Diane Oliver - Nachbarn: Storys / Neighbors And Other Stories

  • Inhaltsangabe:

    »Nachbarn« ist eines jener seltenen Werke in der Literatur, die ihre Zeit einfangen und ihr doch weit voraus sind. Diane Oliver erkundet darin die sich wandelnden sozialen Umstände: Beäugt von den Nachbarn, fragen sich Ellie und ihre Familie, ob es richtig ist, den kleinen Bruder morgen als einziges Kind auf die Schule der Weißen zu schicken. Ein Paar wird durch rassistische Übergriffe dazu getrieben, im Wald zu leben, und entwickelt eine mörderische Wut. Meg heiratet einen Schwarzen, doch die Liebe fordert über die Grenzen der Hautfarbe ihren Preis. Über allem könnte die Frage stehen: Gibt es einen Unterschied zwischen dem, was für die Gesellschaft am besten ist, und dem, was das Individuum braucht? Oliver geht es immer um beides, um das Politische und das Persönliche, und damit um allgemeingültige Fragen unserer Existenz und unseres Miteinanders. (Quelle: Verlag)


    Die Autorin:

    Diane Oliver wurde 1943 in Charlotte, North Carolina, geboren und besuchte nach dem Highschool-Abschluss das Women's College, die spätere University of North Carolina. Sie war Chefredakteurin der Unizeitung und veröffentlichte zu ihren Lebzeiten vier Kurzgeschichten, darunter die Story »Nachbarn«, die mit dem O. Henry Award ausgezeichnet wurde. An der University of Iowa nahm sie am Writers' Workshop teil und erhielt den Master-Abschluss postum, wenige Tage nachdem sie 1966 im Alter von 22 Jahren bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen war. (Quelle: Verlag)


    Meine Meinung:

    Jahrzehnte nach ihrer Entstehung werden die Kurzgeschichten von Diane Oliver per Zufall wiederentdeckt.

    Diane Oliver wurde 1943 geboren und starb nur wenige Tage vor ihrer Masterarbeit bei einem Motorradunfall mit nur 22 Jahren. Zu Lebzeiten veröffentlichte sie vier Kurzgeschichten, von denen eine mit dem renommierten O. Henry Award ausgezeichnet wurde; ein Erfolg für die junge schwarze Frau in Zeiten der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

    Zwei weitere Erzählungen wurden posthum veröffentlicht, dann geriet das schmale Werk der Autorin in Vergessenheit.

    Mit dem Buch "Nachbarn" liegen nun vierzehn Kurzgeschichten vor und beginnt mit der titelgebenden Kurzgeschichte "Nachbarn":

    Ellie und ihre Familie fragen sich, ob es richtig ist, ihren kleinen Bruder als Einzigen auf eine weiße Schule zu schicken und ihn damit den Ressentiments auszusetzen. Es ist die Zeit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und Martin Luther Kings. Die Rassentrennung ist noch nicht überwunden.

    In einer anderen Kurzgeschichte geht es um die ärztliche Versorgung. Eine junge Mutter muss mangels Betreuungsmöglichkeit ihre fünf Kinder zum Arzt mitnehmen. Das Wartezimmer ist überfüllt, die Arzthelferin unfreundlich und desinteressiert. Nur eine Mitwartende zeigt Verständnis, stellt aber gleichzeitig neugierige Fragen, die der jungen Mutter nicht angenehm sind.

    Es gibt auch irritierende Geschichten wie die, in der eine schwarze Familie im Wald wohnt, weil sie den rassistischen Übergriffen entgehen will.

    In "Gefrorene Stimmen" bedient sich Oliver der Satzwiederholung, was der Geschichte einen besonderen Rhythmus verleiht.

    Diane Oliver erzählt emphatisch von Sorgen und Zweifeln ihrer Protagonisten.

    Die vierzehn Kurzgeschichten sind Momentaufnahmen aus dem Leben, zeitlos und immer noch aktuell.


  • Nachbarn ist eine Sammlung von Kurzgeschichten aus den 60er Jahren, die das Leben von Farbigen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten aufzeigt. Dadurch, dass Rassismus und Diskriminierung leider noch immer aktuelle Themen sind, ist das Buch von einem besonderen kulturellen Wert und erhält daher eine insgesamt positive Bewertung. Die Qualität der Geschichten an sich geht etwas auseinander und ich bin mir nicht sicher, sie alle wirklich verstanden zu haben. Während einige der Geschichten sehr eindrucksvoll und ausdrucksstark sind, mangelt es anderen aus meiner Sicht an einer klaren Aussage. Es werden teils einfach Eindrücke aus den unterschiedlichen Leben gezeigt, die man auf sich wirken lassen soll. Die Charaktere sind dabei sehr vielfältig. Männer, Frauen, Kinder, arm, reich, gebildet oder auch nicht. Etwas unangenehm kommen dabei einige Klischees rüber, die einfach so stehen gelassen werden.

    Insgesamt sind die Geschichten meist kurzweilig, manchmal langweilig, aber meistens auch bedrückend bis aufwühlend. Jeder muss das Buch selbst auf sich wirken lassen.

  • Dieses Buch zählt zweifelsohne zu einem der ganz großen Werke der Literatur und hat in meinen Augen das Zeug zu einem Klassiker, vllt. ist es dies sogar bereits.

    Selten habe ich ein solches ruhiges, feines und wortgewaltiges Buch gelesen, das einen glänzenden, ja brillanten Schreibstil aufzuweisen hat und solch wichtige Themen aufarbeitet und dies auf eine höchst unprätentiöse Weise, sondern mit einer Ehrlichkeit, die dieses Buch scheinen lässt.

    Dieses Buch setzt ein Plädoyer für für Menschlichkeit, Gleichheit es weist die Grausamkeit von Rassismus und Klassenunterschieden auf und es warnt uns davor, dass sich diese Dinge in der heutigen Zeit wiederholen. Dies funktioniert so herausragend, da die Autorin hierfür einen sehr trivialen, alltäglichen Rahmen wählt, der den Leser erreicht und glänzend funktioniert.
    Dieses Buch schafft Aufklärung, auf unbeschönigte Weise, es verstört, rührt zu Tränen und schafft einem Gänsehaut und unterhält dennoch.
    Durch episch gezeichnete Figuren, die man nur schwer vergessen wird, erzählt es bravourös, mit unfassbaren literarischen Können, welches den Leser staunen lässt.
    Mit Sätzen, die unter die Haut gehen, die poetisch und einprägsam zugleich sind.

    Ein Juwel der Literatur!

  • Diane Oliver wurde 1943 in North Carolina geboren und ist bereits 1966 auf Grund eines Unfalls verstorben. Dieser Band beinhaltet ihre vierzehn Kurzgeschichten, von denen zu ihren Lebzeiten vier veröffentlicht worden waren, u. a. die Titelstory. Erst kürzlich wurden die Geschichten (wieder)entdeckt und nun in dieser Anthologie veröffentlicht.


    Diane Oliver war schwarz und lebte in einer Zeit, in der die Rassentrennung noch aktuell war, vor allem in den Südstaaten. Ihre Geschichten handeln daher auch von Segregation, Diskriminierung und Ausbeutung, sie packt diese in alltägliche Situationen schwarzer Menschen. Sie erzählt im wesentlichen unaufgeregt, dadurch aber nicht weniger bedrückend. Ihre Lebenswelt war eben so.


    Schon in der Titelstory kommt all dies zum Tragen. Tommy soll als erstes – und einziges – schwarzes Kind in eine weiße Schule. Erzählt wird aus Sicht seiner älteren Schwester Ellie. Die Familie erhält Hass- und Drohbriefe, Tommy hat Angst. Winifred geht es in „Die Kammer im obersten Stock“ ähnlich, nur ist es bei ihr ein College. Libby begleiten wir in „Gesundheitsdienst“ in ein Krankenhaus, wo eines ihrer Kinder geimpft werden soll. Leider müssen sie in das Wartezimmer für Schwarze, eine Garantie auf Behandlung gibt es für sie nicht. Libby trifft man übrigens in einer späteren Geschichte noch einmal wieder. Eine besondere Geschichte ist „Kein Service hier“, in der eine schwarze Familie in den Wald flieht, um dort zu leben, und die mich mit ihrer Pointe umgehauen hat.


    Alle Geschichten, bis auf eine, werden aus Sicht von Frauen erzählt. Frauen haben oft noch ein zusätzliches Päckchen zu tragen. Alle dieser Frauen sind schwarz, bis auf eine. In der letzten Geschichte „Spinnen weinen ohne Tränen“ ist es eine weiße Frau, die im Mittelpunkt steht, die allerdings eine Beziehung zu einem Schwarzen aufnimmt.


    Keine der Geschichten ist einfach zu lesen, nicht nur wegen ihrer Themen, man muss sich auch darauf einlassen und aufmerksam lesen. Ich hoffe, dass ich alles so verstanden habe, wie es von Diane Oliver gemeint war. Zum (noch) besseren Verständnis sollte man auf jeden Fall auch das Nachwort Tayari Jones' lesen. Ebenso sollte man die Anmerkung zur Übersetzung nicht überlesen.


    Geschichten, die eine junge Frau vor etwas 60 Jahren geschrieben hat, wurden nun vollständig veröffentlicht und sind auf jeden Fall immer noch lesenswert. Ihre Themen sind durchaus noch aktuell.