Franz Fühmann - Barlach in Güstrow

  • Franz Fühmann (1922 - 1984) entwirft in seiner Barlach-Novelle das erschütternde Porträt des "verfemten, gehetzten, seiner öffentlichen Werke fast völlig beraubten, vom Berufsverbot bedrohten schwerkranken" Künstlers im "schlimmen Jahr" 1937, in dem Barlach schrieb: "Das am 24. Aug. im hiesigen Dom fortgeschaffte Ehrenmal, genannt 'Domengel', ist nun der vierte kirchliche Fall - erst Magdeburg, dann Kiel, Lübeck, dann Güstrow. Sämtliche Stücke in der Nationalgalerie sind ausgeräumt, und dabei wird es ja nicht bleiben..."
    "Zum Arbeiten werde ich auf absehbare Zeit nicht kommen, ins Ausland gehe ich nicht, im Vaterlande muß ich mich wie ein Emigrant fühlen - und zwar schlechter als ein wirklicher, weil alle Wölfe gegen mich und hinter mir heulen. Dabei soll man und muß sich vor Verbitterung und derlei unproduktiven Einstellungen bewahren."
    Und drei Wochen vorm Tode 1938: "Es ist kein Fall mit mir, der gemeldet werden müßte."


    Bislang kannte ich den Autor nur von Kinder- und Jugendbüchern (vor allem mit solchen über griechische Mythologie); jetzt denn ich ihn auch anders. Er erzählt einen (fiktiven) Tag des Künstlers Ernst Barlach (http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Barlach) im Jahre 1937. Er erzählt von den permanenten Drohungen der Faschistenschergen, lässt Barlach sich fürchten und verzweifeln - bis hin zum Suizid. Er lässt ihn durch die Güstrower Gegend irren, die Hoffnung auf ein anderes Deutschland gewinnen und verlieren und er lässt ihn schlußendlich, trotz aller Lethargie, trotz der Herzinfarkte, trotz seines Leidens, die Gewissheit bekommen, dass er kämpfen muss und das heißt, dass er arbeiten muss an seinem künstlerischen Werk um etwas der Nachwelt zu hinterlassen. Immer präsent ist sein Albtraum: Die Garrotte. Und so wirkt auch das Buch, das zu einem großen Teil aus dem Gedankenstrom des Künstlers besteht, immerzu wie die Würgeschlinge um den Hals, es erdrosselt regelrecht in seiner düsteren Darstellung, in seiner beklemmenden Atmosphäre voller (berechtigter) Angst aus der sich Barlach kaum lösen kann, allenfalls kurz davon erholen - um ihr wieder und wieder zu verfallen. Auch die Reflexion über das eigene Leben und Wirken, das ebenfalls einen beträchtlichen Teil des Werkes einnimmt, kann Barlach nicht von dieser Angst erlösen - ganz im Gegenteil: Es verstärkt eher das Entsetzen und lässt es unbegreiflich und unverzeihlich erscheinen, dass es soweit - bis zum Faschismus - gekommen ist.


    Hat mich positiv überrascht das Buch, hätte ansich nichts so Ausgegorenes und Atmosphärisches erwartet, dazu wird es noch ergänzt durch einige Abbildungen einiger interessanter Werke von Barlach.

    Warum ich Welt und Menschheit nicht verfluche?
    - Weil ich den Menschen spüre, den ich suche.

    - Erich Mühsam