Harald Görlich - Feuermal und Flammenmeer: Das Leben der Agnes von der Hayden

  • Eine Mutter auf der Suche nach ihren verschollenen Kindern ...

    Der Autor entführt die Leser in das Stuttgart um 1800. Zu dieser Zeit sollen Frauen schön, fügsam, wenn möglich vermögend sein und – ganz wichtig – Söhne zur Welt bringen. Wer dem nicht entspricht wird von der eigenen und der angeheirateten Familie schikaniert.

    Agnes von Hayden ist so eine Frau. Weil sie die geforderten Erben nicht zur Welt bringt, begibt sie sich in die Hände eines Wunderheilers, der sie betäubt und missbraucht. Als sich kurz nach der „Behandlung“ die heiß ersehnte Schwangerschaft (es sind sogar Zwillinge) einstellt, scheint die Welt gerettet.


    Doch, wie der Autor es eben will, entdeckt der jähzornige Gemahl Rüdiger den Betrug, tragen doch beide Kinder ein recht auffälliges Feuermal auf ihren Körpern. Er lässt die Kinder unter falschem Namen in ein Waisenhaus bringen. In dem darauf folgenden Streit inklusive Handgemenge ersticht Rüdiger die Vertraute seiner Gemahlin. Darauf tötet Agnes ihren Mann in Notwehr. Der folgende Prozess bringt Agnes hinter Gitter.


    Nach ihrer Begnadigung 1806 versucht sie ihre Kinder ausfindig zu machen. Von Waisenhaus zu Waisenhaus wird sie weitergereicht. Meistens wird sie unfreundlich behandelt. Dann erhält sie den Hinweis, es bei den Auswanderungsbehörden zu versuchen. Schließlich landet sie in Hamburg, wo sie Nachforschungen über die Auswandererschiffe anstellt.


    Das ist ein schwieriges Unterfangen, da eines der beiden Kinder, das Mädchen mit einer Familie nach Amerika ausgewandert ist und dort, liebevoll umsorgt, aufwächst. Der Junge, einer Krankheit wegen in Hamburg geblieben, hat weniger Glück. Mehrmals sind die drei nahe dran, sich kennenzulernen, zumal sich die Tochter, nach der Ermordung ihrer Zieheltern, selbst auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter und ihrem Bruder macht.


    Schwester und Bruder treffen, nach intensiven Recherchen der jungen Frau, in 1842 in Hamburg aufeinander. Während des verheerenden Brandes, der große Teile der alten Hansestadt vernichtet, kommt es zum Showdown. Das Schicksal der Agnes von Hayden ist packend erzählt. Besonders bei der Schilderung des Brandes ist es mit kalt über den Rücken gelaufen.


    Allerdings muss sich der Autor ein wenig Kritik gefallen lassen. An manchen Stellen trägt er zu dick auf. Da wäre manchmal weniger mehr gewesen. Die Rolle des „Wunderheilers“ und seines Sohnes bei der „Fruchtbarkeitsbehandlung“ der Agnes war ein bisschen sehr unappetitlich und unglaubwürdig.


    Die vielen Schicksalsschläge die alle Mitglieder der Familie jeweils getrennt treffen, reichen für mehrere (Roman)Leben.


    Fazit:


    Der packend dargestellten Lebensgeschichte der Agnes von Hayden gebe ich trotz der oben erwähnten Kritikpunkte 5 Sterne.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)