Robert M. Zoske - Flamme sein! Hans Scholl und die Weiße Rose

  • Eine penibel recherchierte Biografie, die Hans Scholl als ewig Suchenden, als Wanderer darstellt

    "Ganz leben - oder gar nicht" Das Motto von Hans Scholl


    Wer kennt diesen Namen nicht? Hans Scholl – Gründungsmitglied der Weißen Rose, jener Widerstandsbewegung gegen Hitler.

    Der evangelische Theologe Robert M. Zoske zeichnet ein bislang eher unbekanntes Porträt von Hans Scholl. So erfahren wir, dass Hans Scholl zunächst von den Nationalsozialisten angetan war und es in der Hitlerjugend sogar bis zum Fähnleinführer bringt. Gleichzeitig liest Hans Scholl heimlich verbotene Bücher und widersetzt sich damit dem Regime. Dieser zivile Ungehorsam wird letztlich in der Gründung der Widerstandsbewegung und im Verteilen der Flugblätter münden. Beides wird ihm, seiner Schwester Sophie und Christoph Probst das Leben kosten.


    Meine Meinung:


    In diesem Buch beleuchtet der Autor die tiefe Religiosität von Hans Scholl sowie dessen Vorliebe zu Lyrik. Allerdings haben genau diese Gedanken und Gedichte meinen Lesefluss unterbrochen. Die Gedichte sind manchmal schwermütig und häufig schwülstig. Damit kann ich persönlich wenig anfangen.


    Sehr interessant ist, dass der Autor der sexuellen Ausrichtung von Hans Scholl so breiten Raum widmet. Das grenzt für mich schon ein wenig an Voyeurismus. Natürlich ist es für Hans‘ Werdegang wichtig, dass er wegen des §175 StPO angeklagt worden ist. Immerhin reicht während der Nazidiktatur schon allein der Verdacht homosexuell zu sein, um in ein KZ eingeliefert und ermordet zu werden.

    Gut ist die Zerrissenheit des jungen Medizinstudenten, der verbotene Autoren wie Nietzsche oder Thomas Mann gelesen hat, beschrieben.


    In seinen zahlreichen Briefen spürt man, dass Hans Scholl nicht nur gegen das Regime kämpft sondern auch gegen sich selbst. Eigentlich will er nur ein „normales“ Leben führen. Doch was ist im Nazi-Staat schon normal?

    Hans Scholl ist ein ewig Suchender, ein Wanderer, der durchaus widersprüchlich ist.


    „Hans Scholl sollte bis an sein Ende der werdende Wanderer bleiben, doch nur auf den Wandel wollte er sich trotzdem nicht festlegen. Sprunghaft-widersprüchlich versuchte er, die Gegensätze von Ruhe und Ruhelosigkeit miteinander zu vereinen.“


    Hans Scholl ist kein Mann von halben Sachen. „Ganz leben oder gar nicht“ – das wird zu seinem Leitspruch. Letztlich wird er sich für „gar nicht“ entscheiden.


    Aufgefallen ist mir, dass Robert M. Zoske die Rolle Sophie Scholls in der „Weißen Rose“ herunterspielen versucht. Hat sie wirklich so wenig Anteil am Widerstand, wie uns der Autor weismachen will?


    Beiden Geschwistern ist gemeinsam, dass sie sich der Gefahr in der sie schweben, bewusst sind und ihre Hinrichtung in Kauf genommen haben. Sowohl Hans als auch Sophie zeigen eine tiefe Gelassenheit und ein Gottvertrauen, die bewundernswert sind.


    Neben vielen Auszügen aus den Briefen von Hans Scholl finden sich im Anhang die Originaltexte der Flugblätter sowie alle Gedichte.


    Der Titel „Flamme sein!“ ist ebenso perfekt gewählt wie das folgende Zitat von Christian Morgenstern:


    „Nur wer sich selbst verbrennt, wird den Menschen ewig wandernde Flamme.“


    Fazit:


    Eine sehr interessante Biografie, die durch akribische Recherche besticht. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)