Geraldine Brooks - Das Gemälde / Horse

  • Klappentext

    Washington, D.C., 2019: Jess, eine junge australische Wissenschaftlerin, und Theo, ein nigerianisch-amerikanischer Kunsthistoriker, finden sich durch ihr gemeinsames Interesse an einem Pferd unerwartet verbunden. Jess untersucht die Knochen des Hengstes nach Hinweisen auf seine Kraft und Ausdauer – Theo will die verlorene Geschichte des unbekannten schwarzen Trainers aufdecken, der für seinen Rennerfolg entscheidend war.

    New York City, 1954: Martha Jackson, eine Galeristin, die für ihr Gespür bekannt ist, entdeckt ein Ölgemälde eines Pferdes aus dem 19. Jahrhundert von unbekannter Herkunft.

    Kentucky, 1850: Ein versklavter Junge namens Jarret und ein braunes Fohlen schmieden ein Band der Verständigung, das das Pferd zu Rekordsiegen im Süden Amerikas führen wird. Als der Bürgerkrieg ausbricht, wird auch ein junger Künstler, der sich mit Gemälden des Rennpferdes einen Namen gemacht hat, zu den Waffen gerufen. In einer gefährlichen Nacht trifft er auf den Hengst und seinen Reiter Jarret, weit entfernt vom ehemaligen Glanz der Rennstrecke.

    Basierend auf der wahren Geschichte des siegreichen Rennpferds Lexington ist »Das Gemälde« ein Roman über Kunst und Wissenschaft, Liebe und Besessenheit und unsere offene Rechnung mit alltäglichem Rassismus.


    Über die Autorin

    Geraldine Brooks wurde 1955 in Sydney geboren und bereiste elf Jahre lang als Auslandskorrespondentin des Wall Street Journal die Welt. 2006 erhielt sie für ihren Debütroman „Auf freiem Feld“ den Pulitzerpreis. „Das Pesttuch“ avancierte zum internationalen Bestseller und wurde in 25 Sprachen übersetzt. Auch ihr neuer Roman „Das Gemälde“ stand auf Anhieb auf der New-York-Times-Bestsellerliste. Geraldine Brooks lebt auf Martha's Vineyard, Massachusetts.


    Mein persönliches Fazit

    Das Buch hat mir unglaublich gut gefallen. Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich eine glatte 20 dafür vergeben. Es gehört in diesem Jahr definitiv zum einen Jahreshighlights. Und das nicht nur, weil der Grundstock für das Buch die Geschichte eines der berühmtesten Rennpferde aller Zeiten ist.


    Geraldine Brooks verflicht in ihrem Buch verschiedene Handlungsstränge aus verschiedenen Zeiten zu einem ganz wunderbaren Roman. Dabei verarbeitet sie Themen wie Sklaverei und (Alltags-)Rassismus und betrachtet sie aus dem jeweiligen zeitlichen Kontext. Das tut sie äußerst geschickt, jede Episode ist enthält dieses Thema und seine Auswirkungen in unterschiedlichem Maße, mal verdeckter, mal offensichtlicher. Aber immer so, dass es dem Leser sehr bewusst ist. Den Stil dabei finde ich wunderbar. Toll erzählend, mitfühlend, filigran, mitziehend, Bilder erzeugend. Ich hatte beim Lesen sehr häufig das Gefühl, in diesem Pferdestall zu stehen, auf dieser Rennbahn zu sein oder die Angst selbst zu spüren. Und obwohl die Geschichte komplex und facettenreich ist, hatte ich nie das Gefühl mich durch die Menge der Figuren und Handlungsstränge überfordert zu fühlen.

    Die Autorin verblüfft dabei mit sehr profundem Wissen über Pferdezucht, Anatomie und die Geschichte der Rennpferde, ebenso über Kunst und die historische Einordnung von Sklaven in der Renngeschichte. Sie legt ihren Figuren dieses Wissen so passend in den Mund, dass selbst diese wissenschaftliche Aspekte nahtlos in die Geschichte eingebunden werden.


    Die Figurengestaltung gefällt mir sehr. Jess und Theo sind ein bemerkenswertes Figuren-Duo. Beide sind dynamisch, klug und auf ihren Fachgebieten absolute Kenner. Die größte Unterschied ist ihre Hautfarbe. Jess ist weiß, Theo eine Person of Colour, aufgewachsen mit den Privilegien der weißen britischen Oberschicht. Dieser Umstand wird noch eine gewichtige Rolle in der Geschichte spielen.

    Es treten zwischen beiden viele alltägliche, kleine Situationen auf, die für stumme Momente, Innehalten, Wut und Ärger sorgen. Unbeabsichtigte, schnell gesprochene Sätze, die wie Nadelstiche wirken. Diese Situationen machen den Leser nachdenklich, man überlegt unwillkürlich, was man selbst gesagt hätte.

    Beim Ende bin ich mir nicht ganz so sicher, ob es nicht letztlich doch etwas zu viel war. Bei nochmaligem darüber Nachdenken finde ich es dennoch passend und auch nur konsequent, die Gegenwart so aktuell mit einzubeziehen.


    Die Autorin verpackt ernste Themen in eine unterhaltsame Geschichte, lässt sie dadurch für den Leser leichter erscheinen, als sie es wirklich sind und regt zum Nachdenken und auch zu Diskussionen an. Die ganze Geschichte hat mich sehr bewegt und nachdenklich über meinen eigenen Umgang mit Sprache gemacht.

  • Vielschichtiges Gemälde amerikanischer Kultur


    „Das Gemälde“ von Geraldine Brooks ist in vielfältiger Hinsicht genau, was sein Titel verspricht: Ein Roman, der ein detailliertes Bild der amerikanischen Kultur zeichnet – viel mehr als ein einfaches Pferdebuch.


    Drei Zeitebenen werden über ein Gemälde des Rennpferds Lexington geschickt miteinander verwoben. 1850 schmieden der versklavte Junge Jarret und das Fohlen Lexington ein ganz besonderes Band. Die tiefe Beziehung der Beiden ist ein zentrales Thema dieser Zeitebene, auf der uns auch der junge Künstler Thomas Scott begegnet, der Pferdeportraits malt. Sein Portrait von Lexington landet 1950 in den Händen der Galeristin Martha Jackson und ein weiteres 2019 in den Händen des nigerianisch-amerikanischer Kunsthistorikers Jess. Die großen Themen des Buches – Rassismus & Freiheit - ziehen sich durch alle Zeitebenen der Geschichte, die auf wahren Tatsachen beruht.


    Beeindruckend recherchiert ist die Geschichte des amerikanischen Pferderennsports, dessen Erfolg auch auf dem gnadenlosen Umgang mit Tier und Mensch beruht. Besonders erschreckend ist hier die deutliche Parallele der Geschichte Jarrets und Lexingtons – beide im Besitz des gleichen Herrn, vollkommen abhängig von dessen Plänen.


    Auf der letzten Zeitebene des Buches ist die Sklaverei abgeschafft, für Theo ist Alltagsrassismus jedoch ein allgegenwärtiges Thema. Besonders in seiner Beziehung zu Jess und den vielen, kleinen Anpassungen an einen sicheren Alltag wird offensichtlich, wie tief das Rassismus noch in den Köpfen der Menschen verankert ist.


    Für mich war das Buch spannend von der ersten bis zur letzten Seite!

  • Wow, was für ein großer Roman!


    Wenn ein Buch die Bezeichnung des großen amerikanischen Romans verdient, dann ist es für mich dieses!

    Ich bin jetzt weder 100% Pferdemädchen, noch interessiere ich mich groß für amerikanische Geschichte, trotzdem konnte mich der Roman völlig von sich überzeugen.

    Es gibt 3 Zeitebenen und das, sowie die Aufmachung, haben mich erstmal sehr an "Die Geschichte der Bienen" und die Folgebände erinnert. (Wahrscheinlich, weil der Verlag diese Zielgruppe erreichen möchte?)

    Von diesen drei Ebenen fand ich die historischste um das Pferd Lexington und den Skalven Jarred am spannendsten. Die anderen werden jedoch gut verknüpft. Tatsächlich war es vielleicht deswegen, dass ich mit der historischen Ebene am meisten mitgefiebert habe, dass mich dann die Ebene in der Gegenwart am meisten mit ihrem Plottwist überrascht (und erschüttert/ schockiert) hat! Es unglaublich gemacht, wie es die Autorin schafft, die Probleme der Vergangenheit in die Gegenwart zu holen und sie aktuell zu machen. Ich muss gestehen, dass mir das Ende immer noch nachhängt und ich würde empfehlen, beim Lesen Taschentücher bereitzuhalten.

    Es ist keine leichte Lektüre, sie behandelt soviele schwierige Themen (Skalvenhaltung, Bürgerkrieg, Tierquälerei, Alltagsrassismus, Armut und noch einiges mehr), aber sie lohnt sich auf jeden Fall. Das mit Abstand beste Buch, was ich diesen Monat gelesen habe!