Eva Menasse - Vienna

  • Kurzmeinung

    terry
    Eine Charakterstudie gut verpackt. Am Anfang des Buches leichte Verwirrung bei mir wegen der Verwandschaftsverhältnisse
  • Kurzbeschreibung laut Amazon:
    Von der Vergangenheit bleibt nur, was erzählt wird. Eva Menasse macht das Erinnern zum Ausgangspunkt des Erzählens und entwirft mit den fulminanten Geschichten einer Wiener Familie mit jüdischen Wurzeln den Bilderreigen einer Epoche. »Mein Vater war eine Sturzgeburt«: Kopfüber, wie die Hauptfigur, fällt der Leser in diesen Roman und erlebt, wie die Großmutter über ihrer Bridge-Partie beinahe die Geburt versäumt. So kommt der Vater der Erzählerin zu Hause zur Welt, ruiniert dabei den kostbaren Pelzmantel und verhilft der wortgewaltigen Familie zu einer ihrer beliebtesten Anekdoten. Hier, wo man permanent durcheinander redet und sich selten einig ist, gilt der am meisten, der am lustigsten erzählt. Fragen stellt man besser nicht, obwohl die ungewöhnliche Verbindung der Großeltern, eines Wiener Juden und einer mährischen Katholikin, im zwanzigsten Jahrhundert höchst schicksalsträchtig ist. So verschlägt es deren drei Kinder auf der Flucht vor den Nazis in die Welt. Während der eine in England Fußballer wird und der andere sich im Dschungel von Burma als Soldat durchschlägt, geht die schöne Schwester Katzi in Kanada verloren. Über sie wird später am Familientisch auffällig geschwiegen, lieber redet man vom legendären Onkel Königsbee, der mit Wortverdrehungen wie »Das ist nicht meine Dämone« unsterblich geworden ist. Doch als die Enkel beginnen, Fragen zu stellen, zerrinnt ihnen das einzige Erbe, der tragikomische Geschichtenfundus, zwischen den Fingern. Eva Menasse beeindruckt mit einem Ensemble hinreißender Figuren und unerwarteten Begebenheiten und zeigt wie nebenbei das Entstehen und den Zerfall von Familiengeschichte und Identität.


    Über die Autorin (Amazon):
    Eva Menasse, geboren 1970 in Wien, begann als Journalistin bei »Profil« in Wien. Sie wurde Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, begleitete den Prozess um den Holocaust-Leugner David Irving in London und arbeitete nach einem Aufenthalt in Prag als Kulturkorrespondentin in Wien. Sie lebt seit 2003 in Berlin. »Vienna« ist ihre erste literarische Veröffentlichung. Weiterer Titel: »Der Holocaust vor Gericht. Der Prozeß um David Irving«, 2000.


    Meine Meinung:
    An diesem Buch schienen sich die Geister zu scheiden, mir hats gefallen.
    Eva Menasse erzählt sehr anekdotenhaft, einzelne Familiengeschichten werden aneinandergereiht zu einem Roman. Diese Art, eine so umfassende Geschichte erzählen, mag zwar komisch anmuten, aber es funktioniert nach meinem Empfinden. Eva Menasse, die Schwester des Schriftstellers Robert Menasse, verpackt sehr viel in ihrer Erzählung: sie soll ein Familienroman sein, gleichzeitig ist aber Identität und die Verarbeitung der Kriegserlebnisse (auch seitens der nachfolgenden Generationen) ein großes Thema. Ein skurriles, tw. komisches Portrait einer jüdischen Wiener Familie, die viel von Menasses eigener Geschichte zu beinhalten scheint.

    Liebe Grüße,
    Azrael


    Aktuelles Buch: "Schwarz zur Erinnerung" von Charlene Thompson

  • Das klingt gut!
    Auf das Buch bin ich vor einiger Zeit schon einmal aufmerksam geworden. Da war ich auf Dienstreise und unterwegs im Zug hat meine Sitznachbarin dieses Buch gelesen. :wink:

    Liebe Lesegrüße
    Eure Süße
    :study::)


    Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren.

  • Finde es doch immer wieder gut, wenn ältere Beiträge hochgeholt werden.
    Bei diesem frage ich mich gerade wie es mir entgehen konnte. Ah, damals war ich noch kein Mitglied hier und habe nur sporadisch mitgelesen.
    Nun so hole ich das gleich mal nach und setze es auf meine LiB. :D


    Gruß Wirbelwind


    :study: Morten Ramsland, Hundsköpfe

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Eine jüdischstämmige Familie in Wien im 20. Jahrhundert steht im Mittelpunkt des Romans. Die Großmutter bringt in den 30er Jahren ihren Jüngsten auf einem Persianermantel zur Welt, weil sie nicht rechtzeitig mit dem Kartenturnier aufhören konnte, der Großvater ist in dubiose Geschäfte und Frauengeschichten verwickelt, und allmählich wird das Leben für Juden schwieriger.


    Während des Krieges werden die beiden Söhne sicherheitshalber nach England geschickt, wo der Jüngste sich als begabter Fußballer erweist und später entsprechend Karriere machen wird bis in die österreichische Nationalmannschaft hinein. Beide heiraten, lassen sich scheiden, heiraten erneut, Kinder kommen zur Welt, das Leben geht weiter nach dem Krieg in Österreich ...


    Schwer zusammenzufassen, diese Familiengeschichte, nicht zuletzt, weil Eva Menasse fast gänzlich ohne Namen auskommt. Die diversen Geschwister, Onkel, Tanten, Großeltern und Cousins zuzuordnen ist deshalb nicht immer ganz einfach, zumal die Zeitebenen ein wenig ineinander verschwimmen.


    Die Atmosphäre der beschriebenen Zeiten ist dafür wunderbar eingefangen, seien es die Kaffeehäuser in Wien vor dem Krieg, die Arbeitersiedlungen in England oder das moderne Leben der Enkelgeneration. Man setzt sich quer durch die Generationen immer wieder auf die eine oder andere Weise damit auseinander, was es nun eigentlich bedeutet, Jude zu sein, insbesondere nach dem Holocaust. Von völliger Integration ins "christliche" gesellschaftliche Leben bis zu intensiver Auseinandersetzung mit den politischen und religiösen Facetten ist alles vertreten.


    Nicht nur aufgrund der häufig auftauchenden (und in einem Glossar erläuterten) österreichischen bzw. Wiener Dialektbegriffe, sondern auch durch einen besonderen Humor hat das Buch viel (sympathisches) Österreich-Flair und hat mit zahlreichen skurril-witzigen Szenen schon manchmal beinahe etwas Irvinghaftes. Die Charakterzeichnungen, die sich aus oft absurd anmutenden Handlungen ergeben, haben mir auch gut gefallen, und ich hätte gerne noch etwas mehr über diese namenlos bleibende Großfamilie gelesen, die ich über 60 Jahre begleitet habe.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: