Franzi Kopka - Honesty. Was die Wahrheit verbirgt

  • Ich habe “Honesty” von Franzi Kopka als Hörbuch, gelesen von Marylu Poolman, des Argon Verlags gehört - vielen Dank für die Rezensionskopie! “Was die Wahrheit verbirgt” ist der erste Teil einer Trilogie, der im Staat Sestiby spielt. Hier herrscht nach Krieg und Krankheit nun endlich Frieden - gewährleistet durch eine behütende KI und ein Medikament, das Lügen schmerzhaft unmöglich macht. Aber auch starke negative Emotionen gibt es in dieser Welt nicht. Nur Mae scheint irgendwie kaputt zu sein und leidet unter emotionalen Überreaktionen. Nun lanciert die Regierung ein Partnerprogramm, für das ein Haufen junger Erwachsener in Camps zusammen gesteckt werden, um sich kennen zu lernen und sich verschiedenen Tests zu unterziehen.


    Fangen wir mit dem positiven an! Der Schreibstil von Kopka ist angenehm zu lesen (bzw. zu hören). Die Geschichte wird ausschliesslich aus Maes Perspektive erzählt und bleibt glaubwürdig bei ihrer Wahrnehmung, verzichtet aber angenehmerweise auf übermässige selbstzweiflerische und/oder romantische Gedankenmonologe. Mae als junge Frau, die von sich selbst annimmt, kaputt zu sein, hat mir gut gefallen: Ihr Charakter und später ihre Entwicklung, als sie mehr Einsicht in das System gewinnt, fand ich glaubwürdig und nachvollziehbar umgesetzt.


    Was mich nicht wirklich überzeugen konnte, ist das Worldbuilding. Eine Gesellschaft die nicht lügt und keine starken Emotionen erlebt - ok, das klingt eigentlich spannend. Ich fand es aber lange Zeit merkwürdig, dass die Menschen offenbar keine Probleme haben, Liebe zu empfinden. Eine sehr starke Emotion. Oder vor Freude kreischen und auf und ab hüpfen. Nun wird später erklärt, dass nur die negativen Emotionen gedämpft werden. Aber das ist der Punkt: Es musste erklärt werden. Und kam für mich viel zu spät. Ausserdem wäre mir beim Lesen nicht aufgefallen, dass es überhaupt Unterschiede zwischen Mae und den anderen gab, wenn sie es nicht die ganze Zeit betont hätte. Ausserdem gibt es durchaus Charaktere, die starke Abneigung und sogar etwas wie Misstrauen, jedenfalls Missgunst zeigen und klar ausdrücken. Und fluchen.

    Die ganze Sache mit dem Partnerschaftscamp fand ich ausserdem etwas an den Haaren herbeigezogen. Wenn schlussendlich sowieso der Algorithmus für die Auswahl ausschlaggebend ist, wieso sich die Mühe machen, alle in ein teures Camp zu stecken? Die Checks hätten ja auch in den einzelnen Bezirken abgehalten werden können. Diese erinnern übrigens sehr stark an Divergent und wirken auf mich doch etwas abgekupfert.

    Und dann gibt es da noch die Romanze… Äusserlich finde ich sie zwar gut gemacht und transportiert. Allerdings hat sich mir nicht erschlossen, weshalb sich die beiden eigentlich ineinander verlieben. Ich kann erahnen, was sie an ihm findet. Kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, was er an ihr findet. Das kam für mich jedenfalls ziemlich aus dem Nichts und wirkte mehr wie ein “tick the box”.


    Alles in Allem lässt sich “Honesty” zwar gut hören - weil es eben handwerklich gut und ansprechend vorgetragen ist (schriftlich und sprachlich). Inhaltlich war mir aber vieles zu konstruiert, um mich wirklich in die Geschichte reinzuziehen. Da wurde mir zu viel erklärt, anstatt erlebbar erzählt. Und als es dann endlich doch noch spannend wurde, hörte das Buch mit einem fiesen Cliffhanger mitten in der Handlung auf. Und das ist so gar nicht mein Ding. Schlaflose Nächte habe ich deshalb aber nicht. Und ob ich den nächsten Teil lese, steht noch in den Sternen.