Pierre Bayard - Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat

  • Kurzmeinung

    PotatoPeelPie
    Interessante Gedanken zum Lesen und Nicht-Lesen, insgesamt von eher unsympathischer Arroganz.
  • Klappentext (etwas gekürzt)
    Sie haben Joyces „Ulysses“ nicht gelesen? Haben neulich Proust zitiert, ohne sein Werk zu kennen, über den neuen Nobelpreisträger geplaudert, obwohl Sie sich nicht mal an den Buchtitel erinnern konnten?
    Kein Problem, sagt der französische Literaturprofosser Pierre Bayard. Sie befinden sich in guter Gesellschaft. Schluss mit Heuchelei und Schuldgefühlen, die einem unbefangenen Zugriff auf die Weltliteratur im Wege stehen! Wie man auf hohem Niveau und schamfrei über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat, zeigt uns dieses wunderbare Buch.


    Im ersten Teil des Buches untersucht der Autor die vier Typen Bücher, die er folgendermassen unterscheidet; Bücher, die man nicht gelesen hat, die man nicht kennt, die man quergelesen hat und die man vergessen. Indem er Beispiele aus der Literatur zitiert, erklärt er dass es für einen gebildeten Menschen unwichtig ist ob er ein bestimmtes Buch gelesen hat oder nicht, er muss nur die Stellung welches das Buch in der Literatur einnimmt erkennen, um darüber reden zu können.
    Diese Fähigkeit ein Buch richtig einzuordnen erspare Zeit und wie er sagt bedeutet, dass es nicht nötig sei, ein Buch in die Hand zu nehmen, um sich darüber zu äussern.
    Er stellt ebenfalls die Behauptung auf dass man schon während des lesen der Prozess des Vergessens beginnt und man somit wieder zum Nichtleser wird. Also genügt es doch im Buch zu blättern und das, was haften bleibt, ist das Wesentliche.
    Immer wieder betont er auch viele Werke nicht oder nur quergelesen zu haben, nicht zu kennen oder nur vom Hörensagen, dennoch keine Mühe hat Bücher kommentieren zu können.
    Der zweite Teil erklärt nun die Möglichkeiten sich elegant aus der Affäre zu ziehen ohne sich schämen zu müssen wenn man über ein Buch diskutiert das man, wie schon erwähnt allenfalls nicht gelesen hat.
    Denn seine Meinung ist, dass sich jede Diskussion über Bücher in den meisten Fällen vom Kernpunkt des Buches entfernt und somit nichts mehr im eigentlichen Sinn mit dessen Inhalt gemein hat.
    Sein Ansinnen führt so weit, dass er erklärt, „Bücher zu erfinden“ und um dies zu unterstreichen werden wieder Werke aus der Literatur angeführt, wenn man diese Möglichkeit in Betracht zieht.


    Was ist von diesem Buch zu halten? Einerseits stimmt seine Aussage, dass man über Bücher reden kann, ohne diese gelesen zu haben, es gibt so viele Rezensionen über Literatur dass ich mir, wenn nötig ein sehr gutes Bild über ein Buch machen kann. Andererseits wieso sollte ich über Bücher reden, welche ich nicht gelesen habe, ich kann das doch, ohne mich schämen zu müssen, sagen. Zudem ist mir klar, dass ich nicht die gesamte Weltliteratur lesen kann, dafür reicht die Zeit wirklich nicht aus. Überdies kann ich mir nicht vorstellen dass es mir Freude machen würde über Bücher zu diskutieren, welche ich nicht gelesen habe.
    Man muss Pierre Bayard zugestehen, dass er bei Schreiben dieses Buches Kreativität bewiesen hat. Ich verstehe jedoch nicht wie ein Professor der Literatur, von dem man annimmt, dass er diesen Beruf aus Spass an der Literatur gewählt hat, das Nichtlesen befürwortet.
    Allerdings hat das Buch seine Längen und ich habe es nach einigen Kapitel tatsächlich nur noch quergelesen. Somit bin ich der Aufforderung des Autors nachgekommen, indem er sagt, es genüge der Gedanke des „Überblickes“, der Fähigkeit der Orientierung um sich in einem Buch zurechtzufinden.


    Noch eine Anmerkung zum Schluss. Der französische Literaturpapst Bernard Pivot lobt dieses Buch, indem er sagt:

    Zitat

    „Das Buch schlechthin! Wunderbar, man muss in diesem Leben nur noch Bayard lesen. Sein Buch ersetzt alle anderen, alte, neue, zukünftige“

    Ich weiss nun auch wieder, wieso ich den Aussagen von „Literaturpäpsten“ etwas kritisch gegenüberstehe.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

    2 Mal editiert, zuletzt von serjena ()

  • Seid gegrüsst


    Ich habe dieses Buch in der Bibliothek als Benutzerwunsch eingereicht und es heute abgeholt.
    Obwohl ich noch nicht sehr weit gekommen bin, bin ich trotzdem schon froh, es nicht gekauft zu haben - dabei klang die Einleitung so vielversprechend!
    Naja, ich werde mal sehen, was noch daraus wird =D
    serjena: vielen Dank für deine Rezension!


    Herzlichst


    E.S.

    :study: Hjorth & Rosenfeldt - Die Toten, die niemand vermisst

    :musik: Die drei ???

    Bücher haben Macht
    Über dich lachen sie bloss
    Weil du trotzdem liest.

    :love:

  • Über dieses Thema hat sich schon Ephraim Kishon in seiner Kurzgeschichte "Wie man ein Buch bespricht, das man nicht gelesen hat" ausgelassen. Man kann ja nur hoffen, dass der Franzose nicht zu sehr gekupfert hat.

    Wenn du einen verhungernden Hund aufliest und machst ihn satt, dann wird er dich nicht beissen. Das ist der Grundunterschied zwischen Hund und Mensch.
    Zitat: Mark Twain

  • Seid gegrüsst


    Ich habe nun nach den ersten 50 Seiten das Buch weggelegt - so ein Quatsch!
    Also ich bin mehr als nur enttäuscht, zum Glück habe ich das Buch nicht gekauft (es hat ja einen recht stolzen Preis), sondern bloss in der Bibliotheke ausgeliehen.
    Ich gebe dem Buch bloss einen Stern - es hat mich üüüüberhaupt nicht zum Weiterlesen gebracht, und auch nicht das gehalten, was es versprochen hat.
    Schade schade, aber wenn ich es mir so überlege, ich will ja weiterhin Bücher lesen und sie nicht nicht lesen und darüber reden.


    Herzlichst


    E.S.


    @Ralph:Wie hat dir denn diese Kurzgeschichte gefallen?

    :study: Hjorth & Rosenfeldt - Die Toten, die niemand vermisst

    :musik: Die drei ???

    Bücher haben Macht
    Über dich lachen sie bloss
    Weil du trotzdem liest.

    :love:

  • Uff, ich müsste lügen, wenn ich behaupte, ich hätte sie gelesen. :lol: Nee, aber ich suche sie mal, sie müsste irgendwo in den Tiefen meines Regals so vor sich hinstehen. :D Nix für ungut, ich suche.

    Wenn du einen verhungernden Hund aufliest und machst ihn satt, dann wird er dich nicht beissen. Das ist der Grundunterschied zwischen Hund und Mensch.
    Zitat: Mark Twain

  • Wer kennt die Situation nicht – plötzlich, egal aus welchen Gründen – soll man über ein Buch sprechen, das man gar nicht kennt. Bestimmte Klassiker nicht gelesen zu haben, das geben manche Menschen nicht gern zu. Ein Buch, über das alle reden, nicht gelesen zu haben – kaum denkbar. Wie oft fühlt man sich als der Einzige, der ein bestimmtes Buch nicht gelesen hat? Pierre Bayard macht Mut. (Ich muss allerdings sagen, dass ich dieses "Problem" eher nicht habe. Ich lese viel, aber ich weiß, dass ich längst nicht alles gelesen habe. Diese Blendereien, die Bayard hier aber beschreibt, sind mir allerdings ehrlich gesagt aus meinen Studententagen vertraut, da gab's immer Leute, bei denen man dachte, sie hätten alles gelesen und wahrscheinlich stimmte das auch nicht... ;))
    „How to talk about books you haven’t read“ macht erstmal eines klar: Egal, wie viele Bücher man gelesen hat, es sind immer millionenfach mehr Bücher auf der Welt vorhanden, die man nicht gelesen hat. Es wird niemals möglich sein, alles gelesen zu haben, und von daher braucht man sich der Tatsache nicht zu schämen, dass man nicht alles kennt.
    Bayard knöpft sich verschiedene literarische Texte oder Aussagen von Schriftstellern (allen voran natürlich Oscar Wilde mit seinem berühmten Ausspruch: „I never read a book I must review; it prejudices you so.“) vor, an denen er aufzeigt, warum Lesen nicht immer der richtige Umgang mit einem Buch ist – man denke nur mal an die Gefahren, die ein Buch bergen kann (zum Beispiel die Gefahren durch ein Buch in der Bibliothek in „Der Name der Rose“), warum es manchmal ausreicht, den Autor zu kennen, um sich eine Meinung über ein bestimmtes Buch zu bilden, und vieles mehr.
    Bayard unterteilt Bücher, die man nicht gelesen hat, in folgende Kategorien: Bücher, die man nicht kennt, Bücher, die man überflogen hat, Bücher, von denen man gehört hat, und Bücher, die man gelesen aber wieder vergessen hat. Für jede Kategorie legt er da, warum man sich für solche Bücher nicht schämen braucht, ganz im Gegenteil, gerade Bücher, von denen man nur gehört hat, dienen Bayard zufolge ausgezeichnet dazu, um darüber zu reden – am besten mit jemandem, der sie auch nicht gelesen hat.
    Laut Bayard ist es völliger Blödsinn, dass man bereits als Schüler eingetrichtert bekommt, dass man ein Buch quasi auswendig kennen muss, um behaupten zu können, man habe es gelesen. Schülern werde kein Freiraum dabei gelassen, ihr eigenes Verständnis des Textes zu entwickeln, sie müssten immer buchstabengetreu an dem Buch bleiben, dies sei aber falsch und unnatürlich. Bayard, der selbst Professor für Literatur ist, ist der Meinung, dass Schüler und Studenten, die nur einen Teil des Textes oder etwas über den Text gelesen haben, sich selbst in den Text viel mehr einbringen und sich mehr Gedanken dazu machen, wie sie dazu stehen. Da ist vielleicht etwas Wahres dran…
    Was an Bayards „Ratgeber“ sehr kurzweilig ist, sind die vielen Romane, die er heranzieht, um verschiedene Formen des Nicht-Lesens und verschiedene Verhaltensweisen im Umgang mit Literatur aufzuzeigen. Erstens konnte ich dabei meine Wunschliste erweitern, zweitens finde ich es ganz interessant, wenn Literatur in Literatur beschrieben wird. Lustig finde ich dabei vor allem ein Spiel, das Bayard aus einem Roman von David Lodge entnommen hat und das „Demütigung“ heißt. Dabei muss der Spieler, der an der Reihe ist, ein Buch nennen, das er nicht gelesen hat, von dem er aber denkt, dass die anderen es gelesen haben. Für jeden Mitspieler, der das genannte Buch gelesen hat, bekommt er einen Punkt. Je mehr Bücher man also nicht gelesen hat, umso mehr Chancen hat man in dem Spiel, aber man macht auch seine Bildungslücken deutlich, woher wohl der Name des Spiels kommt.
    „How to talk about books you haven’t read“ ist interessant geschrieben und auch vom Inhalt her das Lesen wert, manchmal ist es aber etwas sperrig, sodass ich es über Wochen gelesen habe, weil ich nicht mehr als ein Kapitel am Tag gelesen habe. Trotz des lustigen Titels ist das Buch recht anspruchsvoll geschrieben und deswegen nichts, was man einfach so nebenher lesen kann. Dennoch lohnt es sich, sich auch mal über das Nicht-Lesen Gedanken zu machen, deswegen meiner Meinung nach schon eine Empfehlung wert. Man darf es einfach nicht zu ernst nehmen. ;)