>Gebrandmarkt. Das Schicksal Vera Brühnes Tochter zu sein< von Sylvia Cossy

  • Schuldlos wird Sylvia Cossy in die tragischen Ereignisse verstrickt, die um ihre Mutter Vera Brühne heraufbeschworen sind. Sie wird zum Opfer von Sensationsreportern und gerät in die Mühlen der Justiz. Ihr Leben hat sich von einem Tag zum anderen völlig verändert.
    Sie ist gebrandmarkt. Doch wie Sylvia Cossy ihr Schicksal als Ausgestossene bewältigt - das macht dieses Buch zu einer ergreifenden Lebensbeichte unserer Zeit. (Klappentext)


    Bevor ich auf das Buch zu sprechen komme, möchte ich zuerst einmal einen Zeitungsartikel hierher kopieren, denn ich gehe davon aus, dass hier sicher einige überhaupt nicht wissen wer Vera Brühne war, und was damals passiert ist.


    4.6.1962: Lebenslänglich für Vera Brühne


    "Im Namen des Volkes ergeht Urteil. Ferbach Johann, verwitweter Facharbeiter, und Brühne, Vera Maria, geschiedene deutsche Hausfrau, sind schuldig in Tateinheit des gemeinsamen Doppelmordes. Sie werden zu lebenslanger Zuchthaushaft verurteilt."


    "Aber ich bin doch unschuldig", stöhnt Vera Brühne, dann bricht sie auf der Anklagebank zusammen. Der Mann neben ihr, Johann Ferbach, nimmt das Urteil mit versteinertem Gesicht entgegen.


    Es ist der 4. Juni 1962. Die Urteilsbegründung liest sich wie ein Filmdrehbuch. Danach sind Brühne und Ferbach am 19. April 1960 zur Villa des Münchner Arztes Dr. Praun gefahren, um ihn zu ermorden. Vera Brühne war seine Geliebte gewesen und von ihm in einem Testament großzügig mit einem spanischen Landhaus bedacht worden. Aber nur, wenn Praun es nicht vorher verkaufen würde.


    Genau das aber hatte der Arzt vor. Und seine Ex-Geliebte damit ein klares Motiv für den Mord. Ihr Jugendfreund Ferbach habe sich davon ein gemeinsames Leben auf dem spanischen Grundbesitz versprochen, hieß es.


    Ein Krimi also, wie im Kino, jedoch mit Schönheitsfehlern. Die Polizei sicherte am Tatort keine Spuren, Widersprüche wurden nicht aufgeklärt, die Münchner Staatsanwaltschaft schien es mit der Lösung dieses Falles eilig zu haben. Für sie kam nur die Erbin als Täterin in Frage.


    Brühne und Ferbach waren von drei Personen belastet worden. Brühnes Tochter Silvia hatte der Polizei erzählt, dass ihre Mutter ihr den Mord gebeichtet habe. Vor Gericht widerrief sie die Aussage. Zeuge Nummer Zwei war ein Mithäftling Ferbachs, Siegfried Schramm. Er sagte unter Eid aus, dass Ferbach ihm in der Zelle die Tat gestanden habe. Dritte Belastungszeugin war Renate Maier, die Sprechstundenhilfe des ermordeten Arztes. Sie beschwor, dass Praun sich am Gründonnerstag in seinem Haus mit Vera Brühne treffen wollte.


    Als nach dem Urteil bekannt wurde, dass der Kronzeuge Schramm ein Polizeispitzel war, suchten Journalisten nach möglichen anderen Mördern von Dr. Praun. Sie fanden heraus, dass der Arzt, der eine Abtreibungspraxis betrieb, vor und nach 1945 Geheimdienstkontakte hatte und in Waffengeschäfte verwickelt war. Das bestätigte auch das Düsseldorfer Landeskriminalamt, das seine Ermittlungen aber urplötzlich nach München abgeben musste.


    Warum, das wurde klar, als ein Zeuge auftrat, der vom Fach war. Roger Hendkes, Agent des BND. Er gab im September 1967 bei der Bonner Staatsanwaltschaft zu Protokoll, dass er noch Stunden nach der vom Gericht angenommenen Tatzeit den Arzt Dr. Praun lebend gesehen habe.


    Am Karfreitag um 1.00 Uhr früh sei er mit seinem damaligen Chef, dem persönlichen Referenten des Verteidigungs-Ministers Franz-Josef Strauß, und einem dritten Mann zu Dr. Praun nach Pöcking gefahren. Geschossen habe jedoch der dritte, dessen Identität Hendkes noch nicht lüften wollte.


    Diese Enthüllungen schlugen in der Öffentlichkeit wie eine Bombe ein. Haftentlassung und ein neues Verfahren für Brühne und Ferbach schienen so gut wie sicher. Doch es passierte nur eines. Hendkes wurde gestoppt. Ein Münchner Gericht machte ihm wegen uneidlicher Falschaussage den Prozess. Die Strafe von 8.000 Mark sowie die Prozesskosten übernahm später der Bundesnachrichtendienst, und Hendkes musste sich verpflichten, sein Wissen künftig für sich zu behalten.


    Andere Zeugen, die verblüffende Aussagen machten, wurden durch einen überraschenden Tod an der weiteren Aufklärung gehindert. Prauns Sprechstundenhilfe Renate Maier, eine Kronzeugin der Anklage, war tot, kurz nachdem sie 1969 einem Reporter unter Tränen ihre Falschaussage in dem Prozess gestanden hatte. Ein Freund des BND-Agenten Roger Hendkes, der sich die Akte Dr. Praun beim BND besorgen wollte, wurde 1971 in einem Wald bei Pullach vergiftet aufgefunden.


    Jahre später gab BND-Agent Hendkes einen Hinweis auf den dritten Mann. Hendkes behauptete, der Straußvertraute Karl-Helmut Schnell habe bei der Ermordung Dr. Prauns die Fäden gezogen. Aber die Münchner Justiz interessierte sich nicht dafür, und für den einfachen Bürger war Vera Brühne von Anfang an schuldig nach dem Motto. "Wer in diesem Alter noch Männer hat, mordet auch Männer".


    Im Juli 1970 verstarb Johann Ferbach in Haft an Herzversagen. Vera Brühne wurde von Franz-Josef Strauß nach 18 Jahren Haft begnadigt.


    Quelle: Autorin Mechthild Brockamp



    DAS ist der "Fall Vera Brühne", der mich über Jahre hinweg beschäftigt-und interessiert hat. Ich habe vieles (in den letzten Jahren auch im Internet) dazu gelesen, und immer meine Zweifel an der Schuld Vera Brühnes gehabt.
    Auch *hier* wurde von mir bereits ein Buch zum Thema vorgestellt.


    Um auf das Buch von Sylvia Cossy zurückzukommen; ich habe es über viele Jahre hinweg vermieden, dieses Buch zu lesen, da ich kein Verständnis für eine Tochter aufbringen konnte, die ihre Mutter durch leichtsinniges Gerede (so dachte ich) für viele Jahre ins Gefängnis brachte.
    Aber, um doch ein objektives Bild zu bekommen, fand ich es notwendig, auch ihre Sicht der Geschehnisse kennenzulernen.
    Sylvia Cossy hat ihr Buch ein Jahr nach der Haftentlassung ihrer Mutter veröffentlicht, also 18 Jahre nach der Verurteilung.
    Sie erzählt von ihrer Kindheit, ihrer Jugend, wie naiv sie damals war, und wie es zu den Zeitungsartikeln kam:
    Sie hat mit zwei Jugendfreunden die Morde "durchgespielt", will heissen, sie haben die angebliche Tat, mit all ihren Möglichkeiten nur in der Theorie besprochen, wie es hätte sein können......sie sagt selbst dazu: "Mörderspiele mit dem falschen Freund".
    Vera Brühne hat ihr die Morde nie gestanden, da sie diese, wie gesagt nie begangen hat, und bis zum Zeitpunkt ihres Todes (Vera Brühne starb 2001 mit 91 Jahren) immer ihre Unschuld beteuert hat.
    Ich verstehe nun ihre Sicht der Dinge etwas besser, aber Verständnis kann ich immer noch nicht für sie aufbringen.


    Der Brühne-Tochter Sylvia rissen Reporter sämtliche Fotos und Briefe der Angeklagten aus den Händen. Die von der Persönlichkeit ihrer Mutter Erdrückte witterte jetzt die Chance, endlich ins Licht zu treten, und trug zwei Journalisten haarklein ein angebliches Mordgeständnis ihrer Mutter vor. Später widerrief sie alles - da glaubte ihr keiner mehr. Wer log? Das Kind? Die Mutter? Sylvia wurde nicht alt. Sie starb nach einem kurzen, aus den Fugen geratenen Leben an Zungenkrebs.
    Zitat: Sabine Rückert (Reporterin)


    Es ist wohl so, dass eine Klärung der Morde nach so langer Zeit nicht mehr möglich ist, alle Beteiligten sind tot, und daher bleibt alles nur Spekulation.
    Aber damals wie heute denke ich, für Vera Brühne und Johannes Ferbach hätte es heissen müssen......."in dubio pro reo" - "Im Zweifel für den Angeklagten"


    Gruss Bonprix ;)


    [Blockierte Grafik: http://www.directupload.net/images/060623/temp/noGi4aL8.jpg]