Lana Lux - Geordnete Verhältnisse

  • Darf man es mögen?


    Ein Buch, das einen etwas ratlos zurücklässt, wie man es bewerten soll...

    Allein vom Thema her kann man es nicht schön finden; scheint es gar moralisch verwerflich zu sagen, dass man die Geschichte mochte, obwohl es laut Klappentext eigentlich nur um Freundschaft gehen sollte. Ist es aber dann doch nicht, es ist schon die Geschichte einer (extremen) Liebesbeziehung.


    Gut gefallen hat mir, dass es mit Philipp einen asexuellen Protagonisten gab, die sind sehr selten. Auch wenn es nie so benannt wurde, kann man trotzdem anhand seiner Gefühle erkennen, dass er es ist. Leider ist er eben auch eine unangenehme Person, extrem eifersüchtig und possessiv.

    Interessant gemacht finde ich, dass er trotzdem der Sympathieträger der Geschichte ist! Denn Faine mochte ich insgesamt weniger, auch wenn sie die Hauptleidtragende ist. Ihr Verhalten blieb mir trotzdem oft fremd und unverständlich.


    Thematisch fährt das Buch halt super schwere Geschütze auf *), was es nicht schlecht macht, aber schlecht empfehlbar.


    *) Achtung Spoiler und Triggerwarnung in einem:

    Es beginnt bei Inkontinenz im Kindesalter - Kinder können so grausam sein - und steigert sich über Stalking bis hin zum Femizid.

  • PatriciaPP zu einer Erstrezension gehört auch eine Inhaltsangabe, denn sonst versteht niemand, worüber Du schreibst. Die kannst Du selbst erstellen oder einer anderen Quelle zitieren. Ich hab jetzt für Dich eine eingestellt. :wink:


    Zitat von Amazon

    Wenn man seine Heimat verlassen muss, kommt es immer darauf an, wo man landet und welche Leute man kennenlernt. Faina landet in einer deutschen Kleinstadt und lernt in der Schule Philipp kennen, einen Jungen mit Wutausbrüchen, der Pflanzen lieber mag als Menschen, sich aber sehnlichst einen Freund wünscht. Faina soll dieser Freund werden, also bringt er ihr Deutsch bei, und wie man Weihnachten richtig feiert. Er macht sie zu seiner Faina.Jahre später ist Philipp der Typ mit Eigentumswohnung und fester Freundin, und Faina steht als verlassene, verschuldete Schwangere vor seiner Tür. Er lässt sie hinein, doch zu welchem Preis?

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Wir sollten Hilfe organisieren


    Lange habe ich mich nicht mehr bei einem Buch so überwinden müssen weiterzulesen wie bei diesem mit dem doch so einladenden Titelbild. In keine der Hauptpersonen, ja in überhaupt keinen der Charaktere konnte ich mich einfühlen, obwohl Lana Lux deren Innenleben sehr anschaulich in inneren Monologen und tatsächlichen Dialogen beschreibt auf eine in sich logische Weise. Sympathisch ist keiner davon.


    Schließlich habe ich es für mich als klinische Studie definiert, die aufzeigt, was hinter gewissen Zeitungsmeldungen steht, bei denen man sich fragt: wie konnte es dazu kommen?


    Da haben sich zwei gesucht und gefunden - zwei Außenseiter mit völlig konträrem Profil, die nur eins vereint: Ihre Bindungsunfähigkeit. Das toxische Verhältnis hält ein Baby zusammen, das sie wohl beide auf ihre Art lieben, aber zunehmend dazu benutzen, um es gegeneinander auszuspielen.


    Vom Stil her gut lesbar hat mich der ganze Psychoterror einfach nur angestrengt.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Als Philipp zehn Jahre alt ist und die dritte Klasse wiederholen muss, kommt Faina in seine Klasse. Er, der rothaarige Außenseiter aus schwierigen familiären Verhältnissen, und Faina, das jüdisch-ukrainische Einwandererkind, werden beste Freunde. Philipp hilft Faina, Deutsch zu lernen und sie befreit ihn aus seiner Einsamkeit. Als Erwachsene ziehen sie zusammen und sind mehr als Freunde, aber doch kein echtes Liebespaar. Nach einem Streit folgt eine mehrjährige Funkstille, bis eines Tages Faina Hilfe suchend vor seiner Tür steht.


    Das Buch gliedert sich in drei Teile. Der erste wird aus Philipps Sicht erzählt, der zweite aus Fainas, und der dritte aus wechselnden Perspektiven. Ich liebe Romane, in denen sich bei Perspektivwechseln Wortwahl und Sprachstil an die jeweilige Figur anpassen, und Lana Lux ist es hervorragend gelungen, bereits anhand der Sprache die Wesenzüge, Gefühle und Denkstrukturen von Philipp und Faina herauszuarbeiten.


    Beide Protagonisten sind auf ihre Weise durch ihre Kindheit traumatisiert, sind sich einerseits tief verbunden und auf andere Weise völlig gegensätzlich. Philipp, der planvolle, nach außen hin mustergültige Mann, wohlhabend, fürsorglich und großzügig, und Faina, die freiheitsliebende, unstrukturierte, mittelose schwangere Frau mit abgebrochenem Studium sind auf fatale Weise voneinander abhängig. Beim Lesen hatte ich von Anfang an ein beklemmendes Gefühl, das sich immer weiter steigerte, je weiter die Geschichte voranschritt.


    Lana Lux zeigt in „Geordnete Verhältnisse“, wie schnell man in eine toxische Beziehung geraten kann und mit welchen manipulativen Mechanismen Schuldgefühle und Abhängigkeiten erzeugt werden. Aus unbedeutend wirkenden Anzeichen entwickelt sich so eine quälende Situation, aus der eine Befreiung nur schwer möglich ist.


    Ein beeindruckend geschriebenes, aufwühlendes Buch zu einem wichtigen Thema und für mich ein Highlight in diesem Frühjahr.


    5 Sterne.