Hengameh Yaghoobifarah - Habibitus

  • Von 2016 bis 2022 war Hengameh Yaghoobifarahs Kolumne „Habibitus“ in der taz zu lesen. Nun ist bei Blumenbar eine Ausgabe von über 120 dieser Texte erschienen. „Habibitus“, das ist zunächst eine Zusammensetzung aus dem Habitus-Begriff von Bourdieu (Habitus als Auftreten einer Person aufgrund bestimmter Einflüsse und Faktoren) und dem arabischen „habibi“, was „Liebling“ bedeutet. Und dieser Kolumnenname ist eigentlich schon Programm, aber dazu später.

    Die Sammlung beginnt mit einem Vorwort von Fatma Aydemir. Mit ihr gab Hengameh Yaghoobifarah übrigens den Essayband „Eure Heimat ist unser Albtraum“ heraus, den ich in diesem Kontext sehr als ergänzende Lektüre empfehlen kann. (Ebenso wie Yaghoobifarahs Debütroman „Ministerium der Träume“.) Aydemir beschreibt treffend den Witz der Kolumne, eine Art liebevollen Spott, der jedoch immer auch einen ernsten Hintergrund hat; sie nennt als Kontext der Kolumnen die Allgegenwärtigkeit rechter Gewalt, seien es die Anschläge von Halle und Hanau, der Einzug der AfD in den Bundestag oder die NSU-Prozesse. Yaghoobifarahs Humor dient also auch als Bewältigungsstrategie.

    Das Buch ist in insgesamt 9 Unterthemen eingeteilt, zum Beispiel über das Leben in Deutschland, Astrologie oder Körperbilder, immer wieder verwischen aber auch die Grenzen. Es ist besonders der Rassismus, den Yaghoobifarah hier entlarvt. Wenn Menschen beispielsweise mehr Anteil daran nehmen, wenn NS-Symbole von einer Kirchenglocke entfernt werden, als es befremdlich zu finden, wenn eine rechtsextremistische Mordserie als „Dönermorde“ bezeichnet wird. Oder wenn Anschläge nur furchtbar zu sein scheinen, wenn sie auf Weihnachtsmärkten geschehen, nicht aber, wenn der Tatort ein Kiosk oder eine Shisha Bar ist. Hier legt Yaghoobifarah den Finger tief in die Wunde. Auf andere Kolumnen, z.B. zu Polizeigewalt, folgten sogar Strafanzeigen, Morddrohungen und Stalking. Dabei werden hier keine Einzelpersonen, sondern ein ganzes System kritisiert; stets nach oben getreten, nicht nach unten.

    Es ist nicht einfach, in Deutschland witzig zu sein, sagt Fatma Aydemir in ihrem Vorwort. Hengameh Yaghoobifarah gelingt es dennoch vortrefflich. Deutsche Eigenheiten werden so herrlich eingefangen, Patriarchat und Kapitalismus auf die Schippe genommen. Und manchmal spricht Yaghoobifarah einem selbst mitten aus der Seele. Im Nachwort folgt dann auch noch einmal ein kritischer Blick: auf die eigenen Texte, die erhaltenen Reaktionen und die Grenzen der Kolumne an sich. Und das wäre auch mein kleiner Kritikpunkt: Als einzelner Text wirken diese umso stärker und stehen für sich allein. Als thematische Aneinanderreihung ergeben sich oft Wiederholungen und der Effekt der Kolumnen nutzt sich ab. Dennoch: Unbedingt lesen! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: