Nick Hornby - Mein Leben als Leser / The polysyllabic spree

  • In "The polysyllabic spree" findet der Leser Nick Hornbys Kolumnen für das Magazin "Believer" aus dem Zeitraum September 2003 - Juni 2006.
    In seinem Vorwort beschreibt Hornby das grundlegende Prinzip, das hinter seiner Kolumne steckt: er versucht, den roten Faden in seinem Leseverhalten zu veranschaulichen und nutzt dafür verschiedene Methoden.
    Jedem Kapitel sind eine "Liste gekaufter Bücher" und eine "Liste gelesener Bücher" vorangestellt (welchen Leser wundert es, dass diese nicht wesentlich deckungsgleich sind). :wink:


    In seinen Texten erläutert er, welche Impulse ihn einerseits zum Kauf bestimmter Bücher führten und welche ihn schließlich zu der tatsächlichen Lektüre bewegten. Außerdem ist er sich auch nicht zu schade, von dem "entrückten Zustand des Rezensenten" zurückzutreten und seine monatlichen Lebensumstände ebenfalls berücksichtigend zu erwähnen. So stellt er es als naturgegeben hin, dass die Zeit für ein Lesevergnügen um die Weihnachtszeit oder während der Fußballsaison geringer ist. Überrascht schildert er jedoch, mit welcher Euphorie er gerade zur Zeit der Geburt seines Sohnes Bücher kauft und liest - jede Seite könnte für lange Zeit, die letzte sein, die er liest.


    Zu jedem gelesenen Buch liefert er eine kurze Zusammenfassung und subjektive Meinungsäußerung. Das Spektrum seiner Lektüre umfasst Romane, Biographien, Sachbücher, Klassiker, Comics aber auch Jugendbücher. Viele der vorgestellten Bücher kannte ich nicht, aber einige wenige hatte ich sogar schon gelesen und gemocht. Wie zu erwarten war, ist meine Wunschliste überproportional angewachsen!


    Mir gefällt die Art von Nick Hornby, seine Texte zu gestalten: sprachlich einfach, aber auf den Punkt mit Witz! Den nächsten Band werde ich mir definitiv ebenfalls besorgen.


    Wer ebenfalls stöbern möchte, kann auf der englischen Wikipediaseite die Listen bis August 2004 nachlesen: Polysyllabic spree
    Auszüge aus den Kapiteln (und die Listen) finden sich auf der Seite des Believers: Stuff I've been reading

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Im Oktober 2006 ist eine englische Fortsetzung erschienen: Housekeeping Vs. the Dirt: Fourteen Months of Massively Witty Adventures in Reading

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Und ich dachte immer, Hornby würde "nur" Romane schreiben! Es klingt auf jeden Fall interessant, ich werde mir den ersten Band in eine Buchhandlung mal genauer anschauen. :mrgreen:

  • Und ich dachte immer, Hornby würde "nur" Romane schreiben! Es klingt auf jeden Fall interessant, ich werde mir den ersten Band in eine Buchhandlung mal genauer anschauen. :mrgreen:


    Auch wenn es etwas offTopic wird:
    Nick Hornby hat u. a. auch das Buch "31 Songs" geschrieben, in dem er über 31 Popsongs schreibt, die ihm viel bedeuten. Das habe ich allerdings noch nicht gelesen, aber die CD zum Buch habe ich mir schon besorgt und auch das ein oder andere schöne Lied für mich entdeckt!

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Ich habe "Mein Leben als Leser" neulich zufällig in der Bibliothek entdeckt und gleich mal mitgenommen. Gestern während der Zugfahrt von der Uni nach Hause habe ich es beendet. Ich kannte zwar nur einige wenige Bücher, die Hornby in seiner Kolumne erwähnt, aber trotzdem war es äußerst amüsant zu lesen, was er zu allen Büchern zu sagen hatte. :lol: Besonders witzig fand ich immer wieder die Anspielungen auf die Mitarbeiter des "Spree" und ihre Art, sich zu amüsieren, bzw. die Welt zu sehen. :mrgreen:
    Ein wirklich lustiges und gleichzeitig sehr interessantes Buch. :thumleft:

  • Die Überschrift zu dieser Rezension könnte heißen: “The Complete Polysyllabic Spree – eine Liebeserklärung”. Ich habe dieses Buch in die Hand genommen und gedacht, dass es vermutlich eines dieser Bücher sein würde, in denen man immer mal wieder liest anstatt dass man wie gebannt von Seite zu Seite blättert. Das war so falsch! Ich habe das Buch gestern Abend begonnen, es quasi nur zum Schlafen kurz aus der Hand gelegt und heute gelesen und gelesen…
    Bei diesem Buch handelt es sich um eine Kolumne, die Nick Hornby von September 2003 bis Juni 2006 für die Zeitschrift “Believer” schrieb. Dabei geht es nicht unbedingt darum, Bücher zu rezensieren, sondern seine Lese- und Buchgewohnheiten darzustellen. Wie kommt man von einem Buch zum nächsten? Ist es Zufall, dass wir manchmal Bücher zu ähnlichen Themen hintereinander lesen? Wie suchen wir uns eigentlich die Bücher aus, die wir überhaupt lesen? Hornby geht sehr persönlich an seine Buchauswahl heran, man erfährt auch einiges über ihn, während man seine Kolumne liest. Sehr amüsiert hat mich seine Aufstellung der gekauften und gelesenen Bücher, die er immer an den Anfang der Kolumne stellt. Nicht nur, dass die Listen meistens höchstens in Teilen übereinstimmen, nein, sie sind in vielen Fällen auch sehr unterschiedlich lang.

    Zitat

    I don’t want anyone writing in to point out that I spend too much money on books, many of which I will never read. I know that already. I certainly intend to read all of them, more or less. My intentions are good. Anyway, it’s my money. And I’ll bet you do it too. (S. 12)

    Es ist eines von diesen Büchern, aus denen man Menschen laut vorlesen möchte. Manchmal war ich kurz davor, Freunde anzurufen. “Siehst du? Genau SO ist das!” Ich habe mich zurückgehalten. Was in dem Fall bedeutet, dass ich nur mit dem Buch geredet habe, beziehungsweise mit seinem Autor, dem es in den Ohren geklingelt haben muss. “Sie haben so Recht, Mr. Hornby!”, habe ich mich mehrfach denken und sagen hören. Sogar bei Aussagen, die ich zwar auch gern so ähnlich von mir gebe, die ich aber selber leider nicht befolgen kann, so wie diese:

    Zitat

    But please, if you’re reading a book that’s killing you, put it down and read something else, just as you would reach for the remote if you weren’t enjoying a TV programme. Your failure to enjoy a highly-rated novel doesn’t mean you’re dim [...]. All I know is that you can get very little from a book that is making you weep with the effort of reading it. You won’t remember it, and you’ll learn nothing from it, and you’ll be less likely to choose a book over Big Brother next time you have a choice. (p.6)

    Ich habe ja auch immer das Gefühl, dass ich alles auslesen muss, was ich beginne, aber ich finde es eigentlich ehrlicher, wenn Menschen das nicht machen. Und so folge ich Nick Hornby lachend, während er auch mal ein Buch durch die Wohnung schmeißt, weil er es so blöd findet.
    Wie kommt es eigentlich, dass wir Bücher lesen, die uns nicht gefallen? Hornby stellt für sich fest, dass er sehr oft Bücher liest, weil sie ihm empfohlen werden, weil er das Gefühl hat, er müsse sie gelesen haben und so weiter. Seinem eigenen Geschmack folgt er dabei nicht immer, und das kann nichts Gutes bedeuten. Seinen Versuch in einem Monat, doch mal ein Buch aus einem Genre zu lesen, das ihm gar nicht liegt, werde ich hier nicht nacherzählen, aber so viel sei gesagt: ich habe geweint vor Lachen.
    Es ist nicht dieses, von dem er hier in einer Buchhandlung angezogen wird (es handelt sich um ein Buch über Wanderfalken), aber diese Szene muss ich einfach jemandem “vorlesen”, ich liebe sie so sehr:

    Zitat

    For a moment, I ached to buy it – or rather, I ached to be the kind of person who would buy it, read it, and learn something from it. I mean, obviously I could have bought it, but I could also have taken the fifteen pounds from my pocket and eaten it, right in the middle of Borders, and there seemed just as much point in the latter course of the action as the former. (S. 167)

    Ich denke, dass jemand, der beruflich wirklich noch deutlich mehr mit Literatur zu tun hat als ich zum Beispiel, auch noch ganz anders in die literarische Welt eingebunden ist. Hornby ist nicht nur Leser, er ist nun mal auch Schriftsteller und er hat Freunde, die Schriftsteller sind (und Robert Harris ist sein Schwager, aber das nur am Rande). Man erwartet ein bestimmtes Leseverhalten von ihm, und manchmal kommt Hornby dem auch nach. Er hat außerdem, das muss man schon sagen, ein Faible für Klassiker, auch wenn er zwischendurch durchaus auch einfach mal Thriller liest. Eigentlich ist Hornby ein Allesleser (sogar Lyrik, das hat er mir wirklich voraus), und sein Maßstab für Romane ist häufig, inwiefern er sie glaubwürdig findet. Das fand ich interessant. Es geht mir zwar auch so, dass ich manchmal finde, dass Figuren sich irgendwie nicht so verhalten, wie man es im wahren Leben erwarten würde, aber Hornby hat natürlich noch einen viel geschärfteren Blick darauf – und das ist durchaus sehr unterhaltsam.
    Letzten Endes ist er aber ein Leser wie wir alle. Er ärgert sich über miese Klappentexte, die zu viel verraten:

    Zitat

    If you pick up the Penguin Classic edition [of "No Name" by Wilkie Collins], however, don’t read the blurb on the back. It more or less blows the first (fantastic) plot twist on the grounds that it’s “revealed early on” – but “early on” turns out to be page ninety-six, not, say, page eight. Note to publishers: some people read nineteenth-century novels for fun, and a lot of them were written to read that way, too. (S. 32)

    und er ärgert sich immer wieder, wenn er ein Buch kauft, das Lobeshymnen von überall bekommt, um dann festzustellen, dass er es grauenhaft langweilig findet. Und ich glaube, jeder von uns kennt auch dieses Problem:

    Zitat

    I ignored the most boring opening sentence I have ever read in my life and ploughed on, prepared to forgive and forget; I got halfway through before its quietness and its lack of truth started to get me down. I don’t mind nothing happening in a book, but nothing happening in a phoney way – characters saying things people never say, doing jobs that don’t fit, the whole works – is simply asking too much of a reader. (S.111)

    Es ist unheimlich interessant und lustig, Nick Hornby durch seine Leseerfahrungen zu folgen. Dabei bekommt man nicht nur den ein oder anderen Buchtipp mit auf den Weg, sondern man erfährt auch einfach viel über das, was Hornby sich generell zum Thema Literatur denkt. Ich würde gern noch viel mehr verraten, aber – nein, eigentlich möchte ich, dass dieses Buch einfach unendlich viele neue Leser findet.
    Loved it! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Danke, Strandläuferin, für die Rezi -
    auch wenn ich das Buch wohl eher nicht lesen werde ( :roll: ), denn ich lese Bücher über das Lesen nicht so wahnsinnig gerne, und in seinen Listen von 2003/2004 zum Buch stelle ich fest, dass ich außer Salinger, Vonnegut und Pete Dexter nicht viel mit ihm gemeinsam zu haben scheine (Julie Orringer z.B. macht auf mich keinen so großen Eindruck, als dass ich auch noch Hornby's Eindrücke zu dieser für meinen Geschmack definitiv zu hochgejubelten Romänchen-Schreiberin lesen möchte). Aber er scheint doch einiges im Verhalten der typisch Buchsüchtigen treffend hinzubringen :thumleft: .


    Beim Titel »The Polysyllabic Spree« musste ich sofort an die ober-enthusiatische Pop-Gesangsgruppe The Polyphonic Spree denken - und laut wikipedia (link sh. oben in Fezzigs Startbeitrag) hat Hornby seinen Buchtitel tatsächlich daran angelehnt. :loool:

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Sein und mein Beuteschema gleichen sich auch eher so gar nicht. Das war für mich in dem Fall nicht schlecht, sonst wäre meine Wunschliste vermutlich explodiert.

    Es gibt viele Bücher, die mir gut gefallen und deren Autor mich beeindruckt. Wenn dann in solchen Büchern wiederum andere Bücher erwähnt werden, wandern oftmals auch diese auf meine Wunschzettel (das war z.B. bei Indigo von Clemens J. Setz vor kurzem der Fall). Außer im BT und auf amazon.de habe ich noch weitere Wunschlisten auf anderen Web-Seiten angelegt, wo sich diese Empfehlungen bemerkbar machen - das nimmt kein Ende ... :lol:

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ich könnte mich bei Hornby's Reihe zum Folgeband Housekeeping Vs. The Dirt überreden lassen, denn da gibt es Themen wie »the definitive book on vile, abusive, misogynistic behaviour« :shock: , »Joshua Ferris manages to convey the mystery ?( and mundanity of office life - and make it funny, too« (ich habe den leisen Verdacht, dass Hornby noch nie in einem Büro gearbeitet hat, oder? :scratch: )

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog