Klappentext/Verlagstext
Manis Familie lebt in einem der ärmsten Stadtteile von Seoul. Ihr Vater arbeitet in einem Imbiss und ihre Mutter ist erwerbslos. Als kleines Mädchen träumte Mani davon, rhythmische Sportgymnastin zu werden, inspiriert durch Fernsehbilder der Olympischen Spiele 1988 in Seoul. Als Kind fängt sie mit dem Turnen an, muss aber schnell einsehen, dass sie im Vergleich zu anderen kein Talent hat. Sie wird ein einfaches, unerfülltes Leben führen, auch geprägt von der Demütigung, mit Mitte dreißig noch keine eigene Familie zu haben.
Die Nachricht von der Stadtteilsanierung lässt die Immobilienpreise in die Höhe schießen, gleichzeitig erfährt Manis Familie zufällig, dass die Sanierung abgeblasen werden solle. Als ein Fremder ihr Haus kaufen will, ist die Familie uneins darüber, ob sie diesem gutmütigen Mann die Wahrheit sagen oder ihn täuschen soll. Ihr ganzes Leben lang haben sie sich an das Prinzip der Ehrlichkeit gehalten. Welche Entscheidung werden sie treffen, wenn sie vor dem größten Dilemma ihres Lebens stehen?
Die Autorin
Cho Nam-Joo war neun Jahre lang als Drehbuchautorin fürs Fernsehen tätig. Ihr Roman »Kim Jiyoung, geboren 1982« hat sich weltweit über zwei Millionen Mal verkauft und war auch in Deutschland ein großer Bestseller. Cho Nam-Joo lebt in Korea.
Inhalt
Mani Go ist knapp 40 Jahre alt, als sie gemeinsam mit ihren Eltern in eine Wohnung außerhalb von Seoul zieht. Im Vergleich zu ihrem winzigen Holzhäuschen in der Stadt bringt der Umzug der Familie bescheidenen Komfort, aber auch die Unsicherheit, ob der Vater hier wieder einen kleinen Laden oder Imbiss betreiben kann und Mani eine neue Hilfsarbeit findet.
In Rückblicken auf zwei entscheidende Phasen im Leben der Icherzählerin Mani führt Cho Nam-Joo ihre Leser:innen in den von Armut und Unwissenheit geprägten Alltag der Familie Go. Manis Mutter hat offenbar eine leichte geistige Behinderung; sie kann kaum lesen und findet sich nur in ihrer vertrauten Umgebung zurecht. Über das Thema wird nicht gesprochen, so dass für mich offen blieb, ob Manis Vater das Problem bewusst war. Während der Olympischen Spiele 1988 begeistert sich die 8jährige Mani für die Kunstturnerin Nadia Comaneci und beschließt, selbst Turnerin zu werden. Mutter Go will ein einziges Mal für ihre Tochter (und damit stellvertretend für sich) etwas Außergewöhnliches erreichen und meldet sie an einer Privatschule mit Sport-Schwerpunkt an. Die Folgen sind ihr jedoch nicht bewusst und Mani gerät in die peinliche Situation all der Kinder, deren Eltern mit einfachster Schulbildung zwar im Alltag zurechtkommen, aber an Bürokratie und Verwaltung ihres Landes scheitern.
Mani hat bisher u. a. als Bürobotin gearbeitet, jedoch keine betriebliche Ausbildung erhalten. So beschreibt sie in direkter, origineller Umgangssprache wie sie am Arbeitsplatz formal von Miss Go zu Manager Go aufsteigen, jedoch nichts über ihre Firma und die Welt außerhalb lernen konnte. Bevor es zum Umzug aus der Stadt kam, hatte Mani durchschaut, dass sie und ihre Eltern Immobilien-Spekulanten und Politikern nicht gewachsen sind, konnte aufgrund ihrer Vereinsamung jedoch keine Hilfe suchen.
Fazit
Cho Nam-Joo erzählt aus der Sicht einer circa 40Jährigen die beinahe groteske Geschichte eines Lebens in Armut, deren Figuren arm bleiben, weil die Codes gebildeter Mitmenschen für sie nicht zu entschlüsseln sind. Manis Schicksal, direkt und mit leichter Ironie erzählt, kann stellvertretend für alle Jugendlichen stehen, die niemand darauf vorbereitet hat, die Rolle ihrer überforderten Eltern zu übernehmen.