naturkatastrophen unserer Zeit wie Überschwemmungen, orkanartigen Stürmen oder dem Klimawandel im allgemeinen, genauer gesagt mit deren Vorherseh- bzw. Vorhersagbarkeit. Doch an dieser Stelle höre ich den Herrn Professor bereits fragen, weshalb denn "unserer Zeit"? Mit großen Naturkatastrophen mußte die Menschheit bis zum heutigen Tage zurechtkommen und auch das Klima war seit Anbeginn der Welt einem stetigen Wandel unterworfen. Wenn wir von den Klimaforschern hören, dass sich die Erde auf Grund unserer Umweltsünden bereits um 2 Grad Celsius erwärmt hätte, dann fragt der Ökologe Reichholf sogleich nach dem Bezugspunkt. Regelmäßige Temperaturmessungen gibt es erst seit gut 100 Jahren. Zwischen 1200 und 1300 etwa war es sogar wärmer als heute, während die Menschen zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert im Winter unter einer durchschnittlichen Temperatur von -11 Grad Celsius zu leiden hatten. Auch die großen Überschwemmungen sind nicht unbedingt eine Heimsuchung der Gegenwart, doch waren die Flüsse vor Jahrhunderten noch nicht in Flussbette gezwängt, sondern konnten in die damals unbesiedelte Aulandschaft ausweichen. Interessant sind auch Reichholfs Ansichten zum einstmals in der Presse sehr stark präsenten Waldsterben in Mitteleuropa, das heute kaum noch Thema ist. Dennoch verharmlost der Autor die grossen Probleme unserer Welt angesichts Überbevölkerung oder Artensterben nicht, sondern meint gerade im Gegenteil, dass sich manche Probleme rascher und wirksamer lösen ließen, wenn sich die Verantwortlichen nicht allzu sehr auf ferne, düstere Zukunftsprognosen beriefen, sondern sich statt dessen vermehrt den Forderungen der Gegenwart stellten. Die Lehre, die ich aus dieser Lektüre gezogen habe: sämtlichen Vorhersagen generell kritischer gegenüberstehen. Gleichzeitig nimmt Josef Reichholf seinen Lesern aber auch etwas von der Angst, die wohl jeder Zeitgenosse im Hinblick auf die Zukunft unseres Planeten schon verspürt hat, ohne dabei Walzerseligkeit zu verbreiten. Mir fällt absolut kein Kritikpunkt zu den Ausführungen des Autors ein, allerdings muss der Leser bereit sein, der Argumentationskette Schritt für Schritt zu folgen, um eventuelle Mißverständnisse zu vermeiden. Dafür, dass ich das Buch sozusagen im Vorbeigehen aus der Leihbücherei mitgenommen habe, eine sehr erfreuliche Ausbeute und eine absolute Leseempfehlung für jeden, der sich erlaubt, auch Expertenprognosen kritisch zu hinterfragen.