Nasila von Staudt - Flammentochter

  • Einblick in das Gerichtswesen des 17. Jahrhunderts

    „Flammentochter“ ist der Debütroman von Nasila von Staudt, der auf einer wahren Begebenheit beruht und einen Blick auf ihre eigene Familiengeschichte wirft. Worum geht’s also?


    Man schreibt das Jahr 1627. Europa wird seit knapp zehn Jahren von Kriegen überzogen, die erst 1648 (also nach dreißig Jahren) mit dem Westfälischen Frieden enden wird. Was als Glaubenskrieg zwischen Katholiken und Protestanten begonnen hat, entwickelt sich zu einem territorialen Krieg, der nicht nur ganz Europa betrifft, sondern auch ungeahnte Folgen hat.


    Nach dem Tod ihrer Eltern an der Pest wird die 13-jährige Margaretha Hörber in die Obhut des Müllerehepaares Ursula und Hans Hermann gegeben. Gemeinsam mit einigen anderen Waisenkindern wird sie vor allem von Ursula Hermann als billige Arbeitskraft missbraucht. Schläge und Demütigungen sind ebenso wie Nahrungsentzug für kleinste Vergehen an der Tagesordnung. Zudem ist es der Müllerin ein Dorn im Auge, dass Margaretha, nach dem Willen von Margarethas Bruders, zwei Tage in die Schule gehen darf, damit etwas Bildung erhält.


    Um aus diesem gewalttätigen Umfeld zu entkommen und bei ihrem älteren Bruder leben zu dürfen, fasst das Mädchen einen verhängnisvollen Entschluss: Sie bezeichnet sich selbst als Hexe und setzt damit einen Prozess in Gang, dessen Ausgang ungewiss ist.

    Margaretha wird aufgrund der Anzeige der Müllerin verhaftet, eingekerkert und vor Gericht gestellt. Ein ungewöhnlich langer Prozess beginnt, in dem das Mädchen um sein Leben bangen muss, zumal ein selbst ernannter Hexenjäger namens Schreckenfuhs (sic!) aus Würzburg den Prozess und das Mädchen in die benachbarte Stadt ziehen will. Dort wird mit Frauen, die der Hexerei beschuldigt werden, kurzer Prozess gemacht und die Scheiterhaufen lodern.


    Meine Meinung:


    Die Ereignisse um Margaretha Hörber aus Rothenburg ob der Tauber sind historisch belegt. Allerdings, so schreibt die Autorin im Nachwort, sind einige fiktive Charaktere eingeführt. Dieser Debütroman liest sich fesselnd, zumal der Ausgang solcher Hexenprozesse im Allgemeinen bekannt sind.


    Sehr interessant finde ich Margarethes Einstellung zu Gott. Sie zweifelt an ihm, dem angeblich gütigen Gott, da er Kriege und Seuchen zulässt, die ihren Eltern das Leben gekostet hat. Die Gespräche, die sie mit dem protestantischen Pastor im Gefängnis führt, wirken sehr reif.


    Die Spannung, wie die Schöffen urteilen werden, steigert sich von Seite zu Seite ins schier Unerträgliche. Das Ende kommt dann fast zu schnell.


    Die Leser leiden mit Margaretha und ihrem Bruder mit. Wir erhalten Einblick in die Gerichtsbarkeit dieser Zeit, die sehr gut und detailliert beschrieben ist. Dazu verwendet die junge Autorin die Gerichtsakten, die sie in den Archiven von Rothenburg an der Tauber recherchiert hat.


    Der Schreibstil ist schnörkellos. Nasila von Staudt nennt auch die unangenehmen Dinge wie Ehrgeiz oder Machtstreben im Kleinen wie im Großen beim Namen.


    Fazit:


    Ein fesselnder historischer Debütroman, der penibel recherchiert ist. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)