Michael Palin - Great-Uncle Harry: A Tale of War and Empire

  • Michael Palin wusste lange Zeit nur wenig von seinem Großonkel Harry. 1977 brachte eine Tante einen Stapel mit alten Familiendokumenten vorbei, darunter auch Harrys Aufzeichnungen. Aber auch wenn Michaels Interesse geweckt war, gab es doch andere Sachen, die wichtiger waren. Erst über dreißig Jahre später sah er Harrys Namen auf einer Gedenktafel an der Somme und dieses Mal schob er die Erinnerungen nicht beiseite.


    Dass man in der Familie nur wenig über den Großonkel wusste, lag hauptsächlich daran, dass Harry auf den ersten Blick ein wenig wie das schwarze Schaf der Familie wirkte. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder war er ein durchschnittlicher Schüler. Seine Anstellungen bei verschiedenen Überseegesellschaften verdankte er den Beziehungen seiner Familie statt seiner Begabung. Aber trotz aller Unterstützung schaffte er es nie, beruflich Fuß zu fassen und wanderte schließlich nach Neuseeland aus. Zu Beginn des ersten Weltkriegs meldete er sich an die Front.


    Harry Palin war kein ausführlicher, aber ein regelmäßiger Briefeschreiber. Aus den zahlreichen Nachrichten, die sich oft nur auf das Nötigste beschränkten, entstand ein anderes Bild als das, das die Familie von ihm hatte. Er beschreibt einen jungen Mann, der nie in das strenge Korsett der gesellschaftlichen Konventionen des britischen Empire gepasst hat und der von den an ihn gestellten Anforderungen oft überfordert war. Erst als er in Neuseeland schien er angekommen zu sein. Das einfache Leben auf der Farm, bei der er immer genau wusste, was man von ihm erwartete, war das Leben, für das er gemacht war. Vielleicht fühlte er sich deshalb auch bei der Armee so wohl, denn auch da wurden ihm alle Entscheidungen abgenommen.


    Michaels Großonkel wirkte im Umgang mit anderen Menschen oft unbeholfen, aber in seinen Briefen war das nicht so. Er pflegte zahlreiche Brieffreundschaften mit jungen Frauen, wobei sich der Großneffe nicht sicher war, welche Motive er dabeihatte. Wahrscheinlich war seine Korrespondenz der einfachste Weg, seiner Einsamkeit zu entfliehen. Aber aus seinen Briefen konnte Michael nicht nur viel über den Krieg, sondern auch sehr viel über den Schreiber erfahren. Auch wenn sich die beiden Männer nie begegnet sind, wirkt die Erzählung des jüngeren Palin liebevoll, als ob er dem älteren Palin gerade "Auf Wiedersehen" gesagt hätte. Es ist eine andere Geschichte als die Reiseberichte, die ich sonst von Michael Palin kenne, aber deshalb gefällt sie mir nicht weniger gut.

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    Eine deutsche Ausgabe ist noch nicht erschienen.