Albert Camus - Die Pest / La Peste

  • Dass man diesen Roman, 1947 erschienen und über 70 Jahre lang als Anti-Kriegsroman gedeutet, heute mit einem neuen Blick betrachten kann und feststellt, dass seine Aussagen auch in dieser unserer Zeit gültig sind --- ist es nicht großartig, dass Literatur dazu fähig ist?

    Dieser Satz hat das Buch jetzt mit Wucht auf meine Wunschliste geschoben und dort wird es wohl nicht lange bleiben. Ich danke Dir, auch zu deiner Empfehlung zur aktuellen Übersetzung :D

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Empfehlung zur aktuellen Übersetzung

    Normalerweise würde ich Dir mein Exemplar gerne ausleihen, aber in diesem Fall tue ich Dir keinen Gefallen.:( Ich habe eine ganze Woche an den 250 Seiten gesessen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Empfehlung zur aktuellen Übersetzung

    Normalerweise würde ich Dir mein Exemplar gerne ausleihen, aber in diesem Fall tue ich Dir keinen Gefallen.:( Ich habe eine ganze Woche an den 250 Seiten gesessen.

    Danke :friends: Aber deine Aussagen zur Übersetzung sind ja eindeutig. Und meine kleine Buchhandlung soll diese Zeit überleben, also werde ich es morgen direkt bestellen. :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • ### Inhalt ###

    Oran an der algerischen Küste in 1940er Jahren. Das Erscheinen von Ratten wird zunächst für einen Scherz gehalten. Es gibt erste Todesfälle. Die lokale Ärzteschaft muss nach vielem ungläubigen hin und her feststellen, dass es sich um einen Pestausbruch handelt. Die Stadt wird isoliert. Niemand kann mehr hinein oder hinaus. Nahezu alle öffentlichen Gebäude müssen mit der Zeit in Krankenhäuser verwandelt werden. Es gibt viele Tote und es werden mehr und mehr. Ein anderer lokaler Arzt unternimmt den Versuch, einem Impfstoff zu entwickeln. Wir erleben das Voranschreiten der Pest aus der Sicht vieler Stadtbewohner. Rambert, der Jorunalist, der permanent einen Plan ausheckt, um die Stadt zu verlassen, um seine Geliebte in Paris wiederzusehen. Grand, ein niedriger Beamter, dessen Leidenschaft eigentlich dem Schreiben gilt. Cottard, ein alter Mann, der Selbstmord begehen will aus Angst vor seiner dunklen Vergangenheit. Tarrou, ein reicher Bohemien, der in seinem Tagebuch viele Eindrücke und Anekdoten der Stadt festhällt, Paneloux, der Priester und Othon, der Richter. Der Arzt Bernhard Rieux beginnt seinem Eid folgend zusammen mit den zuvor genannten Personen den unermüdlichen zermürbenden Kampf gegen diese Seuche.


    ### Meinung ###

    Am auffälligsten war die Erzählerstimme für mich. Sie erzählt um Neutralität und Abstand bemüht von den Geschehnissen in der Stadt. Oft scheint mir aber auch immer wieder etwas Spott über die Menschen im Umgang mit der Pest durchzublitzen. Der auktoriale Erzähler hat immer wieder einen Hang zum poetischen, in dem banale Sachverhalte öfters kunstvoll mit anderen Worten wiederholt werden, das Leben der Menschen, ihr Treiben und Schaffen in den Cafés und Bars der Stadt, ihre Stimmungen und Hoffnungen. Das ganze wirkte "film noir"-haft auf mich. Ich bin einmal mitten im Lesen eingeschlafen - das dazu.

    Die Charaktere und ihre Ansichten wirken oft skurril auf mich. Tarrou zum Beispiel will sich mit Rieux anfreunden und erzählt ihm nach einem anstrengenden Arbeitstag von sich. Wir erfahren, dass er seine schweigsame Mutter sehr liebte, dass er sich von seinem Vater, der Staatsanwalt war, distanziert hat, da dieser sich als gnadenloser Menschenlebenzerstörer erwies. Er redet lyrisch von den "Verpesteten", zu denen er auch schon vor der Pest in Oran gehörte, und von dieser Verpestung will er sich befreien und zu einem Heiligen werden, in dem er sich von nun an immer auf die Seite der Schwachen stellen will. Grand ist nicht weniger skurril: In einem ruhigen Moment erzählt er seinen Mitstreitern, dass er einen Roman schreiben will. Er ist aber seit Monaten noch nicht über den ersten Satz hinweggekommen und leidenschaftlich setzt er seinen Freunden jedes Wort auseinander, tauscht Wörter immer wieder aus und ist doch nicht zufrieden. Und so bekommen wir in kleinen skurrilen Episoden immer wieder andere Charaktere vorgestellt. Dazwischen geht der Kampf immer weiter und es sterben Menschen, dass Sterben bildet allerdings immer eher Hintergrund und Kulisse mit der Ausnahme der erschütternden Schilderung des Todeskampfes des Kindes von Othon.


    ### Fazit ###

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Skurrile Charaktere. Teilweise rührend und eindrücklich, ansonsten ermüdende Erzählweise mit häufigen Wiederholungen. Eine graue Welt, in der die dürftige Handlung dahinplätschert.

    Der ideale Tag wird nie kommen. Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen. -- Horaz


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  • Der auktoriale Erzähler

    Es ist kein auktorialer Erzähler, im Gegenteil.

    Ja, Dein Spoiler stimmt natürlich, aber ich habe mal zufällig die Seite 79 aufgeschlagen:

    Zitat

    Manche von uns ließen jedoch nicht davon ab, zu schreiben und sich unentwegt Tricks auszudenken, um mit der Außenwelt in Verbindung zu treten, die sich am Ende immer als illusorisch erwiesen. Selbst wenn einige der Mittel, die wir uns ausgedacht hatten, erfolgreich waren, wussten wir nichts davon, da wir keine Antwort bekamen

    Ich frage mich: Wer ist "wir" und "uns". Wieso glaubt der Erzähler immer stellvertretend für alle erzählen zu können, was sie denken und fühlen?


    Gut, auf Seite 82 schreibt der Erzähler:

    Zitat

    So brachte die Pest unseren Mitbürgern als Erstes das Exil. Und der Erzähler ist überzeugt, dass er hier im Namen aller schreiben darf, was er selbst empfunden hat, da er es ja mit vielen unserer Mitbürger zugleich empfunden hat.

    Ein läppischer literarischer Kunstgriff, um seine Allwissenheit zu verbergen.


    Zufällig Seite 266 aufgeschlagen:

    Zitat

    Aber in jedem Jahr wollte niemand mehr an die Toten denken. Man dachte ja schon zu viel an sie. Und es ging nicht mehr darum, sie mit etwas Kummer und viel Wehmut aufzusuchen. Sie waren nicht mehr die Vernachlässigten, zu denen man an einem Tag im Jahr kommt, um sich zu rechtfertigen. Sie waren die Störenfriede, die man vergessen will.

    etcetc.

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  • Ein läppischer literarischer Kunstgriff, um seine Allwissenheit zu verbergen.

    Bitte entschuldige, Aladin 1k1, ich fürchte, diese Meinung kann mein Empfinden nicht unkommentiert stehen lassen. Ein "läppischer literarischer Kunstgriff" ist das sicher nicht.

    Ich finde es absolut okay, wenn jemand mit einem Buch nichts anfangen kann, weil er es doof findet, oder ihm Thema und Stil des Autors nicht zusagen. Aber es ist etwas anderes - zumindest in meinen Augen - ein Stilmittel bzw. die Qualität eines Romans an sich anzuzweifeln oder anzugreifen.

    Tut mir leid, das musste ich jetzt schreiben, denn Camus ist ganz besonders für mich.

    signed/eigenmelody

    Dear Life,

    When I said "Can my day get any worse?" it was a rhetorical question, not a challenge.

    -Anonymous

  • Kannst Du gerne machen, eigenmelody. Jeder kann hier frei seine Meinung äußern.

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