Volker Weidermann - Mann vom Meer

  • Kurzmeinung

    Abroxas
    Stilistisch überzeugende biographische Skizze, die weniger durch neue Einsichten zu bestechen versucht
  • Autor: Volker Weidermann
    Titel: Der Mann vom Meer

    Seiten: 240 Seiten
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch

    Autor (von Amazon): Volker Weidermann, geboren 1969 in Darmstadt, war Gastgeber des Literarischen Quartetts im ZDF. Seit 2021 leitet er das Feuilleton der Zeit. Er ist Autor zahlreicher Bücher, u. a. »Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft« und »Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen« und Herausgeber der Reihe »Bücher meines Lebens».


    Inhalt (von Amazon):

    Das Meer war für Thomas Mann sein Leben lang der Ort der Sehnsucht und des verheißungsvollen Sogs in die Tiefe. Deutsche Romantik und Todessehnsucht – und Ort der Befreiung von den Konventionen, den politischen, literarischen, erotischen Zwängen des bürgerlichen Lebens. Ort der Freiheit und des wahren Ich.

    Vielleicht fängt alles dort an, wo seine Mutter das Glück der Kindheit erlebt: im brasilianischen Urwald, in einem großen, hellen Haus am Meer. Mit sieben kommt sie nach Travemünde, in die deutsche dunkle Kälte, mit einer Sehnsucht, die bleibt. Ihr Sohn Thomas wächst an der Ostsee auf, in Lübeck, aber sobald er kann, geht er in den Süden, reist nach Italien, ans Mittelmeer, verliebt sich in junge Männer, folgt aber den Konventionen der Zeit und heiratet Katia. Jahre später: Der Gang ins Exil. In Kalifornien, am Pazifik, wird er noch einmal ein anderer: Er kämpft gegen Hitler, für die Demokratie, für die Freiheit und nimmt die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Nach seinem Tod lebt seine Lieblingstochter Elisabeth sein Vermächtnis als weltweit gefeierte Meeresforscherin in ihrer utopischen ozeanischen Politik fort.

    Volker Weidermann schreibt mit Leichtigkeit und Humor, mit Wärme und großer Klarheit über den Nobelpreisträger, über seine Sehnsucht und seine Lieben. Sein Buch ist die Geschichte eines deutschen Jahrhunderts, es ist die Biografie eines großen Schriftstellers und seiner Familie, vor allem aber ist es ein Roman über das Dunkle, Glänzende, Bedrohliche, Verlockende, Befreiende – über Thomas Mann und das Meer.

    Eigene Meinung: Der Autor V. Weidermann verfolgt in dieser Biographie über Thomas Mann ein für mich ganz neues Konzept. Er "hangelt" sich an Hand der von Thomas Mann veröffentlichen/geschriebenen Romane, Erzählungen, Novellen, Essays dem Leben Thomas Mann entlang. Das mag auf den ersten Blick für viele neu und auch innovativ sein, kann aber auch in gewisser Weise nach hinten los gehen.
    So wie in meinen Fall! Nicht das ich das Buch gerne gelesen habe bzw. das es mir irgendwie langweilig wurde NEIN ! Der Autor vermag es mit seiner leichten, flüssigen Schreib- und Erzählweise einen schon bei Laune zu halten. Nur irgendwann kommt der geneigte Leser (also ich :wink: ) nicht mehr ganz so einfach mit. Ich die von Thomas Mann vor vielen Jahren nur die "Buddenbrooks. Verfall einer Familie" gelesen habe. Die, wenn man mich fragen würde noch "Der Zauberberg" , "Tod in Venedig" und "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" auf zählen könnte (und das ist nicht mal viel :uups:)
    Zwar bekommt man eine kurze 2 Sätze Zusammenfassung der Werke im jeweiligen Kapitel mitgeteilt, aber oft mal reicht das nicht unbedingt aus den Wertegang, seine Gedanken zum Lebensabschnitt zu verstehen. Am Anfang mag das noch alles gehen, man fängt ein neues Buch an lässt sich erstmal vollkommen darauf ein, freut sich was über das Leben dieses großen deutschen Schriftsteller zu erfahren, aber wie gesagt es wird zum Ende hin anstrengend.
    Für jeden der sämtliche Werke des Nobelpreisträgers Thomas Mann kennt, mag das Buch mal eine andere Sicht auf das Leben und Wirken des Dichters sein und dieser geneigte Leser wird vielleicht dem Buch volle 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung geben. Das ist jetzt, hier und heute bei mir nicht so :) in der Mitte des Buches war ich noch geneigt zu sagen. "Okay, schaue mir dann doch das eine oder andere Werk des Dichters doch mal näher an, aber ob das was wird?" Um doch noch ein bisschen mehr Einblick zu bekommen. Aber ob das wirklich etwas wird, da der Stapel ungelesener Bücher nicht unbedingt klein ist und noch so viel tolle Bücher da draußen warten bzw. jeden Tag neue hinzukommen.
    Von mir jetzt und heute :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    Sobald wir lernen, uns selbst zu vertrauen, fangen wir an zu leben. ( Johann Wolfgang Goethe )


    Jede Begegnung , die unsere Seele berührt hinterlässt eine Spur die nie ganz verweht. ( Lore-Lillian Boden )

  • Mann? Meer? Ich will mehr!


    Am Anfang steht Elisabeth - am Meer. Ein kleines Mädchen an der Hand ihres Vaters. Soweit so normal. Der Vater ist allerdings nicht irgendwer, sondern Thomas Mann - späterer Literaturnobelpreisträger. Er will seiner Tochter das zeigen, was ihn sein ganzes Leben geprägt hat: die unendliche Weite, die Kraft des Elements, dass er ihr von Beginn ihres Lebens an „auf den Leib geschrieben“ hat.


    Das ist der Beginn des meisterhaft in Szene gesetzten literarischen Sachbuchs „Mann vom Meer“ von Volker Weidermann (erschienen 2023 im Verlag Kiepenheuer&Witsch), der hier (nicht nur) seinem großen Idol Thomas Mann Tribut zollt.


    Woher kommt diese Liebe zum Meer, die Thomas Mann in vielen (oder den meisten) seiner Erzählungen und Romanen auf die ein oder andere (mal versteckte, mal offene) Art und Weise kundgetan hat? Dazu holt Volker Weidermann zunächst etwas weiter aus und erzählt den Leser:innen vom Leben der Julia da Silva-Bruhns, genannt Dodo, der Mutter von Thomas Mann und seinen Geschwistern, die im Alter von 7 Jahren von Brasilien nach Lübeck kam. Der „Einzug“ Julias in Lübeck hatte etwas „karnevalmäßiges“:


    „[…] Die Kinder trugen Panamahüte, sie hatten ihre schwarze Sklavin Anna dabei und den würdevollen Pai. Nein, so eine lustige Familie hatte die Stadt noch nicht gesehen. Johlend liefen die Kinder Lübecks hinter der exotischen Gruppe her und lachten. Um sie irgendwie zu beruhigen und loszuwerden, warf die brasilianische Familie Süßigkeiten in die jubelnde Menge.“ (S. 25)


    Die Leser:innen erfahren anschließend noch eine ganze Menge mehr über Julia, ihre Jugend, die (eine) Liebe, die nicht sein durfte und wie sie schließlich Thomas Johann Heinrich Mann heiratete. Dann schlägt Weidermann den Bogen zu Heinrich und Thomas…


    Nun beginnt ein Ritt durch die Wellen, äh, die Romane und Erzählungen Thomas Manns. Mal kurze, mal längere Zitate aus „Buddenbrooks“, „Tonio Kröger“, „Doktor Faustus“ etc. Was andere vielleicht abschreckt, weil sie „mehr“ vom Autor Volker Weidermann lesen wollen (der trotz der vielen Zitate zu Wort kommt *g*), hat mich dazu gebracht, mich nun endgültig mehr mit dem Werk von Thomas Mann zu beschäftigen. Eindrucksvoll erzählen die Zitate und Weidermann von der (politischen) Entwicklung des Literaturnobelpreisträgers, die sich wie die Liebe zum Meer auch literarisch in seinen Texten niederschlägt. Ob es wohl je ein Buch über Thomas Mann geben wird, in dem sich NICHT über seine sexuelle Gesinnung geäußert wird? Ich glaube es nicht, aber stören tut es mich auch nicht – es gehört zur Person Thomas Mann ebenso dazu wie seine Literatur.


    Am Ende landen die Leserinnen und Leser wieder bei Elisabeth bzw. ihrem „Vermächtnis“, denn Volker Weidermann erzählt im Nachwort u. a. von einer Reise mit dem Forschungsschiff „Elisabeth Mann Borgese“, um „[…] hier so etwas wie den Geist der Namensgeberin und […] ein wenig auch den Geist ihres Vaters“ (S. 227) zu finden. Ob es ihm gelungen ist? Wir wissen es nicht. Tatsache ist jedoch, dass Volker Weidermann mit „Mann vom Meer“ mein persönliches Halbjahreshighlight veröffentlicht hat, weshalb ich nicht umhinkomme, kristallklare 5* aus meinem Seesack zu ziehen und eine entsprechende Leseempfehlung auszusprechen.


    ©kingofmusic