Warum dieser Boom des "Historischen Romans"?

  • Mal ne "bibliosoziologische" Frage zwischendurch:


    Was könnte eigentlich der Grund dafür sein, dass der
    "Historische Roman" zurzeit (und eigentlich schon länger)
    eine solche Blüte-Zeit erlebt wie seit den Tagen des
    seligen "Ben Hur" nicht mehr?
    Wohin man auch schaut und liest: Die Historien-Schinken
    schwimmen in der Gunst des breiten Lese-Publikums
    ganz obenauf, und die Verlage überall kommen kaum nach
    mit dem Druck ihrer vielen 500-1000-seitigen Wälzer über
    längst vergangene Leute und Zeiten.


    Historischer Bildungshunger? Realitätsflucht? Transzendenz-Ersatz?
    Oder sind einfach die anderen Belletristik-Sparten am Ende? :-)


    Gruss: Walter

  • hmmm, ist mir gar nicht aufgefallen. Vielleicht weil ich selbst Historische Romane nicht wirklich gerne lese und immer einen großen Bogen drum mache..
    Aber ebenso bommt doch Fantasy schon seit Jahren, und in Zeiten von "Herr der Ringe", "Narnia" und "Harry Potter" um so mehr.
    Ebenso wild geht es neuerdings in der populärwissenschaftlichen Ecke zu.. der Durst nach Populärwissen ist kaum zu stillen. Ich bin sicher in anderen Sparten gibt es ähnliche Phänomene, ich glaube nicht, dass man das nur auf einen Bereich so eingrenzen kann. Und warum nicht auch der historische roman, als nette Mischung aus Fantasy und Wissen

  • Stimmt, mir ist es aufgefallen...
    ich könnte mir vorstellen, das nach dem Erfolg von Bestsellern wie die Säulen der Erde viele Verleger erkannt haben, das die Menschen gerne in der Vergangenheit abtauchen, eventuell eine Weiterentwicklung der Märchenwelt? Da gings ja auch oft um Prinzessinnen und Burgen und so... kann das jetzt schlech erklären...
    Ich bin nicht (mehr) der große Historische-Romane-Fan, denn leider sind viel schlecht geschriebene Bücher dabei, so daß ich mittlerweile sehr mißtrauisch geworden bin. Aber es gibt auch sehr gute Ausnahmen dabei, und wenn ich das lese, freue ich mich total, denn man kann fantastisch abschalten...
    Hermia

  • Ich kann da nur für mich sprechen, aber was mir an - guten! - historischen Romanen gefällt, ist der Einblick, den man in die Vergangenheit bekommt. Und zwar nicht durch Sachtexte, sondern indem man mit Leuten aus dieser Zeit etwas "erlebt". Das finde ich sehr spannend.
    Bei mir muss es auch gar nicht immer gleich Mittelalter sein, ich mag zum Beispiel auch Petra Durst-Bennings "Antonias Wille" sehr, einen Roman, der Anfang des 20. Jahrhunderts spielt und damit auch irgendwie ein "historischer" Roman ist. :wink:

  • Die Frage ist manipulativ und somit meines Erachtens schon falsch. Der Effekt ist doch in jedem Genre zu beobachten. Bei Fantasy gibt es doch nicht nur HP. Wer mit der Reihe sehr zufrieden ist sucht doch schon nach Ersatz und hat ihn womöglich schon in Jasper Fforde gefunden :)
    Es ist häufig eine Schnittmenge, die uns zum nächsten Buch führt. Das kann Humor, Sprache, …, Spannung, Autor und/oder Phantasie sein. Beispiel Dan Brown. Vor "Illuminati" hätte niemand auch nur einen Brotkrumen von ihm genommen. Viele haben sogar mit "Sakrileg" angefangen und einige haben sich hinters Licht führen lassen und sogar "Diabolus" gekauft. So viele Bücher hat er aber noch nicht geschrieben, also halten die Fans nach vergleichbaren Büchern Ausschau. Bei Frank Schätzing sieht die Sache nicht viel anders aus. Nur hatte er glaube ich einpaar mehr Ladenhüter in der Hinterhand.
    Als Leser möchte ich mich beim Lesen wohl fühlen(zu Hause) und obwohl das nächste Buch wieder ein anderes Buch und somit neu ist, sollte da möglichst die Chemie stimmen. Der Buchhandel nutzt dies doch nur aus, indem er sehr viele Bücher in jedem Genre zur Verfügung stellt. Die Qualität ist ihm egal. Für ihn ist es fatal, wenn sich ein sehr gutes Buch nicht so einordnen lässt (sonstiges, Erzählungen, ...).

  • Zitat

    Historischer Bildungshunger? Realitätsflucht?


    Sowohl als auch, würde ich sagen.
    In der Schule fand ich den Geschichtsunterricht nicht übermäßig prickelnd, was teilweise am Unterrichtsstoff (immer nur Politik und Kriege) und teilweise am Lehrer (ein Langweiler) lag. Dass ich mich jetzt im Hinblick auf geschichtliche Themen als einigermaßen gebildet bezeichnen darf, liegt sicherlich an meiner Lektüre guter historischer Romane (Rebecca Gablé, Sabine Weigand, Frederic Berger). Durch diese Lektüre wird man auch angeregt, Sachbücher über historische Themen zu lesen.


    Realitätsflucht spielt auch eine Rolle. Schließlich bieten historische Romane ein willkommenes Kontrastprogramm zum Leben im 21.Jahrhundert.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ist Bücherlesen nicht fast immer eine Art Realitätsflucht? Die wenigsten Romane haben etwas mit meinem Leben zu tun. Denn da werden weder reihenweise Leute umgebracht, noch treffe ich mich mit Elfen und Kobolden.. ja ich habe noch nicht mal italienische Verwandte, die mich zu Tode füttern wollen ;)


    Wenn man im Lesen historischer Bücher unbedingt einen negativen Aspekt sehen will, dann vielleicht den, dass wir uns aus der Bequemlichkeit der heutigen Zivilisation heraus gemütlich zurücklehnen und mit einem angenehmen Schauer lesen, unter welchen schlimmen Umstände viele Menschen damals leben mussten. Aber das ist bei Krimis ja letztlich ähnlich.