Nikola Vertidi - Unerbittliches Kreta

  • Lange Schatten der Vergangenheit ...


    Eleni, eine junge Bloggerin hat Streit mit ihren Eltern, weil sie sich gegen die Bevorzugung ihres Bruders, der im Haushalt keinen Handgriff machen muss, auflehnt. Sie steigt allein und ohne auf das Wetter zu achten, in die gefürchtete Samaria-Schlucht ein. Natürlich wird sie von einem Unwetter überrascht und entdeckt von den Regenfällen freigelegte menschliche Knochen.


    Hyeronimos Galavakis übernimmt die Ermittlungen. Zuerst muss einmal die Identität der Knochen festgestellt werden, was nicht ganz so einfach ist. Es stellt sich nämlich heraus, dass die Gebeine mehr als 70 Jahre alt sind. Die wenigen Spuren, die Hyeronimos Galavakis mithilfe von Eleni und der Gerichtsmedizinerin Penelope Demostaki entdeckt, führen in die Jahre 1941 bis 1943, in denen Griechenland von den Truppen der deutschen Wehrmacht besetzt war. Eine Zeit, in der viele Kreter zu Partisanen wurden und die Besatzer zu drastischen Vergeltungsmaßnahmen gegriffen haben. Wer ist das Skelett nun? Kreter oder Deutscher?


    Noch bevor diese Frage geklärt werden kann, kommt es zu weiteren Verbrechen, die möglicherweise mit der Vergangenheit zu tun haben.


    Während der der Ermittlungen muss sich Hyeronimos Galavakis der Vergangenheit seiner eigenen Familie stellen.


    Meine Meinung:


    Dieser Reihenauftakt rund um den kretischen Kommissar Hyeronimos Galavakis hat mir recht gut gefallen.


    Wir treffen hier auf zwei höchst unterschiedlichen Persönlichkeiten, die dann doch einiges gemeinsam haben: Eleni, die junge Bloggerin, die ihrem eigenen Kopf hat, in der Familie als störrisch gilt und gegen die Ungerechtigkeit kämpft, dass der faule Bruder bevorzugt wird, während sie, die intelligentere, lediglich für Arbeiten im Haushalt herangezogen wird. Sie will es allen beweisen, dass sie mehr kann als Staub wischen und die männlichen Familienmitglieder bedienen.


    Hyeronimos Galavakis gilt als verschrobener Kauz und wird in seiner Dienststelle ziemlich scheel angesehen. Seine Arbeit verrichtet er gewissenhaft, wenn auch manchmal mit unkonventionellen Methoden. Er wird von Migräne- und Panikattacken gequält und ist an jedem 13. Monats arbeitsunfähig. Psychologische Hilfe, wie ihm Penelope rät, will er nicht annehmen. Einige seiner „Macken“ deuten auf das Asperger-Syndrom hin.


    Diese beiden Charaktere treffen nun aufeinander und ermitteln gemeinsam. Dass dies möglich ist, erscheint ein wenig befremdlich und hat mich anfangs irritiert. Aber, andere Länder, andere Sitten.


    Für mich sehr interessant sind die Ausflüge in die historische Vergangenheit, da ich über die Balkankriege und die Invasion der deutschen Truppen nur wenig weiß. Dieser Krimi bringt mich nun dazu, diese Wissenslücken schließen zu wollen.


    Die Autorin Nikola Vertidi hat in diesem Reihenauftakt einen spannenden Aspekt eingebracht: Epigenetik. Wie stark beeinflussen unbewältigte Erlebnisse der Vorfahren die Nachkommen in der Gegenwart? Denn, wenn man weiß, dass eine der zahlreichen blutigen Vergeltungsmaßnahmen der NS-Truppen an einem 13. stattgefunden haben, lässt sich unschwer ein möglicher Zusammenhang herleiten.


    Nur, welcher?


    Sie spricht auch die nicht ganz einfachen deutsch-griechischen Beziehungen an. Deutsche sind als Touristen und Geldlieferanten oftmals nur geduldet. Griechen, die in Deutschland arbeiten, biedern sich nach der Meinung einiger Landsleute, auch mehr als 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg dem Feind an.


    Die Autorin erzählt eine fesselnde Geschichte, in der die Ereignisse der Vergangenheit maßgeblich Auswirkungen auf die Gegenwart haben, denn Patriotismus vergisst nicht.


    Fazit:


    Diesem fesselnden Krimi-Debüt gebe ich gerne 4 Sterne und freue mich, schon auf die vier bereits erschienen Fortsetzungen.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)