Keah Rieger - Wir waren frei

  • Inhalt

    Die Welt wurde durch Kriege und Klimakatastrophen zerstört. Lediglich auf dem künstlichen Kontinent Lex ist noch Leben möglich. Utopia wurde erschaffen - friedvoll, gesund und sicher. Doch blickt man hinter das System, könnte die Frage aufkommen, ob Freiheit oder Sicherheit das höchste Gut der Menschen ist.


    Meinung

    Mir ist lange kein Buch untergekommen, dass Fiktion und Realität so aktuell verbindet, wie „Wir waren frei“. Die Parallelen zu vielen heutigen Themen und Geschehnissen sind nicht von der Hand zu weisen und das Ergebnis zu dem Keah mit ihrer Geschichte kommt ist faszinierend zu Lesen und erschreckend zugleich. Das dystopische Zukunftszenario schien mir (leider) an vielen Stellen sehr realistisch und viele Entwicklungen bewegen sich (leider) durchaus im Rahmen des Möglichen.


    Das Buch konnte mich von Beginn an packen und half mir aus einer absoluten Leseflaute. Eigentlich wollte ich nur kurz Reinlesen. Am Folgetag war die Geschichte dann beendet.

    Vinnie konnte mein Herz wie im Flug erobern. Ihre Entwicklung war so nachvollziehbar und ihre Zweifel und Zerrissenheit immer wieder aufs Neue spürbar. Für mich war sie eine extrem starke Protagonistin, die komplett durch Charakter überzeugte, ohne abenteuerliche Unternehmungen, flotte Sprüche oder schmückendes Beiwerk.


    Auch für Paul konnte ich viel Sympathie aufbringen. Ich mochte den Wechsel der Ausdrucksweise, wenn ich Pauls Tagebucheinträge lesen durfte. Sie zeichneten mir Bilder in den Kopf, die mir Paul und seine Welt in allen Farben zeigten.


    Fazit

    Keah hat es geschafft politische Themen, Krieg, das Klima und Emanzipation in eine emotionale und packende Geschichte zu integrieren, die hoffentlich viele, viele junge Leser erreicht, die die genannten Themen im Alltag eher meiden.


    Ein Hoch auf „Wir waren frei“ - packend, nachdenklich und erschreckend real.

  • “Wir waren frei” von Keah Rieger erzählt die Geschichte von Vinnie Chesterfield. Das sechzehnjährige Mädchen lebt auf Lex - einem künstlichen Kontinenten, der zwischen Südamerika und Neuseeland gepflanzt wurde, als die Welt am Rande des Abgrunds stand. Dort sollten die wenigen Glücklichen Zuflucht finden vor Krieg und Klimawandel und vor grundsätzlich allem Bösen der alten Welt. Unter ihnen war der achtzehnjährige Paul, der in den Wirren der Zeit seine wirren Gedanken in einem Tagebuch festgehalten hat. Vinnie hingegen lebt 71 Jahre später und Lex ist inzwischen zu einem überfürsorglichen Staat geworden, der für seine Bürger alle Entscheidungen trifft. Und niemals falsch liegt. Auch die Partnerwahl legt Vinnie vertrauensvoll in dessen Hände. Bis sie ihren zukünftigen Ehemann trifft - und der so gar nicht dem entspricht, was sie sich immer erträumt und erhofft hat. Und als sie dann auch noch Pauls Tagebuch in die Finger bekommt, beschliesst Vinnie zu rebellieren.


    Wo soll ich nur anfangen…?

    Das Setting ist grundsätzlich nicht uninteressant. Ein künstlicher Kontinent als Rettungsschiff der Menschheit - lassen wir mal all die globalen klimatischen, politischen und logistischen Hürden, Konsequenzen etc ausser acht. Weil Jugendroman. Tun wir halt mal so, als ob…

    Obwohl Paul zu Beginn von den “futuristischen” Strukturen schwärmt, ist in Vinnies Alltag davon wenig zu sehen. Ok, es gibt eine Magnetbahn. Ansonsten verlässt sich Lex aber auf den altmodischen Ackerbau, tätowierte Strichcodes, die zur Anwesenheitskontrolle gescannt werden (was ist aus den guten alten implantierten Chips geworden?), Erdöl als Energielieferant und überwacht seine Bürger mit einer Flut verpixelter Drohnenbilder. Weil Plot, weil Jugendbuch…?

    Gesellschaftspolitisch lebt Lex nach dem Motto “Back to the 50s!” - Männer gehen arbeiten, Frauen gehören an den Herd. Und ausserdem gehören Letztere quasi Ersteren. Wie ein solches System sich aus einem Haufen Intellektueller der 30er Jahre des 21. Jahrhunderts entwickeln konnte, bleibt der Roman leider schlüssig zu erklären schuldig.


    Zu Beginn der Geschichte ist Vinnie ein Kind ihrer Umstände und Erziehung - absolut staatshörig, folgsam und ihr ganzes Leben dreht sich um Hausarbeit und den Tag ihrer Hochzeit. Das macht sie glücklich. Als sie dem Auserwählten dann begegnet, bricht ihre Welt zusammen. Verständlich - ekelerregender hätte er nicht sein können. Vinnie geht sofort in Widerstand - auf ganzer Linie, mit aller Härte. Und verwendet dabei eloquent Konzepte wie Freiheit, Totalitärer Staat und Propaganda, als kenne sie diese schon ihr ganzes Leben. Wie Schuppen von den Augen fällt ihr, wie schrecklich das System ist, das sie zuvor noch nie in Frage gestellt hat. Und ich wünschte, ich könnte sagen, dass das Tagebuch sie dazu inspiriert. Dieser Eindruck entsteht allerdings nicht, da fast keine gedankliche Auseinandersetzung damit stattfindet und oft nicht einmal Parallelen zum Gelesenen bestehen. Ausserdem ist Paul über weite Strecken eher ein Systemmitläufer mit wenig Durchblick und noch weniger politischer Awareness und zugehörigem Vokabular.


    Grundsätzlich passiert eher wenig und es gibt neben Vinnies Gedanken und verbalen Aufbegehren kaum Handlung. Bis sie sich dazu entschliesst, einen wirklich dummen Plan zu verfolgen, der jeglicher Logik entbehrt und noch dazu total unnötig ist. Das Ende ist nicht nur verstörend, sondern auch bar jeglicher thematischer Message. Es wirkt auf mich, als wären der Autorin hier einfach die Ideen ausgegangen.


    “Wir waren frei” hat mich mit dem versprochenen Thema geködert: Freiheit vs Sicherheit. Wieviel Freiheit sind wir für unsere Sicherheit zu opfern bereit? Wieviel Sicherheit sind wir bereit für unsere Freiheit aufzugeben? Allerdings haben sich Setting, Figuren und Plot als äusserst fadenscheinig und unausgegoren entpuppt. Und ich konnte dem Buch auch thematisch nichts abgewinnen. Dazu waren all die jugendlichen Gedanken zu wirr und ziellos, die Charakterentwicklung zu willkürlich und haltlos. Das Beste, was ich über das Buch sagen kann: Es war immerhin kurz.