Rebecca F. Kuang - Yellowface

  • Die letzte Front


    Juniper „June“ Song Hayward und Athena Liu sind beide in ihren literarischen Anfängen, doch während die eine für ihre Romane gefeiert wird, wird die andere kaum beachtet. Juniper hat dafür eine einfache Erklärung, denn als normale weiße Frau hat sie es im Gegensatz zur chinesisch-amerikanischen Autorin Athena schwer in einer Autorenwelt, die Diversität fördert.

    Doch dann wird June Zeugin eines tragischen Unfalls, dem Athena zum Opfer fällt. Noch in der Nacht stiehlt June Athenas neustes Manuskript über den ersten Weltkrieg, das die Sicht der chinesischen Arbeiter in den Fokus nimmt.

    Juniper verliert sich in der Welt, überarbeitet das Manuskript und veröffentlicht es unter ihrem Namen „Juniper Song“. Denn Juniper ist sich sicher, dass dieses Werk den Ruhm verdient und sie auch. Doch es lauern Gefahren und das Geheimnis gilt gehütet zu werden. Wie weit wird Juniper für diese Lüge gehen?


    Yellowface von R.F. Kuang ist ein unglaublich dichter Roman über das Leben einer Autorin, deren größter Wunsch es ist ‚gesehen zu werden‘. Dabei wird der Lesende auf eine Reise durch die eigene Moralvorstellung geschickt, die Suche nach der Wahrheit gestartet und die Grenzen von Diebstahl unter die Lupe genommen.


    Juniper „June“ Song Hayward ist eine komplexe Protagonistin, die nicht unbedingt durch Sympathien überzeugen kann. Ihr Charakter ist schwierig, einige Gedanken/Handlungen sind kaum zu entschuldigen, andere verständlich und manchmal kommt dann sogar Mitleid für sie auf. Juniper schickt uns durch eine Gefühlswelt, lässt uns sprachlos zurück und gedanklich nie abschalten. 

Das Grausamste daran ist: wir finden die Gegenwart in Yellowface wieder. Bedrückend muss man erkennen, dass vieles davon wirklich passieren kann und einiges täglich passiert, nicht June, nicht Athena aber vielen, vielen anderen Menschen.


    Yellowface lässt einem atemlos zurück, in kürzester Zeit liest man eine Geschichte, die so komplex, aber doch leicht zu lesen ist. Die das Gedankenkarussell startet und vor allem über die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion nachdenken lässt.

    Nichts bleibt unausgesprochen, keiner bleibt sauber, alles wird hinterfragt! Ein schonungslos ehrlicher Roman, der dabei auch noch unterhalten kann.


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  • Stimmt nachdenklich


    Yellowface ist ein großartiger Roman, der nachdenklich zurücklässt. Man bekommt mit Juniper eine der kontroversten Protagonistinnen über die ich in den letzten Jahren gelesen habe! Obwohl sie arg unsympathisch und ihr Handeln moralisch total verwerflich ist, schafft es Kuang, dass man sie trotzdem irgendwie auch versteht. Sie ist eine wandelnde Graustufe und damit wesentlich interessanter als reinweiße Held:innen und nur schwarze Antiheld:innen. (In Bezug auf den Charakter, nicht die Hautfarbe! Bei der Hautfarbe ist es ja gerade der Witz, dass June weiß ist, aber so vermarktet wird, dass sie auch asiatisch sein könnte.)
    Außerdem bekommt man eine volle Ladung Kritik an der Gesellschaft im Allgemeinen und am Literaturbetrieb im Besonderen geboten, wobei mir gefallen hat, wie gut beides in die Geschichte eingebettet wurde. Vor allem als es um das Thema Literaturpreise ging, hat man gemerkt, wie unglaublich realistisch die Branche geschildert wird - wobei man dabei beachten muss, dass es um den amerikanischen Buchmarkt geht und es in Deutschland nochmal andere Besonderheiten gibt.
    Fazit: Ein Buch bei dem ich im Februar schon behaupten würde, dass es ein heißer Kandidat fürs Jahreshighlight ist!

  • June hat einen Bestseller geschrieben - oder doch nicht?


    Als die Amerikanerin June Hayward mit ihrer Freundin, bzw. eher Bekannten seit Studientagen, der chinesischstämmigen Athena Liu deren netflix-Vertrag in ihrem Loft feiert, stirbt diese vor Junes Augen. Unüberlegt und automatisch steckt sie das neue Manuskript von Athena ein, das noch niemand kennt. Darin geht es um das Leid von chinesischen Arbeitern im Ersten Weltkrieg. June ist so davon gefesselt, dass sie beschließt, es zu überarbeiten und druckreif zu machen.

    June, die mit ihrem Debütroman keinen Erfolg hatte, wird als Juniper Song mit "Die letzte Front" endlich zum Bestseller!


    Dieses Buch liest sich wie ein Geständnis oder Tagebuch; June spricht die Leser:innen direkt an (Das durchgehende Gendern im ganzen Roman war für mich gewöhnungsbedürftig. In Artikeln oder Nachrichten hat man sich ja schon daran gewöhnt, aber in einem Roman stört es meinen Lesefluss.)

    Durch die direkte Ansprache von June bekommt man tiefe Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Und ich muss sagen: das gefiel mir nicht. June ist vor Neid zerfressen, eine sehr unsympathische Person, die emotional unterentwickelt und nicht empathisch ist. Sie sucht immer neue Rechtfertigungen, warum sie diese Geschichte veröffentlichen durfte. So eine derart falsche, hinterhältige und unerträgliche Protagonistin hatte ich noch nie. Trotzdem musste ich einfach ALLES erfahren, was für die Schreibkunst der Autorin spricht.

    Ich verurteile Junes Doppelmoral, mit der sie alles bewertet. Sie wechselt auch laufend von himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt. Hat keinerlei Selbstbewusstsein und keine feste, eigene Meinung. Sie schwimmt mit dem Strom und versucht immer, im besten Licht dazustehen und das beste für sich rauszuholen, mit teils widerwärtigen Methoden. Und sie ist lernresistent. Sie lernt einfach nicht aus ihren Fehlern und verhält sich manchmal einfach nur dumm.


    Die Autorin verarbeitet in diesem Roman nicht nur Rassismus (der ein großes Thema ist), Diversität und die Frage der kulturellen Aneignung (Darf jeder alles schreiben? Also hatte June mit ihrer Herkunft überhaupt das Recht, einen Roman über das Leiden chinesische Arbeiter zu schreiben?); auch die Themen Plagiat, die Buchbranche in den USA (was für mich besonders interessant zu lesen war, denn oft denkt man sich: ja, genauso ist es; wobei es in den USA sicherlich noch schwieriger ist als in Europa durch die Buchpreisbindung), die "Diskussions"kultur in den Sozialen Medien (bzw. eher das Mobbing und Shitstorms, vor denen June besonders Angst hatte), Neid, Eifersucht, Intrigen. Somit also auch eine breite Bandbreite der Gefühle.

    Man fiebert mit June mit, wer da wohl so viel Hass auf sie hat und sie derart verunglimpft, und hasst sie trotzdem gleichermaßen wie auch Athena, der sie ihren Erfolg aus diversen Gründen missgönnt hat, denn auch diese war kein einfacher Charakter. Trotzdem hätte ich Athena gern etwas besser kennengelernt; nicht nur aus Sicht von June.

    Auch ein kleiner Krimi ist inkludiert, denn man grübelt bis zum Schluss, wie sich der Tod von Athena wirklich abgespielt hat.

    Doch manchmal wusste man selbst gar nicht mehr, was echt war und was sich June nur ausgedacht hat.


    Den Schluss fand ich leider nicht befriedigend, etwas dünn in der Erklärung, nicht wirklich nachvollziehbar. Aber auch so naheliegend, und deshalb etwas unspektakulär und vorhersehbar. Und June macht wieder dort weiter, wo sie zuvor schon aufgehört hat ("täglich grüßt das Murmeltier"). Doch gleichzeitig ist es auch ein eher offenes Ende, denn man weiß nicht, wie es schlussendlich ausgehen wird und kann auch nicht mit Bestimmtheit sagen: hat June uns das alles erzählt?



    Fazit:

    Ein Roman über das Autor:innen-Dasein, die Buch- und Verlagswelt, Plagiate, Sozial Media und alles, was dazugehört; der alle Gefühle vereint, einen mitreißt, wütend und traurig macht und manchmal nur den Kopf schütteln lässt. Und vor allem wird man nachdenklich.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Nachdem mich "Babel" so begeistert hatte, war ich natürlich neugierig auf das neue Werk der Autorin. Ohne zu wissen, worum es geht, hab ich mich direkt in die Geschichte gestürzt und war sofort gefesselt. Ich hatte nicht damit gerechnet, mich hier so viel mit der Buchbranche und der Verlagswelt auseinander setzen zu müssen, muss aber sagen, dass es für mich als Vielleserin schon sehr spannend war, sozusagen einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

    June Hayward erzählt gleich zu Beginn, wie ihre Freundin Athena direkt vor ihren Augen stirbt. Aus einer Kurzschlusshandlung heraus klaut sie deren neuestes Manuskript, um, wie sie sich selbst einredet, dem letzten Werk ihrer Freundin die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken. Indem sie es überarbeitet, ausfeilt und schließlich unter ihrem Namen veröffentlicht. Und den Ruhm dafür einheimst.
    Denn June steht schon lange in Athenas Schatten, der alles buchstäblich in den Schoß fällt. Vor allem ihre Karriere als Autorin entfachte immer wieder neidvolle Momente, denn Junes Debüt hat kaum Interesse geweckt.


    Die kurzen Beschreibungen von Athena durch Junes Augen haben sie für mich nicht wirklich sympathisch gemacht. Sie wirkt wie eine Überfliegerin, die alles als gegeben hinnimmt und sich in ihrem sonnigen Zenit dreht, ohne jegliches Interesse an anderen. Weshalb sie wohl auch außer June keine Freunde hatte.
    June selber ist aber auch nicht besser. Vor sich selbst verteidigt sie ihr Handeln natürlich damit, das Manuskript "für Athena" zu veröffentlichen - im Endeffekt möchte sie aber selbst Erfolg haben, das Geld kassieren und vor allem endlich im Rampenlicht stehen. Etwas bedeuten, gesehen werden und ganz oben dabei sein.
    Dabei biegt sie sich die Wahrheit immer so zurecht, dass sie ihr in den Kram passt und belügt sich so sehr selbst, bis sie es schließlich selber glaubt. Der winzige Rest an Selbstzweifeln zwickt dann immer nur, wenn sie kurz davor steht, aufzufliegen.

    "Die letzte Front" heißt der Entwurf von Athenas Manuskript, in dem es um die Heldentaten chinesischer Arbeiter während des Ersten Weltkriegs geht. Nun war ja Athena chinesisch-amerikanisch, während June einfach eine "weiße Amerikanerin" ist und sie schnell merkt, dass viele dieses Merkmal kritisch sehen. Darf sie überhaupt über asiatische Kulturgeschichte schreiben, wenn sie keine asiatischen Wurzeln hat?

    Die Autorin bindet viele rassistische Vorurteile in diese Geschichte ein, dass sich mir irgendwann alles im Kopf gedreht hat: was man denn nun darf, sollte oder lieber bleiben lässt.
    Für mich steht jedenfalls fest, dass jeder über alles schreiben darf. Thriller- bzw. Krimiautoren haben ja (hoffentlich) selbst keine Morde begangen und schreiben darüber, genauso wie historische Romanautoren sicher nicht im 14. Jahrhundert gelebt haben usw. Da gibt es unendliche Beispiele, sonst dürften wir ja nur noch Autobiografien lesen.
    Vorurteile gibt es immer, genau deshalb sollten wir eher hin- als wegsehen und offener kommunizieren, dann folgen daraus auch weniger Vorwürfe, sondern mehr gegenseitiges Verständnis!

    Weiter geht es mit den sozialen Medien, den Trollen, die immer wieder gerne auftauchen und Hetze verbreiten. Meist ungerechtfertigter Weise, was aber schwierig wird zu widerlegen, weil oft alles plötzlich möglich erscheint, wenn es wo steht und somit hinterfragt wird. Ein Vorwurf wird dann doch von vielen Ernst genommen oder zumindest als möglich angesehen, ohne zu wissen, ob es wahr ist oder nicht. Damit haben ja viele zu kämpfen und einmal ins virale Netz gebracht, ist es kaum mehr auszumerzen.

    Sie kennen mich nicht. Sie können mich nicht kennen; sie sind mir nie begegnet. Sie haben Informationsfetzen über mich aus dem Internet gepflückt und diese zu einem Bild zusammengesetzt, das der Schurkin in ihrer Vorstellung entspricht, jedoch nichts mit der Realität zu tun hat.
    Zitat Seite 175

    Die Autorin hat hier eine spannende Satire geschaffen, die sich sehr um die Verlagswelt dreht, aber dadurch tiefe Einblicke in die Medienbranche gibt. Gerade was auch die Sichtbarkeit angeht, den Druck ständig öffentlich präsent zu sein, keine Schwächen zu zeigen, die einem irgendwie negativ ausgelegt werden könnten, immer neues zu bieten, neues zu schreiben, um nicht in Vergessenheit zu geraten - das alles wirkt nicht mehr wie ein schöner Prozess, um seine inneren Gedanken, seine Geschichte auf Papier zu bringen, sondern um Verlage und Leser irgendwie zufrieden zu stellen.
    Das zieht auch immer mehr seine Kreise und hört man immer öfter, was extrem schade ist.

    "Es muss nicht großartig sein, Junie. Wir wollen damit nicht den Pulitzer gewinnen. Es muss nicht mal so ähnlich sein wie Die letzte Front." Brett macht eine Pause. "Du musst nur veröffentlichen, weißt du? Irgendwas. Egal was."
    Zitat Seite 233

    Eine fesselnde Geschichte mit unglaublich vielen Anregungen zum Nachdenken über Plagiate, Diskriminierungen, Mobbing, Neid, zerstörte Hoffnungen und Ängste und unsere schnelllebige Zeit, in der der Schein mehr zählt als das Sein.

    4.5 Sterne von mir

    Weltenwanderer

  • Ich fand das Buch auch super! Am spannendsten war für mich, dass ich regelrecht mit der Heldin mitgefiebert und ihr gewünscht habe, dass ihr Diebstahl nicht herauskommt.

  • Dieser Roman war spannend, wie schon länger keiner, ich wollte stets weiter lesen und wissen was denn wohl als nächstes passieren wird. Ich fand das Konzept extrem spannend das Innenleben einer Protagonistin mit zu verfolgen, die nicht sympathisch auf mich wirkt und noch weniger vertrauenswürdig. Auch sprachlich hatte ich mir von diesem Roman etwas ganz anderes erwartet, fand den Stil aber sehr passend gewählt und flüssig zu lesen. Die Autorin liefert sehr spannende, wenn auch ernüchternde Einsicht in das Verlagswesen und Leben einer Autorin.

    Yellowface regt sehr viel zum Nachdenken an, da auch sehr viele Themen auf sehr kontroverse Weise angesprochen werden: Rassismus, Social Media, Cancel Culture, vor allem aber ist es ein Roman über Moralvorstellungen.

    Die Auswirkungen, die Erfolg und soziales Ansehen auf Menschen haben können wird sehr eindrücklich geschildert. Es ist durchaus ein Roman, der dauerhaft Eindruck hinterlassen wird, schon alleine durch seine einzigartige Erzählweise. Einen Stern Abzug gibt es für mich für das verwirrende Ende und auch da mich die Geschichte einfach nicht vollends begeistern konnte.

    Ich habe das Buch aber sehr gerne und mit vielen Emotionen gelesen und bin froh, dem Hype gefolgt zu sein (wer auch immer entschieden hat, dieses Buch zu einem zu machen).

  • Inhalt:
    June Hayward und Athena Liu könnten beide aufstrebende Stars der Literaturszene sein. Doch während die chinesisch-amerikanische Autorin Athena für ihre Romane gefeiert wird, fristet June ein Dasein im Abseits. Niemand interessiert sich für Geschichten "ganz normaler" weißer Mädchen, so sieht es June zumindest.
    Als June Zeugin wird, wie Athena bei einem Unfall stirbt, stiehlt sie im Affekt Athenas neuestes, gerade vollendetes Manuskript, einen Roman über die Heldentaten chinesischer Arbeiter während des Ersten Weltkriegs.

    June überarbeitet das Werk und veröffentlicht es unter ihrem neuen Künstlernamen Juniper Song. Denn verdient es dieses Stück Geschichte nicht, erzählt zu werden, und zwar egal von wem? Aber nun muss June ihr Geheimnis hüten. Und herausfinden, wie weit sie dafür gehen will.


    Rezension:
    In der Nacht, in der Athena Liu starb, feierte sie gemeinsam mit Juniper Hayward ihren Vertrag mit Netflix.Junie muss mit ansehen, wie Athena qualvoll erstickt und kann nichts tun. Betrunken und unter Schock stehend, nimmt Junie Athenas gerade erst vollendetes Manuskript an sich und überarbeitet dieses.

    Als sie Die letzte Front als Juniper Song veröffentlicht, ist Junie so erfolgreich wie nie zuvor und genießt es, doch sie hat auch Angst. Denn was würde geschehen, wenn jemand ihre Lügen aufdeckt?


    "Yellowface" von Rebecca F. Kuang ist ein Einzelband, der aus der Ich-Perspektive der siebenundzwanzig Jahre alten Juniper Hayward erzählt wird.


    Wir lernen Juniper an dem Abend kennen, der ihr ganzes Leben verändern wird.
    Sie hat gemeinsam mit Athena Liu in Yale studiert, doch während Athenas Debüt bereits ein Bestseller wurde, floppte Junies Debüt. Die beiden sind keine guten Freundinnen, sehen sich nur alle paar Monate und doch ist es Junie, mit der Athena ihren Vertrag mit Netflix feiern will.
    Junie ist da, als Athena stirbt, ein tragischer Unfall, der Junie jedoch Türen öffnet, weil sie so Athenas letztes Manuskript mitnehmen und ihm den Feinschliff geben kann.
    Doch auch wenn die Veröffentlichung ein voller Erfolg ist und Junie es auskosten kann, endlich mal so erfolreich zu sein wie Athena, so ist die Angst, dass jemand herausfindet, was sie getan hat, ihr ständiger Begleiter.
    Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich mit Juniper doch sehr schwergetan habe. Sie ist sehr neidisch, gönnt Athena ihren Erfolg nicht, geht aber selber über Leichen, um ihren Traum Bestseller-Autorin zu sein, zu verwirklichen. Sie ist ehrgeizig und gibt sich mit nichts zufrieden, hat zum Teil grausame Züge und ist doch sehr selbstgerecht. Sie biegt sich die Wahrheit so zurecht, dass sie schlussendlich selbst an ihre Lügen glaubt. Sie war mir nicht sympathisch, was wahrscheinlich auch beabsichtigt war, aber ich konnte leider nur stellenweise wirklich mit ihr mitfiebern.


    Vielleicht lag es dann an Juniper, dass mich das Buch dann auch nicht ganz so stark mitreißen konnte, wie ich es mir erhofft hatte. Ich mochte die Geschichte insgesamt echt gerne, denn Rebecca F. Kuang spricht sehr spannende Themen an und auch der Schreibstil hat mir richtig gut gefallen!
    Wir bekommen die unschönen Seiten der Literaturszene zu sehen, erleben mit Juniper Cybermobbing und oft genug wird die Frage gestellt, wer eigentlich über welche Themen schreiben darf.
    Die letzte Front, der Roman, der ursprünglich von Athena geschrieben und von Junie überarbeitet und veröffentlicht wurde, handelt vereinfacht gesagt von einem Chinesischen Arbeitskorps, das im Ersten Weltkrieg an der alliierten Front gekämpft hat.
    Junie ist eine weiße Amerikanerin, während Athena in Hongkong geboren wurde, auch wenn sie nicht dort aufwuchs. Junie Künstlername Juniper Song deutet an, dass sie selbst Asiatin ist, auch wenn sie hier tatsächlich nie vorgibt, Asiatin zu sein, was von vielen kritisch beäugt wird. Darf Junie als Nicht-Asiatin über die Heldentaten von Chinesen im Ersten Weltkrieg schreiben?

    Das Thema Rassismus spielt eine große Rolle und ich mochte es sehr, dass Rebecca F. Kuang wirklich schonungslos viele Aspekte angesprochen und viele interessante Fragen aufgeworfen hat, die mich zum Nachdenken angeregt haben!


    Fazit:
    "Yellowface" von Rebecca F. Kuang lässt mich etwas zwiegespalten zurück.
    Einerseits mochte ich die angesprochenen Themen richtig gerne, weil die Autorin diese schonungslos in die Geschichte eingearbeitet hat und diese mich doch sehr zum Nachdenken angeregt haben. Allerdings bin ich mit Juniper nicht wirklich warm geworden, weil sie mir unter anderem zu skrupellos war.
    Dennoch hat mir das Buch insgesamt gut gefallen und ich konnte einiges mitnehmen, sodass ich starke drei Kleeblätter vergebe.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Ich war von vorne bis hinten total fasziniert von dem Buch.


    Zuerst hat mir der Schreibstil von der Autorin sehr gut gefallen, sodass ich nur so durch die Geschichte geflogen bin und gar nicht aufhören konnte zu lesen.


    Die Autorin greift viele gesellschaftskritische Themen in dem Buch auf. So kommen Themen wie Rassismus, Cybermobbing und viele Problematiken aus der Literatur- und Verlagsbranche vor.


    Gerade die Einblicke in die Literatur- und Verlagswelt fand ich total interessant zu lesen. So wurde aufgezeigt, wie viel Egoismus, Geldgier, Neid und Druck hinter der Branche steht.


    Juniper war mir zunächst recht unsympathisch, da ihre Handlungen, ein Manuskript einer anderen Autorin zu überarbeiten und als eigene Idee auszugeben, natürlich nicht richtig ist. Jedoch lernt man sie im Laufe der Geschichte besser kennen und erkennt ihre Hintergründe, wodurch ich sie an vielen Stellen auch irgendwie verstehen konnte und Mitleid für sie empfand. So stand ich während des gesamten Buches total im Zwiespalt zwischen Mitleid und Missgunst, was teilweise ein echtes Gefühlschaos in mir ausgelöst hat.


    Es war für mich auch sehr spannend zu lesen, wie weit Juniper geht, um ihr Geheimnis zu bewahren und auch was die ganze Handlung in ihr auslöste.


    Ich kann das Buch nur allen ans Herz legen, die eine Geschichte mit einer guten Handlung, einem tollen Schreibstil und einer gesellschaftskritischen Thematik rund um die Literaturwelt lesen möchten.

  • Beitrag an bestehenden Thread angehängt :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Auch ich bin um den Hype dieses Buches herumgekommen und habe es in einer Leserunde gelesen, wofür es sich wirklich gut eignet, da es einigen Diskussionsstoff verschiedenster Themen bereithält.



    Grundsätzlich handelt es sich um eine Autorin namens June die in der Verlagswelt noch nicht so richtig Fuß gefasst hat. Als ihre bereits renommierte und bereits berühmte Autorinnenfreundin Athena verstirbt, klaut June ihren neuesten Roman und veröffentlicht ihn als ihren und wird damit ebenso Weltbekannt.



    Ich fand es sehr interessant durch den Roman Einblicke in die Verlagswelt zu bekommen und wie sich diese im Hintergrund abspielen könnte.

    Dies ist aber nur ein Teil dieses Buches, das viel altbekannte aber auch ganz aktuelle Gesellschaftskritische Themen auf provokante Weise angesprochen werden, die mich sehr zum Nachdenken angeregt haben.

    Anfangen von Rassismus über soziale Medien und welche extremen Auswirkungen diese haben können, als auch simple gesellschaftskritische Fragen in die Richtung was ist falsch, richtig oder gibt es eine Grauzone?

  • Herausfordernd & ambivalent


    Bislang habe ich mich mit noch keiner Rezension so schwer getan wie mit der zu „Yellowface“. Meine Erwartungen waren durch starkes Marketing und den Erfolg der Original-Ausgabe enorm hoch. Und weil ich davon ausging, dass es ein Easy-Read mit moralischer Dimension wird, waren diese Erwartungen zum Scheitern verurteilt. (Abgesehen von der Umschlagsgestaltung, wie genial ist die bitte?! 🤩)


    Denn wenn „Yellowface“ eins nicht ist, dann einfach. Das liegt nicht an der Sprache, sondern an der Wucht an Ambivalenz. Die weiße Protagonistin June stiehlt nach dem Tod ihrer wesentlich erfolgreicheren, chinesisch-amerikanischen Freundin Athena deren Manuskript, schreibt es um und veröffentlicht es. Es wird ein Bestseller, aber auf den Erfolg folgen die ersten Kritiken, Zweifel und Drohungen. Die Handlung ist immer wieder von thrillerartigen Elementen durchzogen. Das Ende fanden einige Menschen wohl vorhersehbar, ich nicht und mich hat es persönlich auch nicht ganz zufriedengestellt.


    Nicht nur die Protagonistin ist ziemlich unsympathisch, auch die anderen Charaktere lassen sich nicht wirklich moralisch klar einordnen. Und das macht das Buch nicht nur zu einer Kritik am Literaturbetrieb, an kultureller Aneignung und Cancel Culture, sondern in meinen Augen vor allem zu einem Werk stetiger Hinterfragung der eigenen moralischen Wertung und des persönlichen Verständnisses. Was ist Satire, was ist reale Ambivalenz? An welchen Stellen manipuliert June unser Urteil, wo ist Mitgefühl vielleicht angebracht? Ich bin davon überzeugt, dass alle Lesenden zu einer (leicht) unterschiedlichen Bewertung kommen. „Yellowface“ fand ich wirklich herausfordernd bis anstrengend und dennoch wichtig zu lesen. Sich mit anderen dazu auszutauschen ist wahrscheinlich sehr zu empfehlen. 😉


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Man kann die Geschichte immer in eine andere Richtung drehen


    Das Buch verfügt über ein aufmerksamkeitsstarkes Cover in leuchtendem Gelb mit mandelförmigen Augen, dazu einen passenden Farbschnitt.


    Interessant wird es aber, wenn man den Schutzumschlag entfernt. Es ist mir nur durch Zufall aufgefallen, dass, passend zum Inhalt des Buches, dort eine andere Autorin und ein anderer Titel genannt sind. Und so taucht man, bevor man überhaupt mit dem Lesen beginnt, schon mal in die Thematik ein. Es geht um ein entwendetes Manuskript, das unter einem anderen Namen später veröffentlicht wird.


    Doch zum Anfang:


    June Hayward hat Literaturwissenschaft und Schreiben studiert und hätte gern schon mit ihrem ersten Roman einen Erfolg gelandet. Das hat nicht geklappt, er erlebte keine zweite Auflage. Seit Studienzeiten ist sie bekannt mit Athena, Tochter chinesischer Einwanderer. Athena hat den Erfolg, den June sich wünscht, ihr erstes Buch wird ein Bestseller und seither reißen sich die Verlage um ihre Neuerscheinungen. Als Athena bei einem Unfall stirbt, ist June Augenzeugin und handelt impulsiv. Sie stiehlt Athenas gerade vollendetes Manuskript und veröffentlicht es nach mehreren Bearbeitungsdurchläufen unter einem Pseudonym.


    Thema des Buches sind chinesische Soldaten, die während des 1. Weltkrieges auf Seiten der Alliierten kämpfen und dabei sehr viel Ausgrenzung und Rassismus erfahren.


    Zunächst einmal scheint es auf dem Buchmarkt wichtig zu sein, trendige Themen zu bedienen. Rassismus ist ein solches Thema und es wird noch interessanter, wenn lange vergangene und selten thematisierte Ereignisse damit verbunden sind.


    June, die sich ab der Veröffentlichung von Athenas Buch Juniper nennt, argumentiert, dass sie dem Buch überhaupt erst eine Leserschaft ermöglicht. Es wäre sonst im Nachlass verschwunden, niemand hätte sich je danach erkundigt. Sie hat außerdem noch zusammen mit einer Lektorin monatelang daran gearbeitet, hat Passagen gekürzt, andere erklärend hinzugefügt und so ist es ein Gemeinschaftswerk geworden. Die Idee und das Grundgerüst kamen allerdings von Athena und June unterlässt es, diesen wichtigen Punkt zu erwähnen.


    June hatte lange gemutmaßt, dass junge weiße Frauen auf dem Buchmarkt als Autorinnen wenig nachgefragt seien. Sie hatte es darauf zurückgeführt, dass sie keinen besonderen Werdegang, keine Verfolgung in ihrer Vita vorweisen konnte und somit für die Buchwelt uninteressant sei. Später beschwert sich eine ihrer Kontrahentinnen genau über das Gegenteil. Sie habe kein Gehör gefunden, weil man mit Athena ja bereits eine Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln unter Vertrag habe.


    Dieses Buch allerdings schlägt ein, also muss es doch am Thema oder Inhalt liegen. Ohne große Schwierigkeiten findet sie einen namhaften Verlag und alle Unterstützung, die sie sich schon für ihr eigenes Buch gewünscht hätte. Es gibt eine mit viel Marketingmaßnahmen unterstützte Einführungskampagne, öffentliche Lesungen, Nominierungen für Buchpreise, Juniper ist einfach in aller Munde.


    Aber wo Licht ist, da ist meistens auch Schatten. Erste Kritiker merken an, dass sie keinen chinesischen Hintergrund habe und daher nicht über dieses Thema authentisch schreiben könne.


    Andere werfen ihr doch tatsächlich vor, sich bei Athenas Ideen bedient zu haben.


    Als plötzlich noch Athenas Exfreund als Athenas Geist im Internet auftaucht ist es mit ihrer Ruhe vollends vorbei.


    Ich hätte recht lange ihrer eigenen Erklärung folgen können, dass sie diesem Buch zu einer Leserschaft verholfen hat. Natürlich wäre es ehrlicher gewesen, Athenas Namen als Verfasserin dann auch zu nennen, zumal ihr das eine Menge Ärger erspart hätte. June aber hangelt sich von einer Lüge zur nächsten und macht die ganze Sache damit immer nur noch schlimmer. Ihre Kontrahentinnen schweigen nicht, im Internet tobt der Shitstorm und June kann ihre Augen nicht von den Einträgen bei Instagram oder Twitter lassen. Sie ist regelrecht süchtig danach, zu erfahren, was andere über sie denken und schreiben.


    Ich bin selbst weder bei Facebook, Instagram noch Twitter aktiv und nach der Lektüre des Buches bin ich auch froh darüber. Es scheint mir, als ob jede Stimme auch eine Gegenstimme provozieren würde und der Ton ist äußerst rauh und verletzend. Kein Wunder, dass June mit der Zeit an Verfolgungswahn leidet, zumal ihr ehemalige Kritikerinnen immer mehr zusetzen. Nicht, um Athena Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ganz im Gegenteil: es geht lediglich um das eigene Ego und um das erhoffte große Einkommen.


    Irgendwie schien mir die Verlagswelt ein Haifischbecken zu sein, ein Fressen oder gefressen werden. Und so endet das Buch dann auch: Bei so viel Publicity hilft nur, immer wieder Öl ins Feuer zu gießen, um die Flamme brennen zu lassen. Keine wirklich guten Aussichten, aber sie rentieren sich.


    Es sind eine ganze Reihe gerade aktueller Themen oder Streitpunkte, die ihren Niederschlag im Buch finden:


    .Cancel Culture (Ächtung von vermeintlichem Fehlverhalten)

    .Gendern (geschlechterbewusster Sprachgebrauch um die Gleichbehandlung aller Geschlechter/Identitäten zum Ausdruck zu bringen) - wird im Buch konsequent verfolgt

    .Kulturelle Aneignung

    .Rassismus

    .Umgekehrter Rassismus


    Ich fand das Buch sehr lesenswert, es arbeitet noch mit mir, vielleicht lese ich es in einigen Monaten ein zweites Mal.