Roger Nicholas Balsiger - Der Uhrmacher des Zaren

  • Kurzmeinung

    Bellis-Perennis
    Eine faszinierende Familiengeschichte
  • Roger Nicholas Balsiger erzählt nicht nur die Lebensgeschichte des Industriepioniers, Heinrich Moser (1805-1874) aus Schaffhausen, sondern auch eine faszinierende Familien- und Firmengeschichte über mehrere Generationen.


    Heinrich Moser lernt das Uhrmacherhandwerk bei seinem Vater Erhard und macht sich nach seinen Wanderjahren und einer zusätzliche Lehre in Le Locle nach Russland auf, um dort ein Glück zu suchen. Es gelingt ihm in St. Petersburg, die Lieblingsuhr des Zaren zu reparieren, was ihm zu Vermögen, Ansehen und mehreren Geschäften verhilft.

    Zurück in der Schweiz baut er seine Fabrik zu einem Imperium aus und schreckt auch vor visionären Ideen, wie ein Kraftwerk am Rheinfall nicht zurück.


    Daneben wird auch die private Seite des Unternehmers beleuchtet, die nicht immer von Empathie geprägt ist. Besonders seinem Sohn Henri ist er unnachgiebig, als der sich nicht für das Uhrenimperium interessiert. Nach dem Tod seiner ersten Frau Charlotte heiratet er die junge Adelige Fanny Sulzer-Wart (1848–1925). Aus dieser Ehe gehen Fanny (1872-1953) und Mentona (1874-1971) hervor.

    Mentona, die von ihrer Mutter kaum beachtet und wenn, dann nur gemaßregelt wird, heiratet 1909 Hermann Balsiger. Sie schließt sich den Sozialisten an, um später, Mitbegründerin der Kommunistischen Partei der Schweiz zu werden. Die Familiengeschichte endet mit dem Jahr 1925, obwohl es mit den Protagonisten spannend weitergeht. Eine kurze Zusammenfassung gibt es im Nachwort.


    Meine Meinung:


    Roger Nicholas Balsiger, Urenkel von Heinrich Moser, erhält im Jahr 1969 ein Paket mit Briefen, Fotografien und Dokumenten. Fünfzig Jahre später liegt nun die fulminante Familiengeschichte vor. Dem Autor ist eine sehr detailreiche Familiengeschichte gelungen, die leider manchen potenziellen Leser aufgrund ihrer Detailverliebtheit abschrecken könnte. Ich persönlich habe mit den historischen Zahlen, Daten und Fakten kein Problem - im Gegenteil, ich finde solche Informationen interessant.


    Die Familiengeschichte ist in drei Teile gegliedert, die jeweils eine Person in den Fokus stellt: Heinrich, Henri und Mentona. Allerdings muss ich zugeben, dass mir der zweite Teil um Henri weniger gut gefallen als die beiden anderen. Über Heinrich und seine Zeit im Zarenreich hätte ich gerne noch mehr erfahren. Doch auch sein späteres Leben in der Schweiz ist interessant zu lesen. Seine visionären
    Ideen stoßen nicht immer auf Gegenliebe. Nicht minder interessant ist seine zweite Ehefrau Fanny Sulzer-Wart (1848–1925), die an mehreren Traumata aus der Kindheit leidet und Mentona gegenüber genauso agiert, wie sie es von ihrer eigenen Mutter erdulden musste. Fanny Sulzer-Wart ist auch deswegen eine schillernde Figur, weil sie Siegmund Freud konsultiert hat und als Emmy von N. in die Medizin eingegangen ist.


    Mentona, die vier Tage vor Heinrichs Tod geboren ist, wird von ihrer Mutter vernachlässigt, da sie ihr die Schuld an Heinrichs Tod gibt. Der Konflikt Mutter/Tochter zieht sich das ganze Leben hindurch. Mentona wird selbst ihre Autobiografie “Ich habe gelebt.“ verfassen. Sie erscheint 1986 mit einem Nachwort von Roger Nicholas Balsiger. Diese Autobiografie sowie das Buch von Eveline Hasler „Tochter des Geldes. Mentona Moser – die reichste Revolutionärin Europas“ muss ich mir auch noch besorgen, da mich die Familiengeschichte der Mosers angetriggert hat.


    Fazit:


    Eine detaillierte Familiengeschichte der Uhrendynastie Heinrich Moser. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)