Inger-Maria Mahlke – Unsereins

  • Kurzmeinung

    drawe
    Facettenreicher Gesellschaftsromanm sprachlich an "Buddenbrooks" angelehnt
  • Kurzmeinung

    Abroxas
    Vielschichtiges, szenisch geschriebenes Lübecker Gruppenporträit zur Kaiserzeit; Exzellent
  • Klappentext/Verlagstext

    Eine Lübecker Familie, kinderreich, konservativ, kaisertreu: die Lindhorsts. 1890 kommt Marthe in dem weitläufigen Patrizierhaus in der Königstraße zur Welt. Um sie eine Schar älterer Brüder, deren Freiheiten nicht ihre sein werden. Und doch ist es ein Leben mit glänzenden Aussichten. Bis ein Bestsellerroman, verfasst vom Sohn eines verstorbenen Bekannten, den respektablen Lindhorsts klarmacht, dass sie für ihr Umfeld auch nach zwei Generationen noch immer «die Jüdischen» sind.

    Unsereins ist der Roman einer Stadt und ihrer Gesellschaft, ihrer Bürger und Lohndiener, der Handwerker und, vor allem, ihrer Frauen. Ob Dienstmädchen, Hausfrau, Weißnäherin oder Schriftstellerin, ob manisch-depressiv wie Marthes Mutter, durchlässig wie Marthe selbst, die mit eigenen und fremden Erwartungen ringt. Inger-Maria Mahlke erzählt von Identität und Zugehörigkeit, von Geschlecht und Klasse, von Macht- und Liebesverhältnissen – von allem, was nicht nur den vormals «kleinsten Staat des deutschen Reichs», Lübeck, formte und zusammenhielt.


    Die Autorin
    Inger-Maria Mahlke wuchs in Lübeck und auf Teneriffa auf, studierte Rechtswissenschaften an der FU Berlin und arbeitete dort am Lehrstuhl für Kriminologie. 2009 gewann sie den Berliner Open Mike. Wissenschaften und der Künste… . Ihr Roman „Wie Ihr wollt“ gelangte unter anderem auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises, den sie 2018 für den Roman „Archipel“ dann erhielt. (… gekürzt)


    Inhalt
    Wenn Friedrich und Marie Lindhorst im Lübeck der Kaiserzeit von ihren Kindern erzählten, teilten sie sie gern die „die Ältesten, die Mittleren und den Jüngsten“ auf. Das waren jedoch erst sechs, ihre beiden Töchter zählten offenbar nicht als Kinder. Im Lübeck der Kaiserzeit arbeitete Friedrich Lindhorst als Anwalt; er war Vorsitzender des Bürgerausschusses im Lübecker Stadtrat und wird für einen Sitz im Berliner Reichstag kandidieren. Als einer von drei Brüdern unterliegt er u. a. Familieninteressen, seine politische Karriere beruht eher auf Quoten als auf Kompetenzen und ist für einen beruflich Selbstständigen wirtschaftlich ein Verlustgeschäft. Die Stadtgeschichte Lübecks zeigt sich von der Lage an zahlreichen Gewässern geprägt, von der Konkurrenz mit Hamburg, aber auch von der (Un-)fähigkeit seiner Städtväter, die Weichen für die Herausforderung der Zukunft zu stellen.


    Marie Lindhorst spielt die klassische Rolle bürgerlicher Frauen der Epoche, die eheliche Pflichten um den Preis zu verrichten hatten, entweder von Tuberkulose dahingerafft zu werden oder bei der xten Entbindung im Kindbett zu sterben. Die bipolare Marie hält sich zwischen Sanatoriums-Aufenthalten jedoch aufrecht mit der Planung üppiger Festlichkeiten, die u. a. der Anbahnung standesgemäßer Verbindungen dienen. Wie lange Lindhorst einen Haushalt mit 23 Zimmern finanzieren kann, habe ich mich nicht nur einmal gefragt.


    Im Privatleben erleben wir die Lindhorsts geprägt von einer Klassengesellschaft, in der sie ohne Dienstpersonal weitgehend hilflos wären und in der Heiraten in erster Linie der Sicherung geschäftlicher Verbindungen dienen. In einer Familie mit sechs Söhnen sollten theoretisch die unterschiedlichsten Talente heranwachsen für kaufmännische, militärische, theologische und wissenschaftliche Karrieren. Doch wie viele standesbewusste Familien jener Zeit nehmen die Eltern Lindhorst weniger die Talenten ihrer Kinder wahr als ihre Defizite – und von talentierten Töchtern ist sowieso keine Rede.


    Mit Focus u. a. auf Dienstmädchen Ida, Leih-Diener Helms und Ratsdiener Isenhagen lässt Inger-Maria-Mahlke ihre Leser:innen hinter bürgerliche Kulissen blicken. Ida und der auswärtige Schüler Georg stehen für Menschen, die durch einen Schicksalsschlag aus ihrer sozialen Schicht fallen, zunächst ohne Aussicht, sich aus eigener Kraft wieder hochzuarbeiten. Mahlkes Focus liegt betont auf der Rolle der Frauen und des Dienstpersonals. Zu kurz kommen für meinen Geschmack die Töchter Lindhorst, denen ihre Mutter leider wenig fürs Leben mitgeben kann. Wasserbau-Direktor Schilling wäre ich zu gern an seinen Arbeitsplatz gefolgt, da ich die Infrastruktur einer Stadt wie Lübeck für interessanter halte als Maries Einkaufsorgien.


    Fazit
    Sorgfältig recherchiert und liebevoll wie spöttisch erzählt, gibt Inger-Maria Mahlke Einblick ins Lübeck der Kaiserzeit. In „Unsereins“ vergeht die Zeit, indem die Kinder heranwachsen. Der Roman hat m. A. keinen roten Faden, sondern kartiert die Beziehungen zwischen Menschen, die aus ihren gewohnten Netzen geworfen werden oder sich selbst heraus kämpfen. Insgesamt ein Roman, den ich mit seiner Detailfülle mit Begeisterung gelesen habe.


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    erscheint am 14.11. - Vorabveröffentlichung im Rahmen von Vorablesen

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Und was ist der Mensch anderes als sein Kredit?


    Im Mikrokosmos des kleinsten Staats Deutschlands mit einem klar definierten Zeitrahmen von 1890 bis 1906 stellt die Deutsche Buchpreisträgerin Mahlke die Auswirkungen der Politik und Zeitumstände auf die Psychologie verschiedener Gesellschaftsschichten dar wie z. B. der Arbeiter, der Dienstboten, der gehobenen Mittelschicht und des Kulturbürgertums. Dafür hat die Autorin einen aussagekräftigen Titel gewählt: "Unsereins" - so spricht ein von sich sehr überzeugtes Milieu von sich selbst.


    Im Fokus der einzelnen Kapitel stehen einzelne Personen, die sich dadurch ergebenden Perspektivwechsel erhellen das Bild der Situationen, wenn etwa ein junges Dienstmädchen wegen Schwangerschaft entlassen wird und anschließend die Herrschaft über das neu eingestellte ältere meckert. Die Vielzahl an Charakteren ergibt ein Soziogramm in politisch aufgewühlten Zeiten. Bismarck tritt zurück, Frauen wollen studieren, die Sozialdemokratie bildet sich heraus aus einer sich entwickelnden Arbeiterschaft. Einzelner Individuen wie des Schülers Georg bedient sie sich, um durch seine naiven, aber aufmerksamen Augen das Geschehen zu betrachten. Einem ähnlichen Zweck dient auch Isenhagens "geheimes Staatsarchiv".


    Zu meinem Missfallen hat der Umschlagtitel mit dem Verweis auf die "Buddenbrooks" wieder einmal eine falsche Erwartungshaltung in mir erzeugt, denn so eine herausragende Rolle spielen dieser Roman und sein Verfasser eigentlich gar nicht. "Das Buch" kommt erst auf Seite 386 ins Spiel.


    Mahlke fordert ihre Leser: ihre Bereitschaft, sich auf Subtilitäten einzulassen, ihr Gedächtnis, um kapitelüberspannend Zusammenhänge zu erkennen, und nicht zuletzt ein gewisses Geschichtsverständnis, um die persönlichen Gegebenheiten einzuordnen. Leicht kann man dabei den Faden verlieren ob dieser notwendigen Konzentrationsleistung, was wiederum zu Lasten des Lesevergnügens geht.


    Innere Monologe durchziehen die äußeren Ereignisse und rekapitulieren die Verkettungen mit Vergangenem - das erinnert an die originelle rückwärts gewandte Erzählweise des "Archipels". Allerdings baut sie damit auch eine ganz spezielle Spannung auf, indem sie rätselhafte Ausgangslagen am Kapitelende auflöst. Manchmal bringt die Schriftstellerin aber auch durchaus Humor ins Spiel durch pikante Parallelitäten wie dem Butter schlagen in der Küche und der gleichzeitig erfolgenden manuellen ehelichen Pflichterfüllung im Schlafzimmer.


    Empfehlen würde ich dieses Werk geübten, anspruchsvollen Literaturbegeisterten, die sich nicht nur an einer Geschichte ergötzen, sondern eine artifizielle Schreibweise zu schätzen wissen.



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  • Unsereins erzählt die Geschichte der protestantisch, konservativ, kaisertreuen Lübecker Familie: die Lindhorsts. 1890 beginnt die Geschichte mit der Geburt der Nachzüglerin Marthe. Von diesem Ereignis ausgehend erzählt Inger-Maria Mahlke ein facettenreiches, detailliertes Werk vom Aufstieg und Fall des weitläufigen Patrizierhauses. Als sich die Familie langsam wieder finanziell erholt, erscheint ein Bestsellerroman, verfasst vom Sohn eines verstorbenen Lübecker Senators, der den respektablen Lindhorsts klarmacht, dass sie für ihr Umfeld auch nach zwei Generationen noch immer «die Jüdischen» sind.


    Meine persönlichen Leseeindrücke

    Inger-Maria Mahlke kann Schreiben, das steht außer Frage. Sie taucht ausführlich und feinfühlig in das Leben der Familie Lindenhorst ein, und verbindet damit Ereignisse und Menschen, deren sie sich ausladend annimmt. Obwohl es mich selten stört wenn es fordernd wird, hier wird es mir dann doch zu viel. Ohne Personenverzeichnis am Anfang des Buches wäre ein gutes Durchkommen schwierig geworden.

    Mahlkes Sinn fürs Detail wirkt dann irgendwann einfach nur mehr ermüdend. Zu ausufernd sind ihre Einblicke in das Leben jeder einzelnen Romanfigur. Wenngleich es historisch und gesellschaftlich lohnende Einblicke in Lübecks Leben um die Jahrhundertwende gibt, so sind dennoch knapp 500 Seiten zu viel bemessen. Einige Figuren hätte die Autorin streichen können, ihr Dasein kann man wohlwollend dem Tratsch zuschreiben. Der Handlung hätte dies zweifelsfrei gut getan, sie wäre greifbarer und sinnhafter geworden. Und somit hat Mahlke mit ihrem Buch, das durchaus ein buddenbrooksches Flair hat, für mich nicht klar ausdrücken können, was sie eigentlich sagen wollte.


    Fazit

    „Unsereins“ von Inger-Maria Mahlke erzählt die Geschichte der Lübecker Patrizierfamilie Lindhorst, und vieler anderer Nebenfiguren. Der Schreibstil passt, doch ist die Erzählung, die durchaus mit einer Buddenbrooks Atmosphäre aufwartet, durch ausufernde Details ermüdend.


    N.B. Meine Buchbeschreibung ist an die Rezension von Sternguckerin (Lovelybooks) angelehnt.

  • Anstrengende Lektüre


    Worum geht es in dem Buch?


    Der Roman besteht aus vielen Momentaufnahmen einiger Leute aus Lübeck, die sich in den Jahren von 1890 bis 1906 abspielen. Das Deutsche Reich ist damals ein Kaiserreich und Lübeck gilt als „kleinster Staat“ darin.


    Die Leser machen Bekanntschaft mit Georg, der aus Berlin kommt, in Lübeck das Gymnasium besucht und nicht sonderlich Freude an der Schule hat. Er wohnt bei einem Pastor, der nicht nur ihn, sondern auch andere Schüler beherbergt.


    Weiterhin lernt man Friedrich Lindhorst kennen, praktizierender Rechtsanwalt, verheiratet und kinderreich. Seine Frau kommt mit der Kinderschar nicht klar, immer wieder leidet sie an seelischen Problemen.


    Der Ratsdiener Isenhagen ist sehr beschäftigt. Seine Nachbarschaft, besonders Mathilde Helms, interessiert sich dafür, wie seine Wohnung aussieht. Er konsultiert Mathilde Helms immer wieder in Fragen zu Zimmerpflanzen.


    Ida Stuermann ist Dienstmädchen bei den Lindhorsts. Sie träumt von einer Karriere als Stenotypistin, besucht an ihren freien Tagen Kurse für Stenografie und erlernt Maschinenschreiben.


    Es gibt noch viele andere Personen, deren Schicksal teilweise gestreift wird oder über die ausführlicher berichtet wird.


    Meine Meinung zu diesem Buch:


    Der Roman ist im Präsens geschrieben, aus der auktorialen Erzählperspektive (also kein Ich-Erzähler). Die Autorin hat einen sehr anspruchsvollen Erzählstil gewählt mit wenig wörtlicher Rede, viel indirekter Rede und einigen alten Wörtern. So ist ein Gymnasium beispielsweise eine „Anstalt“ und die Frau des Pastors eine „Pastete“.


    Einen roten Faden in der Handlung sucht man vergeblich, auch ist keine Spannung vorhanden. In dem Buch geht es vielmehr um die Gesellschaft im Deutschen Reich gegen Ende des 19. Jahrhunderts und im frühen 20. Jahrhundert. Wer in wohlhabenden Verhältnissen geboren ist, kann es schaffen, Karriere zu machen. Vorwiegend ist das Männern vergönnt.


    Frauen kümmern sich um die Kindererziehung, beaufsichtigen das Dienstpersonal. Wer wohlsituiert ist, fährt im Sommer für einige Wochen in den Urlaub, beispielsweise nach Sylt.

    Viele der Figuren sowie die Darstellung der Gesellschaft aus längst vergangenen Zeiten ziehen den Leser in den Bann. Zum Glück gibt es am Anfang des Buches ein Verzeichnis der handelnden Personen. Es ist nützlich und erleichtert die Lektüre immer wieder.


    Mein Fazit:


    Das Buch lässt sich nicht „einfach weg lesen“, es erfordert Konzentration. Viele Personen, viele Puzzleteile, viele Momentaufnahmen machen diesen Roman aus. Von manchen wird mehr, von anderen weniger berichtet. Manche Fragen, die man als Leser hat, bleiben ungeklärt. Zum Beispiel: Kommt Robert aus Japan zu Hause an? Welche Probleme hat Ida mit ihren Händen, besonders am Ende des Romans?


    Positiv finde ich, dass ich in diesem Buch einiges über die Gesellschaft im Deutschen Kaiserreich in Lübeck gelernt habe. Diese Zeit ist faszinierend dargestellt.


    Ich vergebe „Unsereins“ von Inger-Maria Mahlke vier Sterne und eine Leseempfehlung.

  • REZENSION – Schon ihrem mit dem Deutschen Buchpreis 2018 ausgezeichneten Roman „Archipel“, der Geschichte mehrerer Familien über fünf Generationen hinweg auf Teneriffa, wurde damals eine Nähe zu Thomas Manns „Buddenbrooks“ nachgesagt. Einen direkten, diesmal von Inger-Maria Mahlke (46) sogar gewollten Bezug erkennt man nun in ihrem im November beim Rowohlt Verlag erschienenen Roman „Unsereins“. Darin beschreibt die in Lübeck aufgewachsene Schriftstellerin nicht nur das gesellschaftliche Leben des hanseatischen Großbürgertums sowie deren Hauspersonals, der Lohndiener und Handwerker in den Jahren zwischen 1890 und 1906 in Lübeck, dem „kleinsten Staat“ des deutschen Kaiserreichs. Ganz konkret erscheint in ihrem Roman sogar der junge Thomas Mann als Autor eines damals in der Lübecker Gesellschaft Aufsehen erregenden Familienromans. Dennoch sollte man „Unsereins“ völlig losgelöst und frei von dieser literarischen Bürde lesen – als eine Familiengeschichte, die mir in ihrem modernen Stil sowie in ihrer historischen Authenzität und Komplexität der Handlung ebenfalls preiswürdig erscheint.

    Im Vordergrund dieses inhaltlich üppigen Gesellschaftsromans steht vor allem das Leben der kinderreichen Familie von Friedrich Lindhorst - „protestantisch, konservativ, kaisertreu“ - und dessen Ehefrau Marie, Tochter des „berühmtesten Dichters aller Zeiten“, deren jüngste Tochter Marthe als deren achtes Kind im Jahr 1890 im großen Patrizierhaus in der Königstraße geboren wird. Schon Friedrich Lindhorst ist als Rechtsanwalt in gewisser Weise ein Außenseiter seiner Kaufmannsfamilie, folgten doch seine Brüder, der Senator Achim und der Konsul Heinrich Lindhorst, noch der beruflichen Familientradition. Doch der gesellschaftliche Umbruch jener Zeit wird weitere Veränderungen bringen.

    Der Patrizierfamilie gegenüber stellt Mahlke die Handwerker und Lohndiener wie Charlie Helms oder Ratsdiener Isenhagen und das Hauspersonal der Lindhorst-Familie, allen voran deren Dienstmädchen Ida. Wir begleiten Ida von ihrem Dienstbeginn im Hause Lindhorst, erleben mit ihr die schrittweisen Veränderungen jener Jahre, die auch an der Familie Lindhorst ihre deutlichen Spuren hinterlassen bis hin zum Tod des an Syphilis erkrankten Sohnes Cord und der manischen Depression seiner Mutter Marie. Es braucht Jahre bis sich Ida aus ihrem Dienstmädchen-Leben zu befreien versucht, heimlich Steno und Schreibmaschine lernt, um ein selbstbestimmtes Leben führen und als Büroschreibkraft arbeiten zu können. „Ich werde nicht in Diensten sterben“, hämmert sie immer wieder in Großbuchstaben als Mahnung an sich selbst in die Maschine.

    Mahlke beschreibt in „Unsereins“ ein beeindruckend komplexes Gesellschaftsbild um die Wende ins 20. Jahrhundert, die auch vor der konservativen Hansestadt nicht Halt macht. Wir erfahren, wie festgefügte Rollen und damit verbundene konservative Erwartungen an Politik und gesellschaftlichen Stand aufbrechen und Hoffnungen auf Veränderung zu keimen beginnen.

    Zwar zwingt die Vielzahl von Mahlkes Protagonisten anfangs mehrmals zum Zurückblättern auf die im Vorspann zum Glück eingefügte Liste handelnder Personen, zumal verschiedene Handlungsstränge sich erst später zum komplexen Gesellschaftsbild fügen, doch bald gewinnt man dann doch den Überblick, kann die Figuren jeweils zuordnen und vollends in die Geschichte und ihre Zeit eintauchen. Man lebt mit Mahlkes Figuren und bedauert schließlich das Ende der Geschichte, die sich auch gut verfilmen ließe. „Aber vielleicht ist dies nicht das Ende, sondern nur der Anfang“, lautet Mahlkes letzter Satz im Buch. Damit kann das weitere Leben ihrer Protagonisten gemeint sein. Der Satz kann aber auch Mahlkes doppeldeutiger Hinweis auf eine Fortsetzung ihres Romans „Unsereins“ sein.