Peter Gridling - Überraschungsangriff

  • Kurzmeinung

    Bellis-Perennis
    Eine schier unglaubliche Geschichte
  • Wie man eine wichtige Behörde zerstört und welche Folgen daraus erwachsen

    Als am 28. Februar 2018 eine Armada von Staatsanwälten und Polizeibeamten sich frühmorgens unter falschen Angaben den Zutritt zu den Büros verschaffen, gerät die Welt des Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, kurz BVT, aus den Fugen. In einer in der Zweiten Republik noch nie dagewesenen Kommandoaktion werden die diensttuenden Beamten mit folgenden Worten bedroht:


    "Nehmen Sie sofort Ihre Hände von der Tastatur und vom Telefon und treten Sie zurück. Ich bin Angehöriger der Generaldirektion, und somit Ihr Vorgesetzter. Sie werden daher meinen Weisungen folgen. Sollten Sie versuchen, zu telefonieren oder auf andere Art jemanden verständigen, können Sie gleich mit der Staatsanwältin weiterreden. Dies wird Ihnen als Widerstand gegen eine Amtshandlung oder als Begünstigung ausgelegt und es droht Ihnen eine Anzeige und ein Strafverfahren."


    Wenig später sind Zentralschlüssel, Zutrittskarten sowie willkürlich Computer, Mobiltelefone und Akten beschlagnahmt.

    Wie es zu diesem Überraschungsangriff kommen konnte, wer welche Fäden gezogen hat und wer Nutznießer dieser höchst dubiosen Aktion war/ist, versucht der damalige Leiter des BVT Peter Gridling mit diesem Buch, das gleichzeitig Aufarbeitung und Abrechnung ist, nachzuvollziehen. Gridling nennt jene Namen, die er für Draht- und Strippenzieher hält, die eine Nähe zum damaligen Innenminister Kickl haben.


    Gefallen hat mir, wie Peter Gridling die ganze Causa inklusive parlamentarischen Untersuchungsausschuss so objektiv wie ihm möglich war, dargestellt hat. Dazu hat auch die Einführung des fiktiven Journalisten beigetragen, der die Zerstörung einer wichtigen Behörde durch politische Ränkespiele einer Partei quasi „hautnah“ miterlebt hat.


    Dass bei einem Regierungswechsel eigene Parteigänger, Freunde und Günstlinge in meist hohe Positionen gehievt werden und dafür langgediente Mitarbeiter der scheidenden Regierung entweder auf ein Abstellgleis oder gleich gänzlich abserviert werden, ist grundsätzlich nichts Neues - weder in Österreich noch anderswo. Was aber doch neu und erschreckend ist, ist die Methode, mit der hier vorgegangen wurde. Dieser Einblick hinter die Kulissen von Politikerinterventionen und Machtspielen ist informativ und erschreckend zugleich. Es ist beruhigend, dass dieses Buch erscheinen konnte.


    Der Schaden, den diese Aktion angerichtet hat, ist allerdings kaum wiedergutzumachen. Allein die Umbenennung in Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sowie das Austauschen von Führungskräften oder Türschildern wird nicht genügen. Man wird sich das Vertrauen im In- und Ausland schwer erarbeiten müssen. An den Folgen, ausländische Nachrichtendienste haben Österreich als nicht 100% vertrauenswürdig eingestuft, wird das Land noch zu kiefeln haben, wie Terrorismusforscher Nicolas Stockhammer in seinem Buch zum Terroranschlag vom 2. November 2020 „Trügerische Ruhe“ dargelegt hat. Vermutlich wären Informationen zu dem Attentäter früher an die maßgeblichen Stellen geleitet worden.


    Fazit:


    Man könnte versucht sein, an Österreichs Rechtsstaatlichkeit zu zweifeln. Dass das Buch erscheinen kann, versöhnt einen wieder mit der österreichischen Justiz. Ein wichtiges Buch, dem ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)