Annika Brock Schmidt - Amerikas Gotteskrieger

  • Kurzmeinung

    K.-G. Beck-Ewe
    Viel Wissen - nicht unbedingt leicht zugänglich, aber wichtig
  • Klappentext


    IN GOD THEY TRUST -

    ein aufrüttelndes Porträt der

    Religiösen Rechten in den USA


    Sie lehnt alles Staatliche ab, propagiert 'White Supremacy', kämpft gegen Abtreibung, befürwortet erzkonservative Geschlechterrollen und wähnt sich im Krieg gegen satanische Mächte: die Religiöse Rechte in den USA. Unter der Regierung Trump haben zahlreiche ihrer Vertreter Posten im Weißen Haus und in den Gerichten erlangt. Doch ihre Erfolgsgeschichte beginnt viel früher: Seit Jahrzehnten hat die Bewegung ihre Infrastruktur in Organisationen und Medienimperien im ganzen Land weiter ausgebaut.


    Annika Brock Schmidt zeigt, wie tief die Bewegung in der Kultur Amerikas verankert ist und welchen Einfluss sie inzwischen in allen gesellschaftlichen Bereichen ausübt: von der Verbreitung ihrer Verschwörungstheorien über die mediale Reichweite der Fernsehprediger bis hin zur Veränderung der Gesetzgebung.


    Ein hochaktuelles, entlarvendes Buch.


    Eigene Beurteilung (Eigenzitat aus Amazon)


    Die Autorin hat Geschichte, Germanistik und War & Conflict Studies studiert und arbeitet unter anderem für Zeit Online und den Tagesspiegel. Außerdem produziert sie Podcasts für die Max Weber Stiftung und die Bundeszentrale für politische Bildung. Seit einigen Jahren sind die Religiösen Rechten in den USA ihr Schwerpunktgebiet.


    Vor diesem Hintergrund - und mit Hilfe länger Recherchen - hat sie sich an eine ziemlich komplexe Darstellung der Religiösen Rechte und ihres politischen Wirkens in den USA gemacht, die mit diesem Buch vorliegt.


    Die zunehmende Kritik am christlichen Gründungsmythos der Vereinigten Staaten, am Manifest Destiny, an Verharmlosung von Sklaverei und Rechtfertigung von Rassismus in den USA seit spätestens dem Zweiten Weltkrieg hat eine Menge - häufig religiös begründete Gegenwehr hervorgerufen. Wobei auch zum Teil bereits seit dem 19. Jahrhundert und auch davor bestehende Ideen und Strukturen zurückgegriffen wurde.


    In Gottes Namen - so beginnen oder enden politische Rede in den USA häufig, oder mit 'Gott segne die Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Verknüpfung von Politik und Religion erscheint zunächst erst einmal nicht allzu bemerkenswert, da man dazu neigen könnte, es einfach als eine automatisierte Floskel abzutun. Aber' Kreuz und Flagge' (2. Kapitel) sorgten für eine revisionistische, christlich orientierte, rassistische, misogyne, anti-semitische, homosexuellenfeindliche und wissenschaftsleugnende (Neu)Erfindung der US-amerikanischen Geschichte (3. Kapitel). Was sich auf den Diskurs, das Denken und auch das politische Handeln im In- und Ausland auswirkt und je nach Lage unterschiedliche Schwerpunktthemen sucht (säkularer Humanismus, Kritische Rassentheorie, Abtreibung, die 'traditionelle' Familie, Kindererziehung, Homosexuelle, Transsexuelle etc., Kommunisten, Waffengesetze und noch mehr).


    Brockschmidt beschreibt vor diesen Hintergründen - die regelmäßigen Leser/innen von Time, Newsweek und dem Guardian nicht ganz unbekannt sind -, wie sich die verschiedenen Gruppierungen der Nationalistische Evangelikalen gefunden und scheinbar seit der Erfindung des Radios das Denken der Menschen zunehmend systematisch beeinflusst haben. Dabei bedienten sie sich über die Jahrzehnte hinweg auch der Prozesse der Gleichschaltung, wie sie Historiker auch von der NSDAP bekannt sind - ein Aspekt, auf den die Autorin aber nicht eingeht.


    Sie geht davon aus, dass ein Festlegen auf eine christliche Staatsreligion ein primäres Ziel dieser Bewegungen ist, die unter anderem wohl auch die Wahlen von Ronald Reagan und den Bushs mit beeinflusst zu haben scheinen (wobei ein Bush ja tatsächlich - ähnlich wie Trump 2016 - mit weniger Stimmen wegen des Systems des Electoral Colleges gewonnen hätte).


    Brockschmidt beschreibt ein kämpferisches Christentum ('Jesus ist ein Navy Seal' 10. Kapitel), das sich der Nationalgarden und der Amerikanischen Streitkräfte für seine Mission sichern möchte. Dass im Rahmen der Homeschooling Bewegung und durch die Anhänger von Quiverfull (Duggar Familie, interessante Doku dazu in der Mediathek) auch eigene Streitkräfte aufgestellt werden, wird hier nicht erwähnt. Wohl aber der Kampf gegen Umweltschutz, Frauen- und universale Bürgerrechte, Waffengesetze, Abtreibungen, bestimmte Bücher in Schul- und anderen Bibliotheken und noch vieles, vieles mehr.


    Zum Quellennachweis gibt es 60 sehr klein gedruckte Seiten mit Endnoten, ein kurze weiterführende Bibliographie und eine zweiseitige Auswahl der im Buch erwähnten Organisationen,(immerhin schon 62), die zum Teil auch global tätig sind und etwa vor Kurzem am Treffen konservativer Politiker/innen in Ungarn teilgenommen habe.


    Die Autorin hat offensichtlich sehr viel recherchiert und der Inhalt dieses Buchs dürfte nicht annähernd die Gesamtheit ihres Wissens zu diesem Thema darstellen. Doch das Bemühen, möglichst viel dieses Wissens in diesen Seiten unterzubringen bringt für die Leser haft ein paar Schwierigkeiten mit sich. So folgen Darstellung von Organisationen und ihrer Ziele und Vorgehensweise, sowie ihre Koordination mit anderen Gruppen Schlag auf Schlag, so dass man sich beim Lesen geradezu erschlagen vorkommt - wozu eigentlich schon die beschriebenen Inhalte selbst für ein solches Gefühl ausreichen. Wie an andere Stelle geschrieben wurde: 'Ein WTF nach dem anderen.' Das liest sich durchaus anstrengend, ist die Anstrengung aber auch wert.


    Ein wichtigeres Caveat ist das Veröffentlichungsdatum - das aber auch gleichzeitig ein weiteres Argument für die Sachkenntnis der Autorin ist, denn das Buch wurde im Januar 2021 veröffentlicht und seitdem sind bereits einige der Vorhersagen, die Brockschmidt bereits eingetreten, wie etwa Alitos erfolgreiches Herabsetzen von Roe vs. Wade.


    Dieses Buch kann sicher helfen, die Amerikanische Innen--und Außenpolitik ein wenig besser zu verstehen. Und sich deswegen Sorgen zu machen. Genau wie wegen anderer Staaten, in denen die jeweilige Kernreligionen einen sehr großen Einfluss auf das politische Handeln hat.


    Schwerer Tobak, aber wichtig zu lesen.

  • Die Idee einer möglichen christlich-judaistischen Diktatur auf US-Boden kennen wir natürlich auch aus 'Handmaid's Tale', doch auch in diesem Buch findet sich eine entsprechende beunruhigend Darstellung:

  • Zu der Frage der Vorhersagekraft des Buchs gibt das Theater um die Penn- und die Harvard University in den USA - Harvard/UK hat aber vergleichbare Probleme, wie es scheint -, sowie das M.I.T. und die Finanzierer dieser Einrichtungen einige Hinweise. Leser/innen der 'Gotteskrieger' werden hier einige Namen und Methoden wiedererkennen.


    Zu den psychologischen Methoden, die auch stark von D. Trump genutzt werden gibt es hier auch ein paar Hinweise. Der Autor von 'The Power of Positive Thinking' ist selbst im Nationalistische Evangelikalismus sehr aktiv gewesen nach Brockschmidts Darstellungen.

  • Das Buch interessiert mich sehr, auch wenn ich mich beim Lesen vermutlich permanent aufregen werde. Mir schwillt ja schon der Kamm, wenn ich Deine Rezi lese (also nicht der Rezi wegen natürlich). Diesen neuen (?) christlichen Fundamentalismus finde ich unglaublich gruselig.

  • Neu ist er leider nicht so wirklich. Schließlich hatte er ja in den 80ern schon 'Handmaid' s Tale' inspiriert und wir finden ihn auch im ganzen Kalten Krieg, bei den Fernsehpredigern und sogar in den 30ern mit dem Einführen des Radios. Vertreter/innen dieser Richtung finden sich auch oft bei Stephen King.

  • Das stimmt, so ganz war der ja leider nie weg ... aber doch nicht ganz so präsent in der Politik und gesellschaftlich akzeptiert wie in den letzten Jahren :( Irgendwie läuft das, wie so vieles gerade, in die völlig falsche Richtung.

  • Irgendwie läuft das, wie so vieles gerade, in die völlig falsche Richtung.

    Ich hoffe immer noch, dass es ein letztes Auf bäumen der Bekloppten ist, bevor es dann richtig gut wird - und bleib zur Sicherheit im Training 🤺