Klappentext/Verlagstext
»Vielleicht morgen, sagt der Hafenwärter. Vielleicht kommen die Fähren morgen wieder.« Auf einer vormals beliebten Urlaubsinsel bleiben mit einem Male die Fähren aus und mit ihnen die Urlauber. Das Leben kommt zum Stillstand, die meisten Bewohner verlassen die Insel, nur ein paar wenige harren aus. Hoffend auf eine Rückkehr der Fähren und isoliert voneinander gehen sie den immergleichen Tätigkeiten nach. Das Leben dieser Übriggebliebenen ändert sich erst, als ein Mädchen namens Ada auf unerklärliche Weise im Sommerpalast erscheint und die Nähe zu dem ehemaligen Hausmeister sucht. Ihre Fragen nach seiner Vergangenheit und nach der der Insel führen zu einem Umbruch, der auch dann nicht mehr aufzuhalten ist, als Ada so plötzlich verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. Mehr und mehr verweben sich die Geschichten der Figuren, die beginnen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen - und mit der Frage, ob eine Rückkehr der Fähren überhaupt wünschenswert ist. Thea Mengelers Roman erzählt von privaten und gesellschaftlichen Machtverhältnissen, vom (Über-)Tourismus und von den Prozessen der Rückeroberung des eigenen Lebens, des eigenen Lebensraumes. In ihrer knappen, aber feinfühligen und präzisen Sprache schildert sie die Geschehnisse auf der Insel und das Innenleben ihrer Figuren, deren Lebensentscheidungen auf dem Prüfstand stehen.
Die Autorin
Thea Mengeler geb. 1988, aufgewachsen in Krefeld, studierte Literarisches Schreiben und Kommunikationsdesign in Hildesheim, Kiel und Istanbul. Sie war Finalistin beim 28. open mike sowie Styria Artist in Residence 2022. Aktuell lebt sie als freiberufliche Autorin und Texterin in Hannover. 2022 veröffentlichte sie ihr Debüt »connect«.
Inhalt
Obwohl schon seit Jahren keine Fähren mehr im Hafen der fiktiven Insel anlegen, hält der Hausmeister das Hotel „Sommerpalast“ in Ordnung. Als eines brütend heißen Tages die kindlich wirkende Ada auftaucht, ist er froh, ihr ein Frühstück servieren zu können. An einem anderen Ort, dem „gelben Haus“ wirkt eine Ehefrau froh, ihren betagten, hinfälligen Mann auf ein Pferd zu hieven, das ihn über die Insel trägt und dabei an den Glanz vergangener Zeiten erinnern könnte. Als Dritte im Bunde tritt eine Frau auf, die kaum darauf vorbereitet zu sein scheint, auf der Insel auch zu überwintern. Über allem liegt eine Atmosphäre der Unentschlossenheit, ob man weiter auf die Ankunft einer Fähre warten soll …
Republikflucht, eine Insel für wissenschaftliche Zwecke von ihren Bewohnern leeren – oder ein dystopisches Szenario? Als der Blick sich auf weitere Bewohner richtet, tritt ein System des Tauschhandels und der Nachbarschaftshilfe aus dem sonderbaren Szenario hervor. Gemeinsam mit Müller, Bäckerin und Krankenschwester ist einfacher Tauschhandel möglich; Fertigkeiten zum Fischen und Obstanbau haben sich offenbar trotz des ehemaligen Massentourismus erhalten. Wie konnten die Bewohner ihre Boote und Obstplantagen endgültig zurücklassen, könnte man sich fragen. Mit Blick in die Vergangenheit öffnet sich die Vorgeschichte einer Insel, die nicht allein durch größenwahnsinnige Bauprojekte unbewohnbar wurde, stärker noch durch das Verhalten von Bewohnern und Besuchern.
Wie das berühmte obere Achtel eines Eisbergs zeigt Thea Mengeler zunächst nur einen winzigen Abschnitt aus dem Überleben ihrer Figuren. Frauen scheinen auf den ersten Blick in der Mehrheit zu sein. Sie pflegen, versorgen und entwickeln über Gräben der Vergangenheit neue Lebensweisen. Am Beispiel der Doktorin und der Frau des Generals lassen sich Frauenrollen und Alterungsprozesse reflektieren, aber auch Themen wie Abwanderung, Wirtschaftszyklen, Heimat, Migration, Vererbbarkeit von Wohlstand.
Fazit
Thea Mengelers kurzer, multiperspektivischer Text entwickelt aus einem dystopischen Ausgangs-Szenario Routinen eines alternativen Lebensmodells und einer fantastischen Zukunft. Ein Roman, der nachwirkt und zur Diskussion anregt.