C.S. Dupont - Das Reich der Sonnenkaiserin

  • Inhalt

    Seit zwanzig Jahren erblüht das nemarische Matriarchat unter der Führung der Sonnenkaiserin Mirabella und ihren sechs Königinnen. Jedenfalls der weibliche Teil davon. Doch dann fällt ein Stern vom Himmel und ein Banner taucht auf, das eigentlich für immer besiegt sein sollte.


    Handlung und Struktur

    Die Geschichte folgt zwei Haupthandlungssträngen.

    Zum einen ist da Taler, der die letzten zwanzig Jahre in einem eisigen Gefängnis in Cantariken gesessen hat und nun mit einer Mission auf freiem Fuss ist. Seine Mission ist die kleine Elfe Mayree und läuft nicht wie geplant. Die beiden finden sich schon bald im Kargi wieder, wo sie sich den Silvanerinnen von Kargaha stellen müssen.

    Dann ist da Finja, eine verhinderte Feuermagierin am Hofe der Kaiserin. Als Eliteprotektorin des Reiches wird sie gezwungen, die Gemütlichkeit des Palastes hinter sich zu lassen und sich ihres Ranges als würdig zu erweisen.

    In weiteren Perspektiven werden ausserdem die Geschichte des Matriarchats und die gegenwärtigen Ereignisse weiter beleuchtet.

    Grundsätzlich ist die Geschichte unterhaltsam. Das liegt aber vorwiegend an der “Andersartigkeit” des Stils und der Figuren, wie ich weiter unten noch ausführen werde. Eine Plotstruktur mit Spannungsbogen und einem Ziel, auf das alles hinausläuft, ist leider nicht vorhanden. Kein Wunder, dass bei mir dann ab etwa Seite 100 etwas Flautenstimmung aufkam. Ich hatte immer mal wieder das Gefühl "Jetzt kommt gleich was" - das war aber immer nur sehr punktuell. Auch auf einen Climax wartete ich vergebens. Und die Handlungsstränge wurden nur lose zusammengeführt. Im Grunde liest sich dieser erste Band wie eine 400 seitige Einleitung, gewissermassen wie ein erster Akt.


    Setting

    Nemarien ist aufgeteilt in sechs (?) magisch-thematische Königreiche, regiert von den Königinnen mit entsprechenden magischen Begabungen. Die Welt, welche die Autorin zeichnet, ist sehr verlockend und hat eine angemessene Tiefe, eigene Kulturen und glaubhafte Bewohner*innen. Dazu ist sie ansprechend beschrieben und ist vor meinem geistigen Auge zum Leben erwacht. Auch das abgeriegelte Königreich der Elfen, wie die Elfen selbst, konnten mich überzeugen. Ähnliches gilt grundsätzlich für die Magie - das System folgt einer internen Logik, die Kräfte sind nachvollziehbar ausgestaltet und passen stimmig in die Welt.

    Die Idee eines Matriarchats fand ich grundsätzlich spannend - hier ähnelt es doch sehr einem umgekehrten Patriarchat, aber mit Eigenheiten. Ich kann zwar sehen, dass dies wohl beabsichtigt war, finde es aber dennoch schade, dass aus diesem Setting nicht mehr herausgeholt wurde. Die Message kommt daher auch etwas plump daher. Da helfen mir auch die “philosophischen” Gespräche nicht drüber hinwegzusehen. Auch ist der historische Werdegang des Matriarchats für mich nicht überzeugend. 20 Jahre sind dann doch etwas knapp, um zu glauben, dass Ideologie, Werte und sogar Religion im Alltag der Menschen wirklich grundlegend verändert worden sind. Die strenge Hand der Kaiserin und die damit verbundenen Massnahmen scheinen dann gar nicht mehr so harsch, sondern eher zu lasch, um das aufgepfropfte System glaubhaft zu tragen.

    Auch das Gedankengut einzelner Figuren war mir nicht ausreichend hergeleitet. Da gibt es einfach zu viele junge Leute, die im Matriarchat aufgewachsen sind und trotzdem ganz selbstverständlich kritisch denken. Und zu viele ältere Personen, die den grössten Teil ihres Lebens im Patriarchat gelebt haben und ihre neue Rolle beinahe (emotional) gleichgültig übernommen haben.


    Stil

    Stilistisch kommt Das Reich der Sonnenkaiserin in einem sehr ungewohnten aber erstmal durchaus sympathischen Gewandt daher und hebt sich sprachlich definitiv vom Mainstream ab. Etwas märchenhaft, etwas satirisch anmutend, auch witzig. Die schwungvollen Formulierungen übersteigen aber manchmal das Können der Autorin. Da ist dann ein Eingriff zu vernehmen (anstatt vorzunehmen), Schultern werden zurückgerafft und Essen wird aufgebahrt... Während die Sprache für den Erzählstrang von Taler und der Elfe sehr gut passt, kommt es andernorts etwas übertrieben rüber. Auch die süsslichen Formulierungen - kleine dies und süsse das - fand ich etwas zu viel.


    Charaktere

    Die Haupt- und die meisten Nebencharaktere finde ich grundsätzlich interessant angesetzt und abwechslungsreich. Jede*r mit einer eigenen Stimme ausgestattet, erreichen sie glaubhafte Tiefe, um plastisch zu erscheinen und mich emotional abzuholen. Besonders hervorzuheben sind hier Taler und Mayree - sie sind nicht nur als EInzelcharatere sehr gelungen, sondern entwickeln gemeinsam auch eine wundervolle Dynamik, die sehr lebendig und amüsant zu lesen ist. Ebenfalls sehr spannend fand ich Finjas Motivation, die sich üblichen Klischees doch sehr widersetzt.

    Leider gab es übergeordnet dann doch einiges, was mich beim Lesen gestört hat. So wirken die Königinnen allesamt eher kindisch in ihrem Gezänk und Verhalten - für Magierinnen, die teilweise eine dreistellige Zahl an Jahren hinter sich hat, ist das doch irgendwie unwürdig.

    Obwohl das Setting typisch Fantasy ist, ist es das Verhalten der Figuren und die Art, wie es rüber gebracht wird, nicht. Die Geschichte hat ein sehr modernes Ambiente. Viele Charaktere verhalten sich wie... Jugendliche? Oder junge Erwachsene, ihre Verantwortungen oder ihre Ausbildungen oder Erfahrungen werden teilweise völlig ausser Acht gelassen - ihre Reaktionen und ihre Art zu reden hat oft etwas sehr kindliches.


    Fazit

    Alles in Allem ist "Das Reich der Sonnenkaiserin" doch relativ unterhaltsam und oft amüsant zu lesen - auch wenn es eher vor sich hinplätschert, als dass es mich gepackt hat. Die Endsituation dieses ersten Bandes macht mich einerseits neugierig auf einen allfälligen Folgeband. Diese Neugierde wird aber etwas ausgebremst vom trägen Fluss dieser Geschichte. Ich kann mir vorstellen, eine Fortsetzung zu lesen, auch wenn sie vielleicht nicht zu oberst auf meiner Prioritätenliste steht.